Es ist Hochsommer, doch das Wetter hält nicht ganz, was es verspricht. Eine gute Gelegenheit, um verpasste Hits und erntereife Videospielperlen auszugraben.

InFamous 2 (PS3)

Den Start in die vermeintlich hitzigste Zeit des Jahres machten überschattet vom Trash-Comeback des Dukes die elektrisierenden Gefechte des Superheldenepos "InFamous 2". In der Fortsetzung macht man sich in den Schuhen des "Retters Widerwillen" Cole MacGrath in ein überzeichnetes, virtuelles New Orleans. Eine Bestie zieht über das Land und droht auch die Küstenstadt auseinanderzunehmen. Nach einem ersten Aufeinandertreffen um wertvolle Superkräfte beraubt, nutzt man in "New Marais" die Gelegenheit, lokale Milizen und Mutaten zu jagen und so seine gewachsenen Fähgkeiten wieder zu erlangen. Mit Kugelblitz, Vereisungszauber und Schwebetrick wird man zu gleichsam mächtigen wie überaus unterhaltenden Kampfmaschine. Abermals geben einem die Entwickler die Chance, sich zwischen "umweltschonender" und sorgloser Vorgehensweise zu entscheiden - eine zumindest oberflächlich geglückte moralische Komponente. Den Hollywoodschmalz bei Seite: Weshalb soll ein Superheld nicht auch einmal ein egoistischer Widerling sein? Dauerhaft anziehend sind hingegen die Möglichkeiten zur eigenen kreativen Entfaltung. Nach Bewältigung der leider gegen Ende etwas einknickenden Story darf man selbst Missionen generieren und Freunde vor eigene Herausforderungen stellen.

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DiRT 3 (PC, PS3, Xbox 360)

Ende des Frühjahres parkte sich der neunte Teil Codemasters Offroad-Rennspielserie in die Charts ein. Erstmals in der 13-jährigen Geschichte des Franchises findest sich der Name des 2007 verstorbenen Aushängeschildes "Colin McRae" nicht mehr im Titel. Etwas verwirrend, denn im Vergleich zum Vorgänger macht "DiRT 3" zur Abwechslung wieder einen Schritt zurück zu den Wurzeln. Das Motto lautet wieder mehr Rally und weniger exotische Schlammrennen.

Hinter dem Steuer von WRC-Boliden und Klassikern wie dem Audi Quattro macht man sich als aufstrebender Rennfahrer an Herausforderungen rund um den Planeten vorbei an den dichten Nadelwäldern Finnlands in die sengende Hitze Kenias hinein in die Schikane Monte Carlos. Gut 100 Strecken sind gespickt mit nicht einsehbaren Kurven, Wassergräben, achsenbiegenden Bodenwellen und anderen malerisch gestalteten Unannähmlichkeiten bei allen Wetterlagen. Lockerungsübungen findet man bei speziellen Stunt-Parcours und Drift-Challenges. Etwas verspielter geht es neben typischen Multiplayer-Vergleichen in ausgefallenen Partymodi zu, in denen mit Alien-Invasionen und Zombieseuchen typische Arcade- und Shooter-Elemente mit dem realistischen Setting vermischt werden. Der bislang beste Teil der noch jungen DiRT-Serie.

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Child of Eden (Xbox 360; PS3 im September)

Rund acht Monate hat es gedauert bis der erste etwas weniger nach Babybrei oder Discoschweißband duftende Titel für die Bewegungssteuerung Kinect erschien: "Child of Eden" kam, verzauberte und floppte gemessen an den Verkaufzahlen. Schade eigentlich, denn auch von den anstrengenden, wenngleich durchaus fließenden Bewegungsübungen der Sensorsteuerung befreit, ist der Musikshooter mit Gamepad umso mehr eine fast transzendentale Erfahrung. Es ist ein sechsstündiger Trip durch farbenfrohe Galaxien, relaxierende Melodien und treibende Beats, die in funkelnden Bit-Feuerwerken kulminieren. Es ist eine glücklichmachende Sinnesüberflutung, die man ausnahmsweise nicht am Scharzmarkt suchen muss.

Weshalb nur so wenige "Süchtige" gefunden werden konnten, erklärt vielleicht der hohe Startpreis von 40 Euro. Die Hersteller haben reagiert, so wird das Spiel auch in der PS3-Version mit Move-Unterstützung von Haus aus künftig zehn Euro weniger kosten.

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Bastion (PC, Xbox 360; PS3 TBA)

Man muss nicht immer das Rad neu erfinden, um zu überraschen. Manchmal reicht es auch, das Rad während des Fahrens neu zu bauen. So oder so ähnlich könnte man den Reiz des Action-Rollenspiels "Bastion" in Worte fassen. Als junger Held "The Kid" findet man sich nach einer Katastrophe kataklysmischer Ausmaße vor seiner zersplitterten Heimatwelt wieder.

So liegt es an einem selbst, die Welt neu aufzubauen und die schrecklichen Ereignisse (erzählt von der Stimme aus dem Off) zu ergründen. Um diesem Aufbau eine visuelle Metapher zu verleihen, baut sich ein Level tatsächlich während des Fortschreitens vor einem auf. Bausteine die vom Himmel fallen, ebnen den Weg zu immer neuen Quests und Kämpfen. Wie beim Leveldesign liegt die Motivation auch beim eigentlichen Gameplay in der Entdeckung und Anwendung neuer Utensilien. Ein altbewährtes Konzept auf erfrischende Art und Weise neu entdeckt.

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From Dust (Xbox 360; PC und PS3 ab Mitte August)

Peter Molyneux mag bei jüngeren Generationen ob der "vielversprechenden 'Fable'-Serie" eher als Pinnochio denn als Guru der Videospielindustrie bekannt sein, doch zumindest seine ersten Visionen und Ideen finden heute noch Anklang in der Branche. Bestes Beispiel hiefür ist Ubisofts Überraschungshit "From Dust", das sich selbst als geistigen Nachfolger Molyneuxs "Populus" bezeichnen könnte.

Der Spieler wird mächtiger Hand zu Gott selbst und darf unter Manipulation der Naturgewalten Menschen erleuchten und vom Untergang retten. Es hat weniger von einem frei gestaltbaren Sandkasten, als von einem missionsgetriebenen Machtbeweis. So gilt es mit der kreativen Verformung der Landschaft Vulkanausbrüche abzuwenden, Tsunamis in Gele zu verwandeln oder Feuerstürme zu löschen und schließlich die gesegnete Erde zu bevölkern. Unchristliches Gelächter bei missglückten Rettungsversuchen verleihen der göttlichen Atmosphäre den ironischen Unterton. In die Quere kommt dem Vergnügen lediglich der mangelhafte Feinschliff bei der Steuerung und bildlichen Erfassung des 7-Stunden-Werks.    

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Back to the Future: The Game (PC, PS3, iPad)

Es hat gut sieben Monate gedauert, nun ist die Reise zurück in die Zukunft auch auf PS3 und iPad in vollen Zügen buchbar. Mit der Veröffentlichung der fünften Episode hat Entwickler Telltale seine Fanarbeit und die Virtualisierung des DeLorean, des Docs, Marty McFlys und der Hoverboards abgeschlossen. Wer den Werdegang dieses klassischen Adventure mit großem Nostalgiefaktor bislang verpasst hat, kann sich zum Abschluss der Serie über vorteilhafte Paketpreise erfreuen.

Die virtuelle Blende geht im Jahr 1986 auf - sechs Monate nach den Ereignissen des dritten Teils. Hinter dem Steuer eines Replikat des zerstörten DeLoreans macht sich Marty auf zur Rettung seines besten Freundes Doctor Emmett Brown, der irgendwo in den 1930ern feststeckt. Es ist eine intellektuell leicht unterfordernde Spurensuche nach dem Point-and-Klick-Prinzip, die allerdings mit viel Liebe zum Detail und mit viel Wert auf Authentizität gestaltet wurde. Das reicht von flotten Dialogen inklusive Trick 17 "Schau mal dort" bis hin zu nerdigeren Fakten, die zur Aktivierung der Zeiteingabe benötigt werden. Die comichafte Aufmachung mag nicht jedermanns Sache sein, die erstklassige Vertonung - abseits des schwer vermissten Michael J. Fox - gibt allerdings nur wenige Gründe zum Streiten.

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Import-Tipp: Catherine (PS3, Xbox 360)

Es ist gemein mit Süßigkeiten zu locken, wenn man sie dann doch nicht hergibt. Doch vielleicht hat der eine oder andere die Gelegenheit Atlus neuesten Geheimtipp aus den USA zu importieren. Alle anderen müssen sich noch bis Ende des Jahres gedulden. "Catherine" ist in erster Linie ein für Videospiele ungewöhnlicher Thriller rund um eine Dreiecksbeziehung. Nach einem Seitensprung ist der mehr oder weniger glücklich in einer Beziehung steckende Vincent hin- und hergerissen. Er wird von Albträumen heimgesucht, in denen er nicht nur sprichwörtlich ums Überleben kämpft.

Es ereignet sich eine spannende Mischung aus reizvollem Abenteuer und kniffligen Puzzle-Spielen, die Vincents Überlebenskampf symbolisieren und dem Zwiegespaltenen eine Entscheidung abringen. Die Umstände verheißen nichts Gutes, andere junge Männer mit ähnlichen Schlafstörungen konnten nur noch tot aufgefunden werden. Ungewöhnlich gut.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 14.8.2011)

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