"Sherlock": Der Meisterdetektiv (Benedict Cumberbatch) im heute ist frech und genial.

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Wien - Sherlock Holmes schaltet sich gern bei Pressekonferenzen von Scotland Yard zu. Über SMS informiert er Inspektor und Journalisten darüber, dass er es wieder einmal besser weiß. Es müsse eine Verbindung zwischen den Opfern geben, informiert der Offizielle. "Tüdeldü!", rufen die Handys der Anwesenden: "Falsch", zeigt die SMS-Anzeige. "Unsere besten Leute ermitteln in dem Fall." Wieder melden die Handys: "Falsch." "Wir sind alle so sicher, wie wir sein wollen". - "Falsch", kommt prompt die Antwort. Und - jetzt nur an den Polizisten: "Sie wissen, wo Sie mich finden. SH."

Während sich im Kino Richard Downey Jr. als aufgekratzter Tausendsassa bald in zweiter Auflage mit Professor Moriarty durch die finsteren Gassen des Königreichs im späten 19. Jahrhundert matcht, führt die BBC einen jungen, aberwitzigen, mit nicht weniger Gehirnschmalz ausgestatteten Detektivspross im London der Jetztzeit ein.

Frech, hochmütig, eigenbrötlerisch und genial: Diese Eigenschaften übernahm der junge Sherlock Holmes von seinem historischen Vorbild nach Sir Arthur Conan Doyle. Er könne einen Softwaredesigner an seiner Krawatte erkennen und einen Flugkapitän an seinem linken Daumen, verspricht der Jüngling auf seiner Homepage und stellt die Gabe sogleich unter Beweis. Im ersten von drei Fällen löst er eine mysteriöse Serie an Selbstmorden, die sich später als Morde entpuppen. Nicht als Privatdetektiv geht er ans Werk, sondern als "Consulting Detective". Die Berufsbezeichnung habe er selbst erfunden, erklärt Holmes. Genies von heute.

Flott und fein

Mit flottem Spiel und feinem Humor huscht Benedict Cumberbatch als britischer Schnösel von Tatort zu Tatort und zeigt, dass Genie und Wahnsinn wirklich sehr nah beieinander liegen. Die Briten waren begeistert.

Mit Sherlock landete die BBC einen Start-Ziel-Sieg: Sieben Millionen schauten zu. Ein Marktanteil von 28,5 Prozent tat der krisengebeutelten "alten Tante" gut. Eine zweite Staffel ist in Planung.

Sherlock-Väter sind der BBC-Drama-Chef Ben Stephenson sowie die Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss. Stephenson trug maßgeblich zum Kreativitätsschub bei britischen Miniserien bei. Sam Mendes (American Beauty) produzierte etwa Hamlet neu. Jane Campion (The Piano) punktete mit dem Mysterykrimi Top of the Lake. Moffat und Gatiss schreiben für den Allzeithit Doctor Who.

Und es wäre nicht Sherlock Holmes, wenn sich an seiner Seite nicht der treue Watson befände: Im 21. Jahrhundert ist er ein junger, ernster Afghanistan-Kriegsveteran. Um sein Trauma zu bewältigen, soll er im Auftrag seiner Therapeutin Erinnerungen als Blog aufzeichnen.

Die Wohnung, die Holmes und Watson gemeinsam beziehen - Baker Street 221 B, natürlich - könnte beim originalen Holmes ebenso ausgesehen haben. Nur die Vermieterin erinnert beim Besichtigungstermin an die Gegenwart: Ein zweites Schlafzimmer gebe es im ersten Stock, sagt sie: "Wenn die Herren denn eines brauchen." Darüber wurde einst nicht so offen gesprochen. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 23./24.7.2011)