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Ein Teil der Carsharing-Flotte von Denzel Mobility Carsharing. Sie könnte bald massiv anwachsen.

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Die Wiener Vizebürgermeisterin ist euphorisch. "In fünf Jahren muss kein Wiener mehr ein eigenes Auto besitzen", erklärt Maria Vassilakou im Falter, denn die Bundeshauptstadt soll eines der größten Carsharing-Angebote in Europa bekommen: "Egal wo man steht, in der Nähe wird die nächste Carsharing-Station sein, an der man ein Auto nehmen kann."

Das Konzept Carsharing funktioniert grob zusammengefasst so: Durch die Mitgliedschaft bei einem Anbieter können gegen eine geringe Jahresgebühr und einen kombinierten Tarif pro Kilometer und Nutzungsdauer Fahrzeuge verschiedener Klassen für kurze Zeitspannen an Selbstbedienungsstationen ausgeliehen werden (mehr dazu siehe Hintergrund).

50 solcher Standorte gibt es derzeit in Wien. Laut dem Verkehrssprecher der Wiener Grünen, Rüdiger Maresch, sollen daraus bald "ein paar hundert" werden. Wenn damit auch die Flotte von momentan rund 120 Autos dementsprechend aufgestockt wird, wären neue Gemeinschaftsautos mit einem Anschaffungswert im zweistelligen Millionenbereich erforderlich. Damit kündigt sich ein lukratives Geschäft für den Carsharing-Markt in Österreich an. Und dieser besteht derzeit aus einem einzelnen Anbieter: Denzel Mobility Carsharing.

"Es haben auch andere Anbieter einen Plan"

Laut Eigenaussage war die 1997 gegründete Tochter des Autohändlers Denzel am Großprojekt der rot-grünen Stadtregierung zuvorderst beteiligt: "Es freut mich sehr, dass die Stadt unser Anliegen aufgenommen hat", erläuterte Geschäftsführer Christof Fuchs im Februar und legte eine Potenzialanalyse mit 800 möglichen Standorten und 100.000 Nutzern in Wien vor. Welchen Anteil Denzel am neuen Auftrag tatsächlich übernehmen wird, kann Fuchs auf Anfrage von derStandard.at noch nicht sagen. "Aber wir stehen Gewehr bei Fuß."

"Denzel wird sicher eine Rolle spielen. Der Platzhirsch kann eine große Zahl an Fahrzeugen zur Verfügung stellen", sagt der Grüne Maresch, "aber es haben auch andere Anbieter einen konkreten Plan, in den Markt einzusteigen." Vor der Vergabe werde es natürlich eine offizielle Ausschreibung geben, betont Maresch, weil die Autos dann auf öffentlichem Grund stehen. Um wen es sich bei den Mitbewerbern handelt, verrät er nicht.

Der ÖAMTC blieb in der Kalkulationsphase stecken

Das Konzept Carsharing wird in der Branche häufig als "Zukunft der Mobilität" verkauft, in Deutschland soll der Markt laut "Bundesverband Carsharing" jedes Jahr um 20 Prozent wachsen. Trotzdem war die Bereitschaft, in Österreich gegen Denzel in den Ring zu steigen, bisher verhalten. "Ein Monopol ist meistens ungünstig. Aber hier handelt es sich ja um keine klassische Monopolstellung, bei welcher ein Anbieter alle anderen verdrängt hat", sagt Steffan Kerbl vom ÖAMTC gegenüber derStandard.at: "Es dürfte eher umgekehrt sein: Vielen ist es zu wenig lukrativ und sie versuchen erst gar nicht am Markt einzusteigen." Der Verkehrsclub habe selbst überlegt, Carsharing in Österreich flächendeckend anzubieten. "Wir sind aber in der Kalkulationsphase steckengeblieben", so ÖAMTC-Fachmann Kerbl. Ganz abgehakt sei das Thema für den Club aber noch nicht.

Generell sei es erstaunlich, dass ein Autoverkäufer Carsharing in Konkurrenz zu seinem Kerngeschäft betreibe, sagt Kerbl über das Denzel-Angebot. Betrachtet man Carsharing aber als Marketingkonzept, dann bedeutet das auch: Die Autobauer und -händler können ihre Modelle prominent in den Innenstädten präsentieren, Probefahrten generieren und werden dafür noch bezahlt. Aus dieser Perspektive wären Carsharing-Angebote von Produzenten wie BMW (On Demand), Peugeot (Mu) oder Daimler (car2go) nach Erfahrungen in anderen europäischen Ländern auch in Österreich vorstellbar.

Denzel nutze Monopolstellung nicht aus

Auf potentielle Konkurrenz reagiert Christof Fuchs von Denzel Mobility Carsharing gelassen: "Natürlich belebt jeder Mitbewerber die Szene und bringt möglicherweise auch einen frischen Wind. Auf der anderen Seite ist Carsharing eine Branche mit kleinen Margen und wir hatten erst 2008 erstmals die schwarze Null in der Bilanz."

Wäre es nicht für die gesamte Branche von Vorteil, wenn weitere Anbieter für Wettbewerb am Markt sorgen, somit die Preise sinken und mehr Kunden diese Angebote nutzen? "Das wäre möglich", erklärt eine Mitarbeiterin von Denzel: "Es ist aber nicht so, dass wir unsere Monopolstellung ausnutzen." Die Tarife seien zwar nicht tief angesetzt, aber angemessen. Unverhältnismäßige Preise könne sich Denzel selbst als Alleinanbieter nicht leisten, meint auch Steffan Kerbl vom ÖAMTC: "Die Leute vergleichen die Preise natürlich mit den bereits vorhandenen Angeboten, wie Taxis, Mietwagen oder einem eigenen Auto."

Geteilte Dienstwagen

Ob sich der Unterhalt eigener Fahrzeuge rechnet, wird allerdings auch zunehmend in Unternehmen und öffentlichen Körperschaften überprüft. Damit tut sich eine neue Einnahmequelle für den alten und möglicherweise auch die neuen Carsharing-Anbieter auf. Denn nach Gesprächen mit Vertretern der Stadt Wien hofft Christof Fuchs auf eine "Vorreiterrolle der städtischen Verwaltung". Was bedeutet: Carsharing-Autos könnten künftig auch als Dienstwagen des Magistrats genutzt werden. "Mag sein, dass das diskutiert worden ist. Offiziell ist hier aber noch nichts", sagt Grünen-Verkehrssprecher Maresch.

Auf Bundesebene hingegen hat Denzel Mobility Carsharing bereits einen derartigen Deal abgeschlossen – und zwar mit der Bundesbeschaffungsagentur, wie Geschäftsführer Fuchs bestätigt: "Vor einer Woche haben wir eine Rahmenvereinbarung getroffen. Alle Ministerien und öffentlichen Dienststellen werden in Zukunft vermehrt Carsharing nutzen." (Michael Matzenberger, derStandard.at, 7.9.2011)