Klaus-Dieter Koch über Österreich: "Fein, schön, charmant und größer als es denkt."

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Koch: "Österreich hat sein Puppenstuben-Image mit Tourismusfokus in der Vergangenheit sehr gut gepflegt. 'Hier ist die Welt noch in Ordnung' und immer ein bisschen schöner als anderswo. Aber die touristisch geprägte Markenführung überlagert alles andere und führt zu einer einseitigen Wahrnehmung."

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"Ein Markenprozess für ein Land muss aus der Mitte seiner Gesellschaft entstehen und darf nicht von 'oben' aufgesetzt werden."

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Sieben Arbeitspakete stellte die Regierung Mitte Juni vor, eines davon: Die Entwicklung der "Marke Österreich", um auf dem "europäischen und dem Weltmarkt einen neuen Stellenwert zu erreichen", hieß es damals in einer Erklärung. "Ziel des 'Nation Branding' ist, dass sich die 'Marke Österreich' positiv auf unsere Wettbewerbsfähigkeit auswirkt", sagt Außenminister Michael Spindelegger, das Image Österreichs soll im Ausland weiter gestärkt und ein möglichst einheitlicher Außenauftritt gewährleistet werden.

Astrid Ebenführer hat beim Markenexperten Klaus-Dieter Koch nachgefragt, wie dieser Markenprozess für Österreich aussehen könnte, was "Nation Branding" bringt und was sich Länder hier von Großkonzernen abschauen können.

derStandard.at: Wenn Sie als Deutscher an Österreich denken, welche Begriffe fallen Ihnen persönlich spontan ein?

Koch: Ich lebe zwar in Nürnberg, bin aber über 200 Tage im Jahr unterwegs, unter anderem in Österreich. Daher habe ich nicht nur eine deutsche, sondern eher eine europäische und internationale Sicht auf Österreich und da gibt es teils erhebliche Unterschiede. Was aber alle eint: Österreich ist nach wie vor eine Projektionsfläche für die "Heile-Welt"-Sehnsüchte der Menschen. Österreich hat sein Puppenstuben-Image mit Tourismusfokus in der Vergangenheit sehr gut gepflegt. "Hier ist die Welt noch in Ordnung" und immer ein bisschen schöner als anderswo.

Egal ob Wien mit seiner starken Kulturprägung, Tirol mit seinen Bergen und der Natur, Wachau und Wein, Salzburg und Mozart (und -Kugeln) oder Kitzbühel und das härteste Skirennen der Welt, das touristische Bild von Österreich ist stark verankert. Allerdings hat dieses "Heile Welt"-Image natürlich auch seine negativen Auswirkungen. Die Wirtschaftskraft oder die Managementqualitäten, die Reputation der Bildungseinrichtungen oder die Forschungs- und Innovationsfähigkeiten des Landes werden dadurch überschattet und können sich in der internationalen Wahrnehmung nicht durchsetzen.

derStandard.at: Wie würden Sie jemanden, der Österreich nicht kennt, Österreich beschreiben?

Koch: Fein, schön, charmant und größer als es denkt.

derStandard.at: Warum soll sich ein Land als Marke verstehen?

Koch: Durch die Abschaffung von Zöllen, Barrieren, Währungen, Grenzen und gesetzlichen Beschränkungen entstanden in den letzten 25 Jahren offene und freie Märkte. Deshalb steht ein Land heute in einem komplexeren und härteren Wettbewerb als noch zur Zeit des Ostblocks, des Kalten Kriegs, einem fernen Asien und einem verschlossenen China. Dieser Wettbewerb wird unter anderem von der WTO und der EU konsequent weiter gefördert und sorgt dafür, dass so gut wie in allen Bereichen die für eine Nation, ihrer Funktion und ihrer Zukunft wesentlich sind, offener Wettbewerb herrscht. Dazu zähle ich insbesondere die Absatzmärkte, die Beschaffungsmärkte, die Märkte der qualifizierten Talente und Facharbeitskräfte, die Finanzmärkte, die Gründer- und Unternehmermärkte und im Falle von Österreich natürlich auch die Tourismusmärkte.

In all diesen Märkten muss sich eine Nation bewusster, entschlossener und wirksamer für die Zukunft positionieren als dies vorher der Fall war. Eine Marke kann aufgrund ihrer Wirkmechanismen hier zweierlei Nutzen stiften: Zum einen verfügt sie über Methoden und Mechanismen ein Land auf Basis seiner erwiesenen Spitzenleistungen in eine strategisch vorteilhafte Wettbewerbsposition um Kunden, Geld, Unternehmer, Talente und Gäste zu bringen und zum anderen wirkt sie massiv nach innen und hilft bei der Identitätsbildung der Bürger und Einwohner und unterstützt die Integration neuer Bürger wie auch der Expatriates.

derStandard.at: Was hat Österreich in Hinblick auf Markenführung in den vergangenen Jahren gut, was schlecht gemacht?

Koch: Es hat nichts gemacht und das war nicht schlecht. Im Ernst, die touristisch geprägte Markenführung überlagert alles andere und führt zu einer einseitigen Wahrnehmung, die dem Land und den Fähigkeiten seiner Menschen nicht gerecht wird. Ich sehe die ganz klare Zukunftsaufgabe für Österreich darin in den nächsten 15 bis 20 Jahren die Wahrnehmung von Österreich auf mehrere Säulen zu stellen und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

derStandard.at: Wie würden Sie einen "Nation Branding"-Prozess für Österreich angehen?

Koch: Auf keinen Fall von der Oberfläche aus. Leider wird Markenführung von sehr vielen Verantwortlichen immer noch mit oberflächlichem Illusionsmarketing verwechselt. Ich hoffe, dass dies Österreich erspart bleibt. Ein Beispiel: Eine der meistbesuchtesten Städte der Welt ist Paris. Wenn ich Menschen frage was ihnen zu Paris einfällt dann kommt in der Regel der Eiffelturm, Louvre, Gourmetrestaurants, Stadt der Liebe, Mode, etc. Wenn ich frage, wie denn das Logo von Paris aussieht, dann kommt nichts. Die Menschen erinnern sich gerne an Leistungen, aber nie an die Oberfläche wie Logos und Werbung. Design und Kommunikation dienen der Kennzeichnung und Vermittlung der Markenbotschaft, machen aber noch lange keine Marke. Dies kann nur über bewusstes, scharfes und konsequent betriebenes Leistungsmanagement passieren.

Die Menschen um die es geht, sind heute so erfahren und durch die Transparenz und Geschwindigkeit des Internets so gut informiert, die lassen sich kein X für ein U mehr vormachen oder sich gar manipulieren wie das die Werbung ständig probiert. Ein Markenprozess für ein Land muss aus der Mitte seiner Gesellschaft entstehen und darf nicht von "oben" aufgesetzt werden. Die Politik hat hier Initiativ- und Koordinierungsaufgaben. Im besten Fall kann sie inspirieren und für die nötige Sensibilität sorgen, aber mitwirken müssen die Menschen und das so breit gestreut und transparent wie möglich. Im Prinzip muss alles, was die Identität einer Nation bildet, erfasst werden, auf Zukunftsfähigkeit überprüft, ergänzt und dann wettbewerbsfähig gemacht werden. Das ist dann die Grundlage, um das Profil zu schärfen und spürbar zu machen, indem man Prioritäten setzt. Marke heißt auch Verzicht.

derStandard.at: Österreich/Litauen: Was könnte hier "Nation Branding" gegen die derzeitige Krise ausrichten? Ihre Empfehlungen in der derzeitigen Situation an das Außenministerium?

Koch: "Nation Branding" hat nicht die Aufgabe auf operative Situationen direkt einzuwirken. Das kann eine Marke auch nicht leisten. Vielmehr ist es die Aufgabe eines guten Markenmanagements die negativen Unvorhersehbarkeiten in den Folgen abzumildern und die positiven Effekten zu verstärken. Wenn eine Nation grundsätzlich als attraktiv, sympathisch und vertrauenswürdig wahrgenommen wird, dann lassen sich auch derartige Konflikte auf einer besseren Grundlage bearbeiten. Lösen müssen sie dennoch die Fachleute. Die Schweiz, die ich ich als sehr starke und bewusste geführte Marke erlebe, hat dies bei ähnlichen Krisen bereits mehrfach vorgemacht.

derStandard.at: Wirtschaftsminister Mitterlehner sieht Liechtenstein beim Thema "Nation Branding" als Vorbild für Österreich. Wie würden Sie die Marke Liechtenstein beschreiben und was kann sich Österreich von Liechtenstein abschauen?

Koch: Nichts. Auch wenn es oberflächlich so erscheinen mag, Marken kann man nicht vergleichen. Denn jede Marke verfügt über eine eigene Historie, ihre eigenen Traditionen, ihre eigenen Werte und ihren Stil. Liechtenstein war und ist durch seine einseitig geprägte Vergangenheit auch in einer vollkommen anderen Situation wie Österreich. In Liechtenstein hat eine einzige Branche mit zweifelhaften Werten und Praktiken alle anderen Liechtensteiner Spitzenleistungen überschattet.

derStandard.at: Markenführung für eine Nation: Lassen sich hier dieselben Markenstrategien anwenden wie für Unternehmensmarken? Wo liegen die Unterschiede?

Koch: Teilweise lassen sich die Erfahrungen in der Markenführung von internationalen Großkonzernen durchaus nutzen, da diese manchmal schon so groß sind wie kleinere Nationen und auch so funktionieren. Sie haben einen jahrzehntelangen Vorsprung im Umgang mit hartem Wettbewerb, in der orchestrierten Marktbearbeitung, bei effizienten Managementstrukturen und zügigen, kundenorientierten Prozessen. Hier hat die öffentliche Verwaltung noch massiven Aufholbedarf.

Allerdings sind die Gemeinsamkeiten im Markenmanagement hier auch zu Ende. Ein Staat ist kein Unternehmen und darf auch nie eines werden. Er hat sehr viel vielfältigere, unter anderem hoheitliche Aufgaben und ist auf die motivierte und aktive Mitwirkung seiner Bürger angewiesen. Ein Unternehmen kann seine Leistungsträger zur Umsetzung einer Markenstrategie verpflichten, eine Nation kann dies nicht und ist auf den Goodwill angewiesen. Unternehmen können Mitarbeiter kündigen wenn sie Anweisungen nicht umsetzen. Ein Land kann keinen Bürger entlassen weil er nicht mitmacht oder opponiert. Die Markenführung für ein Land beschränkt sich letztendlich auf die Rahmensetzung und die ständige Motivation der Leistungsträger, diesen Rahmen mit Inhalten und Spitzenleistungen zu füllen und wirkt vor allem nach innen. Markenführung funktioniert nur von innen nach außen. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 26.7.2011)