Berlin - Von rund 650.000 Geburten in Deutschland im Jahr 2010 litten fast 24.000 Mütter bei der Entbindung unter Schwangerschaftsdiabetes, das ist jede 27. Mutter, Tendenz steigend. Fälle wie das kürzlich in Texas mit 7,3 Kilo geborene "Riesenbaby" machen deutlich, welche Komplikationen die Krankheit für eine Geburt bedeuten kann. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat in den vergangenen Monaten die Leitlinie Schwangerschaftsdiabetes überarbeitet. Erhöhte Blutzuckerspiegel bei Schwangeren rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, lindere die Folgen für Mutter und Kind, so die DDG in einer Aussendung.

Frühgeburten und große Babys

Für werdende Mütter erhöht Schwangerschaftsdiabetes das Risiko, Bluthochdruck, Harnwegsinfekte oder Schwangerschaftsvergiftungen zu erleiden. Darüber hinaus haben sie häufiger Frühgeburten. Sie gebären übermäßig große Babys, die häufiger über einen Kaiserschnitt zur Welt kommen müssen. Mitunter leiden die Babys unter einem Atemnotsyndrom, Unterzuckerungen oder Trinkschwäche. "Eine angemessene Behandlung mildert nachweislich die Folgen eines Gestationsdiabetes mellitus für Mutter und Kind", sagt Helmut Kleinwechter, Sprecher der Leitlinien-Expertengruppe Diabetes und Schwangerschaft der DDG. Studien zeigen, dass eine Blutzucker senkende Therapie und eine spezialisierte geburtsmedizinische Betreuung den betroffenen Frauen und ihren Kindern helfen.

Mit der Leitlinie gibt die DDG Ärzten Informationen und Handlungsempfehlungen zu Epidemiologie, Folgen, Screening, Diagnostik, und Therapie von Gestationsdiabetes. Dazu gehören auch Hinweise zur Ernährung, Kalorienbedarf und Sport, zur Schulung der Schwangeren und geburtsmedizinischer Betreuung und Nachsorge.

Risikofaktor Übergewicht

Der häufigste Risikofaktor für Schwangerschaftsdiabetes ist Übergewicht, oft verursacht durch kalorienreiche Nahrung und zu wenig Bewegung. Mitunter sind Betroffene erblich vorbelastet. Auch langfristig tragen Mutter und Kind an den Folgen: Nur im Mittel 13 Wochen nach der Schwangerschaft sind 5,5 Prozent der Mütter bereits an Diabetes mellitus erkrankt. Bei bis zu 60 Prozent der Betroffenen entwickelt sich innerhalb von zehn Jahren nach der Schwangerschaft mit einem Gestationsdiabetes ein Typ 2 Diabetes - mit dem Risiko aller bekannten Diabetes-Komplikationen an Augen, Nerven und Nieren. Die Entdeckung eines Gestationsdiabetes sei deshalb Diabetes-Prävention, so die DDG-Experten. 

Die Leitlinie erörtert auch, inwieweit Blutzucker-Reihenuntersuchungen die Situation verbessern. "Zwar besteht bei einem Screening aller Schwangeren die Gefahr, Frauen mit geringem Risiko unnötig zu belasten", sagt Kleinwechter. Doch das gezielte Screening etwa von Übergewichtigen oder familiär vorbelasteten Frauen hätte zur Folge, dass bis zu 40 Prozent der Fälle nicht entdeckt würden. Die DDG rät deshalb davon ab, ausschließlich Schwangere mit Risikofaktoren für einen Gestationsdiabetes zu untersuchen. Die Leitlinie soll auch dazu beitragen, das in den Mutterschaftsrichtlinien noch immer angebotene, völlig unzureichende Urinzucker-Screening durch ein Blutzucker gestütztes Verfahren abzulösen.

"Um eine bestmögliche Betreuung der Betroffenen zu erreichen und Mutter und Kind wirksam zu helfen, sollte die evidenzbasierte Leitlinie Richtschnur des Handelns in Klinik und Praxis sein", sagt  Kleinwechter. Die evidenzbasierte Leitlinie ersetzt die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Gestationsdiabetes aus dem Jahr 2001. Eine Kurzfassung in Form einer Praxisleitlinie und eine Laienversion für Interessierte ergänzen diese Fassung. (red)