Auf Google+ dokumentiert Android-Chef Andy Rubin (ganz rechts), womit man sich die Zeit vor der Verkündigung der Motorola-Mobility-Übernahme vertrieben hat: Mit einer gemeinsamen Partie Ping Pong. Ebenfalls im Bild: Google CEO Larry Page (links), zu schnell für die Kamera: Motorola Mobility CEO Sanjay Jha.

Foto: Andy Rubin / Google

Wenn man sich alle Stellungnahmen von Google und seinen Partnern zur geplanten Übernahme von Motorola Mobility ansieht, könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass das Unternehmen nur aus einem einzigen Grund 12,5 Milliarden US-Dollar hinblättert: Um den reichen Patentpool von Motorola in die Hand zu bekommen. Kaum eine Wortmeldung von Google-Offiziellen, in der diese Perspektive nicht klar dominiert.

Patente

Und das ist auch durchaus verständlich: Immerhin werden mit dem Kauf die Karten in den aktuellen rechtlichen Auseinandersetzung rund um angebliche Patentverstöße bei Android vollkommen neu gemischt. Befinden sich unter den 12.500 Patenten (plus 7.500, die noch in der Antragsphase stecken), die Google mit Motorola übernimmt, doch zahlreiche, die grundlegende Funktionalitäten der Mobiltelefonie betreffen, war der Mobiltelefonhersteller doch ein Pionier in dieser Branche. Die Verhandlungen um etwaige Lizenzzahlungen und Patentschutzabkommen werden künftig also wohl deutlich weniger einseitig als bisher ablaufen, die - mehr oder minder offen kommunizierte - Strategie der beiden Hersteller, mit den Klagen die Lizenzkosten für Android in die Höhe zu treiben, verliert an Fahrt.

Einseitig

Und  doch wäre es verfehlt, den Motorola-Deal nur unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten: Von recht naheliegendem Interesse dürfte für Google zunächst einmal sein, dass man mit Motorola Mobility auch die gesamte "Home Entertainment"-Sparte übernimmt. Dazu gehören unter anderem die Settop-Boxen von Motorola - eine Kombination dieser Hardware mit dem bislang nicht so recht vom Fleck kommen wollenden GoogleTV ist so naheliegend, wie es nur geht.

Abwiegeln

Auffällig ist aber auch, wie sehr sich Google bislang bemüht, die Auswirkungen des Kaufs eines großen Smartphone-Herstellers auf Android und die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern herunterzuspielen. So betont Andy Rubin, seines Zeichens Android-Boss bei Google, dass sich durch den Umstand, dass man nun einen eigenen Hardwarehesteller quasi "in-house" hat, gar nichts ändern wird. Motorola Mobility soll als vollkommen unabhängige Geschäftseinheit bei Google weitergeführt werden, es soll auch keinerlei Spezialbehandlung geben, versichert Rubin. Motorola sei auch in Zukunft einfach nur ein weiterer Lizenznehmer, selbst die Wahl für Googles Vorzeige-Android-Reihe "Nexus" soll weiterhin offen bleiben. Motorola können hier ebenso wie alle anderen ein Gebot legen, mehr nicht, so Rubin.

Bedenken

Wortmeldungen dieser Art haben vor allem eine Motivation: Die Bedenken der anderen im Android-Umfeld tätigen Unternehmen zu zerstreuen. Immerhin könnte eine "echte" Kombination von Hard- und Software-Entwicklung bei Google einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsnachteil für alle anderen Android-Hersteller zur Folge haben. Da könnte sich so mancher CEO dann wohl zu fragen beginnen, ob man auf Sicht nicht mit anderen Systemen besser bedient wäre. Das will Google verständlicherweise tunlichst verhindern.

Direkte Auswirkungen

Freilich: Egal wie bemüht das Wording von Google derzeit auch sein mag, dass die Übernahme Motorola - und in Folge auch das restliche Android-Ökosystem - verändern wird, ist eigentlich gar nicht zu verhindern. So ist kaum vorstellbar, dass Motorola unter dem Dach von Google weiter auf angepasste Android-Varianten setzt, wie man es bisher getan hat. Das Motorola-eigene User-Interface "Motoblur" ist mit dem Kauf also wohl schon so gut wie tot, ein paar Teile werden wohl im offiziellen Android landen, der Rest schlicht verschwinden.

Update-Politik

Zudem wird man sich als Google-Tochter kaum auf Dauer die Peinlichkeit erlauben, Firmware-Updates für die eigenen Geräte mit monatelangen Verzögerungen auszuliefern - egal ob sich weiterhin Motorola um die Updates kümmert, oder diese mittelfristig in die Verantwortung von Google wechseln. Dies erhöht wiederum den Druck auf andere Hersteller künftig in dieser Hinsicht flinker zu agieren, wovon in Summer die KonsumentInnen profitieren.

Alternativen?

Vergessen werden darf dabei auch nicht, dass Samsung, HTC und Co. derzeit eigentlich keine wirklichen Alternativen zu Android haben: Ein verstärkter Fokus auf Windows Phone 7 würde sie kaum in eine bessere Situation bringen, sieht man sich dort doch mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, dies aber mit einem weniger etablierten Softwareumfeld. Nokia und Microsoft sind so etwas wie eine bevorzugte Partnerschaft eingegangen, die Gerüchte einer bevorstehenden Übernahme wollen auch nicht so recht abreißen. Und etwaige Überlegungen werden durch den Motorola/Google-Deal wohl nur weiter befördert.

Eigene Wege

Der Wechsel auf ein gänzlich anderes System würde bedeuten, dass man nicht nur die Softwareentwicklung zur Gänze selbst übernehmen müsste, sondern vor allem auch erst mal ein florierendes Anwendungs-Ökosystem etablieren muss. Und das ist gegen die Marktmacht von Apple, Google und Microsoft nicht unbedingt ein Kinderspiel. Da ist die Konzentration auf Android - selbst wenn sich dieses durch den Motorola-Deal verändern wird - zumindest fürs Erste noch immer die verlockendste und vor allem umsatzträchtigste Alternative. Und zwar eine, die durch den Patentkauf gerade noch an weiterer Attraktivität gewonnen hat. Kein Wunder also, dass sich die anderen Hersteller betont positiv zu der anvisierten Übernahme äußern.

Unsicherheiten

Eine gewisse Unwägbarkeit bleibt bei all diesen Überlegungen aber noch: Wäre es doch durchaus denkbar, dass sich Google auf Sicht gar nicht mit einem eigenen Hardwaregeschäft herumschlagen will, und diesen Teil bald weiterverkauft. Mit einem solchen Schritt könnte man die Bedenken der diversen Hardwarehersteller zerstreuen, und sicherstellen, dass Android bei diesen auch auf Sicht die erste Wahl bleibt. Insofern hat diese Option für Google wohl durchaus seinen Reiz. Der Traum von einer kombinierten Hard- und Softwarelösung aus Google-Hand - ähnlich wie es Apple mit dem iPhone macht - wäre damit freilich ausgeträumt.  (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 16.08.11)