Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Matt Dunham

Wien - Amy Winehouse war für kurze Zeit ein seltener Glücksfall. In einer synthetischen Popwelt, in der jedes sich durch den Amtsweg der Castingshows buckelnde Sternchen zur Ikone ausgerufen wird, ließ sie wieder an die Idee des Genies glauben.

Winehouse war keine angepasste Kriecherin, sondern eine renitente und leider bis zur letzten Konsequenz mit Unvernunft ausgestattete Exzentrikerin. Winehouse war ein Naturtalent. Ihre Autorität verlieh sogar ihrer Bienenstock-Frisur, dem nuttigen Lidstrich sowie ihren Knasttätowierungen eine eigene Qualität, ihren unverwechselbaren Stil.

Die Stimme der Britin besaß die Kraft von Größen, die in den 1960ern im US-Soul nur so aus den Bäumen zu purzeln schienen. Ihre raue Eleganz vermittelte Authentizität und erinnerte an die hohe Zeit einer Etta James. Wie diese ebenfalls von Drogen und den Härten des Showbiz ramponierte Soul-Diva schien Winehouse zu wissen, wovon sie sang.

Hört man jetzt Lieder wie Rehab mit der Zeile "They tried to make me go to rehab, but I say no, no, no" oder You Know I'm No Good, dann hat sich diese Einschätzung grausam bewahrheitet: Mit nur 27 Jahren ist die Soulsängerin am Samstag in London tot in ihrem Haus aufgefunden worden.

Die genaue Todesursache war zunächst nicht bekannt, angesichts ihres Lebenswandels galt es aber als wahrscheinlich, dass Drogen oder Alkohol mitverantwortlich waren. Denn die am 14. September 1983 als Amy Jade Winehouse in London geborene Sängerin sorgte zuletzt hauptsächlich mit ihrer Suchtkrankheit für Schlagzeilen. Ihre kurze Ehe mit Blake Fielder-Civil war begleitet von Drogengeschichten und Delikten, die im Rausch begangen wurden: Handgreiflichkeiten gegen Paparazzi und aufdringliche Fans. Amy Winehouse auf dem Weg vom oder zum Gericht ist mindestens ebenso umfassend dokumentiert wie ihre Auftritte.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Schon ihr im Herbst 2003 erschienenes Debüt Frank präsentierte eine Sängerin, die mit zeitgenössischem Soul das Bild einer selbstbewussten Frau vermittelte. Erschien das Album musikalisch noch etwas beliebig, so verpasste ihr Produzent Mark Ronson auf dem 2006 erschienenen Folgewerk Back To Black jene Identität, mit der sie in die Musikgeschichte eingehen sollte.

Ronson verpflichtete die Begleitband der New Yorker Soul-Sängerin Sharon Jones für die Aufnahmen. Die Dap-Kings prägten die klassische Soul-Ästhetik, die Winehouse mit goscherten Texten ins Jetzt transformierte. Das Album verkaufte sich bis heute über zehn Millionen Mal, brachte Winehouse fünf Grammys ein, machte sie berühmt - und berüchtigt.

Ihre Musik nannte sie einmal Hangover-Gospel, sich selbst eine Drama-Queen, die stundenlang Sixties-Pop hören und sich dabei in Selbstmitleid wälzen konnte. Aber selbst als von ihrer Magersucht und Drogen gezeichnetes Gestell vermochte sie in manchen Auftritten noch eine einzigartige Aura zu erzeugen, wenn sie mit wenigen Gesten und minimalistischen Tanzschritten große Wirkung erzielte.

Im Licht der Klatschpresse

Doch diese Wirkung verfehlte sie zuletzt immer öfter. Ihre Sommertournee, die sie am Sonntag erstmals nach Österreich führen hätte sollen, wurde vor einigen Wochen abgebrochen, nachdem sie in Belgrad einen desaströsen Auftritt abgeliefert hatte, der zum Konzertabbruch führte.

Gemessen an den vielen ausgesprochenen und dokumentierten Warnungen und dem Rat von Ärzten und Familienmitgliedern, sich doch in Behandlung zu begeben, erscheinen die letzten Jahre der Sängerin wie die Chronik eines angekündigten Todes. Ein Ende im Scheinwerferlicht der Klatschpresse.

Statt an einem neuen Album zu arbeiten, von dem sie zuletzt immer öfter gesprochen haben soll, ist Amy Winehouse jetzt Mitglied im "27 Club" geworden: einem fiktiven Verein der Pophistorie aus mit 27 Jahren verstorbenen Musikern, darunter große Namen wie Robert Johnson, Jim Morrison, Janis Joplin, Brian Jones, Jimi Hendrix und Kurt Cobain - und nun leider auch Amy Winehouse. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe 25.7.2011)