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Der C-Falter (Polygonia c-album) wanderte in zwanzig Jahren um 220 Kilometer von Mittelengland nach Edinburgh.

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Washington - Zugegeben: 16,6 Kilometer pro Jahrzehnt (und nicht pro Stunde) oder 1,11 Meter pro Jahr bergaufwärts nach oben sind nicht gerade atemberaubende Geschwindigkeiten. Zumal, wenn sie das Tempo von Lebewesen auf der Flucht beschreiben. Umgerechnet sind das 20 Zentimeter pro Stunde weg vom Äquator - diese Strecke allerdings kontinuierlich 24 Stunden am Tag seit Jahrzehnten.

Die Rede ist vom Klimawandel und von den Wanderungsbewegungen, die er im Tier- und Pflanzenreich verursacht. Und damit vollziehen sich diese Migrationen in horizontaler Richtung dreimal so schnell und in vertikaler Richtung doppelt so schnell wie gedacht, berichten Forscher aus Großbritannien und Taiwan im Wissenschaftsmagazin Science (Bd. 333, S. 1024).

Projektleiter Chris Thomas, Professor an der britischen Universität York, und seine Kollegen haben alle verfügbaren Studien ausgewertet, die sich mit der Verschiebung von Lebensraum befasst haben. Darunter waren solche über Vögel, Schmetterlinge, Grashüpfer, Käfer, Spinnen, Bergpflanzen und Algen.

Insgesamt konnten die Forscher auf Ergebnisse von mehr als 2000 Tier- und Pflanzenpopulationen zurückgreifen. So hatte sich in einer Subuntersuchung gezeigt, dass das Verbreitungsgebiet einer Mottenpopulation am Mount Kinabalu auf Borneo sich in 42 Jahren um rund 60 Meter nach oben verschoben hat. Der C-Falter wiederum wanderte in zwei Dekaden um 220 Kilometer von Mittelengland nach Edinburgh.

Wie die Biologen schreiben, belege ihre Arbeit erstmals, dass eindeutig die globale Erwärmung der vergangenen 40 Jahre für die Verschiebung des Lebensraums der Arten verantwortlich ist. Entscheidender Hinweis dafür sei die Tatsache, dass die größten Veränderungen in den am stärksten erwärmten Regionen auftraten.

Die Forscher haben aber durchaus auch individuelle Unterschiede festgestellt. So bewegten sich einige Arten wesentlich langsamer. Wieder andere Arten wechselten ihren Lebensraum überhaupt nicht oder bewegten sich gar in Richtung Äquator - wie etwa der Zaunammer, eine Vogelart, die aufgrund intensiverer Landwirtschaft in 20 Jahren um 120 Kilometer südwärts zog.

Die Ursachen dafür sind nach Ansicht der Forscher vielfältig. Während einige Arten nur in ihrem angestammten Gebiet überleben können, reagieren andere bei bestimmten Temperaturgrenzen besonders sensibel. Um genauere Aussagen treffen zu können, seien indes weitere Forschungsarbeiten zu Lebensraum und Lebensweise der einzelnen Arten nötig, so die Forscher. (APA, tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 19.08.2011)