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Wassertrinken entzaubert - eine Ärztin suchte, doch fand keine einzige seriöse Untersuchung, die gesundheitliche Vorteile einer erhöhten Wasserzufuhr eindeutig bewies.

Foto: APA/Peter Kneffel dpa/lby

London/Wien - Anfang Juli fand in in Frankreich das wissenschaftliche Jahrestreffen der Initiative "Hydration for Health" statt. Austragungsort war - wohl nicht ganz zufällig - die Stadt Evian. Hauptanliegen diese Gesundheitsinitiative ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, die laut "Hydration for Health" täglich eineinhalb bis zwei Liter Wasser beträgt.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Millionen von gesundheitsbewussten Wasserflaschenbenützern, die seit einigen Jahren die Großstädte in der westlichen Welt bevölkern und ihren Körpern regelmäßig H2O zuführen, können nicht irren. Oder etwa doch?

Die schottische Medizinerin Margaret McCartney wagt nun im angesehenen "British Medical Journal", dem Hype ums Wassertrinken einige sachliche Argumente entgegenzustellen - und ihn als List der Wasserproduzenten zu entlarven. "Hydration for Health" sei vom französischen Nahrungsmittelkonzern Danone ins Leben gerufen worden, der die Initiative auch finanziere. Und Danone besitzt unter anderem die Edelwässer Volvic und - voilà - Evian.

Aber müssen deshalb die auf Studien gestützten Behauptungen der Initiative gleich falsch sein? Ist es nicht so, dass Dehydrierung die Entstehung von Krankheiten wie Schlaganfälle oder Gallensteine begünstigt? Und profitieren ältere Menschen, die oft wenig Durst haben, nicht von mehr Wasser?

McCartney machte sich für ihren Aufsatz die Mühe, die gesamte von der Initiative angeführte Fachliteratur und weitere medizinische Trinkstudien durchzuackern und fand keine einzige seriöse Untersuchung, die gesundheitliche Vorteile einer erhöhten Wasserzufuhr eindeutig bewies - weder bei Kindern, Erwachsenen noch bei Senioren.

Um bei den Kindern zu beginnen: Im Jahr 2000 sorgte eine Studie für erhebliche mediale Aufregung, in der behauptet wurde, dass besonders gut hydrierte Kinder bessere Testergebnisse abliefern würden. Allein: Die Studie wurde nie in einem seriösen medizinischen Journal publiziert.

Jene Untersuchungen bei Erwachsenen, die in seriösen Fachmagazinen veröffentlicht wurden, kamen selbst bei Nierenerkrankungen oder Blasenentzündungen zu keinen eindeutigen Empfehlungen für "sechs bis acht Glas Wasser täglich", die für McCartney "widerlegter Nonsens" sind.

Ein Zusammenhang hat sich bei ihren Recherchen allerdings bestätigt: Nachdem das "Journal of the American Society of Nephrology" 2008 in einem Editorial der erhöhten Wasserzufuhr positive gesundheitliche Effekte abgesprochen hatte, sanken die Wasserverkaufszahlen von Danone. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 23./24. 7. 2011)