Das Krafttraining bringt die Muskelmasse zurück und reduziert Rückenprobleme.

Foto: derStandard.at/Sophie Niedenzu

Wien - Katharina Pils, Leiterin der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie, sitzt in ihrem Stuhl, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Sie steht auf, setzt sich wieder hin. Fünf Mal hintereinander. Die dafür benötigte Zeit wird gemessen und mit dem Durchschnittswert von acht bis neun Sekunden pro Durchgang verglichen.

Dieser Test wird im Rahmen der so genannten „Short physical performance battery" durchgeführt. Zusätzlich wird die Balancefähigkeit durch Übungen im Stehen sowie die Gehgeschwindigkeit gemessen. Liegt diese unter 0,7m/s, kann eine Sarkopenieerkrankung vorliegen. Auch ein Wadenumfang unter 31cm kann einen Hinweis geben.

Bei der Sarkopenie handelt es sich um eine Schwächung der Muskulatur durch den Verlust von Muskelmasse. Betroffen sind nicht nur kranke Menschen, denn Sarkopenie ist ein normaler Alterungsprozess. Eine Computertomographie oder eine Muskelbiopsie dienen der endgültigen Abklärung. Die Krankheit tritt häufig mit Osteoporose auf, denn es besteht ein Zusammenhang zwischen Muskulatur und Knochenstoffwechsel, der Vitamin D benötigt. „Wir wissen nicht, wie es genau funktioniert, aber ein Vitamin D Mangel scheint auch mit Sarkopenie assoziiert zu sein", erklärt. Pils. Leiden Sarkopeniepatienten auch unter Osteoporose, können Stürze häufig zu Knochenbrüchen führen.

Mit Stoppuhr, Maßband und Stuhl zur Diagnose

In der Altersgruppe der 75 bis 90jährigen geht man weltweit von 27 bis 28 Prozent Erkrankten aus, in der Gruppe der über 90jährigen leidet mehr als die Hälfte unter Sarkopenie. „Bei den unter 75jährigen haben wir keine Daten", erklärt Pils. Das liege auch daran, dass „Short Physical Performance Battery" nicht in alltägliche Untersuchungen integriert sei, sondern nur in der Altersmedizin - etwa in Pflegeheimen - üblich ist. „Man bräuchte nur bei den Gesundenuntersuchungen mit Hilfe von Stoppuhr, Maßband und einem Stuhl ohne Aufwand und Kosten einmal jährlich überprüfen, ob ein Muskelrückgang registriert werden kann", so Pils.

Leidet ein gesunder Mensch unter Sarkopenie, so ist das nicht allein auf das Älterwerden zurückzuführen. Eine eiweißarme Ernährung und mangelhafte Bewegung leisten ihre Beiträge. Eiweiß besteht aus Aminosäuren, die als wichtige Bausteine für die Muskulatur bekannt sind. Auf eine gesunde Ernährung - mindestens 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung ernährt sich ungesund - sollte man nicht erst im Alter schauen. „Als junger Mensch zahle man auf ein Gesundheitskonto ein. Wenn man älter wird, nimmt man von diesem Konto", erklärt Pils. Eine Rolle spielt auch das Rauchen. „Das ist nicht nur für die Lunge ungesund, sondern auch für die Muskulatur", erklärt sie.

Spaß am Essen und Tanzen für die Gesundheit 

Für ältere Menschen bedeutend sind auch die so genannten „Hungerphasen". Liegen sie etwa längere Zeit für Untersuchungen nüchtern im Krankenhaus, produzieren ältere Personen weniger vom Hormon Ghrelin, wodurch das Hungergefühl ausbleibt - man gewöhnt sich das regelmäßige Essen ab, die Muskelfasern bekommen zu wenig essentielle Aminosäuren für den Muskelaufbau, der Körper wird schwächer.

Viele Menschen sind zudem so sozialisiert, dass sie gerne in Gesellschaft essen. „Man riecht weniger, man schmeckt weniger, das Kochen wird mühsam - fehlt da auch noch die Gesellschaft, dann vergeht der Spaß am Essen", so Pils. Daher sei es wichtig, bereits in jungen Jahren ein soziales Netzwerk aufzubauen.

Neben dem Essen wird auch Bewegung immer wichtiger. Schwindet die Muskulatur, sind die Betroffenen weniger aktiv, sind sie weniger aktiv, bauen sie weiter Muskeln ab. Eine Negativspirale, die nur durch konsequente Aktivität gebrochen werden kann, nämlich durch Kraft-, Ausdauer- und Balancetraining. „Ausdauertraining hat einen positiven Effekt auf Atmung, Blutdruck und Herzfrequenz und ist insgesamt sehr gesund, Krafttraining bringt die Muskelmasse zurück und die Balance ist wichtig, um das Sturzrisiko, das mit Sarkopenie einhergeht, zu minimieren", erklärt Pils.

Bewegung in den Alltag einzubauen, kann heißen: Treppen den Fahrstühlen vorziehen, eine Haltestelle zu Fuß gehen, oder Gartenarbeit verrichten, bei der noch als Zuckerl noch durch die Sonneneinstrahlung Vitamin D umgewandelt wird. Für soziale Kontakte bietet sich das Tanzen an. Dabei werden Koordination und Ausdauer trainiert. Beim Einprägen von Schrittfolgen wird nebenbei das Gedächtnis trainiert.

Neues Kieser-Trainingszentrum eröffnet

Eine Möglichkeit des Krafttrainings ist das sogenannte Kieser-Training. Am 21. September eröffnet am Wiener Praterstern ein neues Zentrum. Das Konzept ist schlicht: „Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche" erklärt Geschäftsleiter Martin Schönlieb. Dies spiegelt sich auch in den Räumlichkeiten wider. Das Trainingszentrum besteht aus einem großen, schlichten Raum, hellem Parkettboden, Edelstahl und Glas. Es gibt weder Flatscreens, noch Musik oder gar eine Bar, wie man es oft aus Fitnessstudios kennt. „Es geht hier um Gesundheit und darum, durch gezieltes Muskelaufbautraining eine Lebensqualität zu erhalten", so Schönlieb. Dabei fällt ihm die Postkarte ein, die ein über 80jähriger Kunde verschickt hatte. „Er hat bei uns trainiert und hat dann den Himalaya erklommen", strahlt Schönlieb.

Für Neukunden gibt es ein Eingangsgespräch und eine Einführung im Umgang mit den Geräten. Die korrekte Durchführung der Übungen und Einstellungen der Geräte werden regelmäßig von einem Instruktor überprüft, nach einem Jahr erfolgt eine Kraftmessung, die mit den Normalwerten verglichen wird. Das Training wird zweimal die Woche für 30 Minuten empfohlen.

„Das Kieser-Training ist eine vernünftige Möglichkeit des Muskelaufbaus, was es allerdings nicht bietet, ist ein Bereich der Kommunikation. Die Leute gehen hin, machen ihre Übungen, und sind wieder weg", kritisiert Pils. Bei Sarkopeniepatienten müsse außerdem darauf geachtet werden, dass Balance- und Ausdauertraining nicht zu kurz kommen. Pils schlägt daher eine Kombination aus Krafttraining und Tai-Chi vor.

Training allein entbindet jedoch nicht davon, auf die Ernährung zu achten, denn, so Pils: „Der beste Baumeister nutzt nichts, wenn er Ziegel hat, aber keinen Mörtel". (derStandard.at, 21.09.2011)