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Dank Fertigküche zaubern Menschen mit Zeitmangel in wenigen Minuten ein vollständiges Essen auf den Tisch – mit Knödel aus nur 27 Prozent Erdäpfel.

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Um sich gesund zu ernähren, muss man nicht unbedingt kochen. Hochwertiges Vollkornbrot mit Bio-Butter wäre eine zeitsparende Alternative am Abend.

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Vorgeschnittenes Obst kommt dem chronischen Zeitmangel der Konsumenten sehr entgegen.

Wenn nach einem langen und intensiven Arbeitstag der Magen knurrt, sind meist Zeit und  Motivation zu knapp, um noch für eine Stunde oder länger in der Küche zu hantieren. Die Zubereitung frischer Speisen findet kaum mehr Platz in unserem durchgeplanten Tagesablauf, Fertignahrung liefert Abhilfe.

Die Nahrungsmittelindustrie, allen voran multinationale Konzerne wie Nestlé oder Kraft Foods, tüftelt und forscht in ihren Kochlabors, um die Mägen von Singles, kinderlosen Paaren und Senioren mit ausgeklügelten Rezepten zu füllen. War es für unsere Großmütter noch undenkbar, den Schweinsbraten aus dem Plastikbecher als Sonntagsessen auf den Tisch zu stellen, ernähren sich heute bereits auch Familien von Fertiggerichten. Nicht immer zum gesundheitlichen Vorteil.

Zuviel Fett und Zucker

Die Arbeiterkammer Oberösterreich etwa hat den Salzgehalt verschiedener Fertiggerichte aus acht Supermärkten großer Ketten untersucht. 15 der 26 Produkte wiesen einen Kochsalzgehalt auf, der über dem Tagesbedarf liegt, ein Produkt enthielt sogar die eineinhalbfache Menge. Um den wahren Salzgehalt zu erfahren, müsste die Angabe zum Natriumgehalt auf der Verpackung mit dem Wert 2,54 multipliziert werden. So gelangt man schnell an die tägliche Höchstmenge von sechs Gramm Salz. Ausreichend wären für einen erwachsenen Menschen bereits 1,4 Gramm Salz am Tag.

Die Hersteller wissen, den gesundheitlich nicht immer unbedenklichen Inhalt appetitlich zu verpacken. So wir aus der Milchschnitte von Ferrero mit einem Zucker- und Fettgehalt von jeweils fast 30 Gramm bei 100 Gramm Gewicht ein "leichter" Snack für zwischendurch, der "nicht belastet". Ein Snickers, der davor bewahren soll, zur genervten Diva zu werden oder Fußball zu spielen, wie eine alte Oma enthält 47,9 Gramm Fett und 26,9 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Die Milchschnitte wurde für die "dreisteste Werbelüge" 2011 von foodwatch.de sogar mit dem Goldenen Windbeutel ausgezeichnet. Knapp gefolgt von "Activia" von Danone und "nimm2" von Storck. Währenddessen werden unsere Kinder immer dicker und verlangen nach Fruchtzwergen, die mit roten Rüben gefärbt wurden.

"Die Industrie ist kein Sozialverein"

"Wir Konsumenten werden ständig getäuscht", ist die Ernährungsmedizinerin Sonja Schwinger überzeugt. Ihrer Meinung nach geht es ausschließlich um den maximalen Verkauf und um den Gewinn für die Hersteller. "Nichts wird dem Zufall überlassen, alles ist designt und zielt auf maximalen Profit. Die Industrie ist kein Sozialverein, der sich um gesundheitliche Auswirkungen sorgt." Für Schwinger beginnen Fertigprodukte problematisch zu werden, wenn Speisen, die als fertige Mahlzeiten nur noch erhitzt werden müssen, öfter als einmal im Monat konsumiert werden. Mit immer neuen Produkten macht es uns die Industrie aber leicht, Abwechslung in den kochfreien Speiseplan zu bringen. Dabei ist der Mangel an Zeit nur die halbe Wahrheit. "Man muss nicht kochen, um sich frei von Chemie zu ernähren", so Schwinger. "Vollkornbrot mit Bio-Butter und Avocadoaufstrich ist genauso schnell fertig wie ein Fertiggericht." Für Schwinger liegt der Grund für den Erfolg von Fertigprodukten eher am Mangel an Ideen und Phantasie - oder an der Bequemlichkeit.

Kochen mit Bausteinen

Die Rewe-Marke Chefmenü kommt mit ihrem Convenience-Angebot Menschen, die unter permanentem Zeitmangel leiden, entgegen. Fertig geschnittene Salate und Obst können als Basis zur individuellen Zubereitung verwendet werden. "Wir liefern Bausteine wie Säfte oder Salate und helfen damit in der Komponenten-Küche", beschreibt Rewe-Pressesprecherin Karin Nakhai einen Teil der Produktpalette. "Der Trend geht unserer Meinung nach nicht unbedingt in Richtung Fertigküche, sondern eher in Richtung Convenience. Das heißt, wir erleichtern das Selberkochen mit vorbereiteten Bausteinen. Das bedeutet Zeitersparnis für den Konsumenten, trotzdem kann er seine eigenen Ideen umsetzen." Wem sogar dafür die Zeit fehlt, dem bleibt nur das fertige Essen im Packerl. "Wir verwenden weder Geschmacksverstärker noch Konservierungsmittel", betont Nakhai mehrfach. Schwinger kritisiert in Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht in erster Linie die Verschlüsselung als "E-Nummern" sowie die oft unlesbar kleine Schriftgröße. "Die Kennzeichnungspflicht ist so industriefreundlich wie konsumentenfeindlich".

Vor allem beim Zucker sind die Wortkreationen vielfältig: Traubenzucker, Glucose, Dextrose, Fruchtzucker, Fructose, Saccharose, Invertzucker, Glucosesirup, Maltodextrin steht kleingedruckt auf Säften oder Fruchtmus-Zubereitungen, die als "zuckerfrei" in die Regale kommen. Ein erwachsener Mensch sollte maximal 50 (Frauen) bis 65 (Männer) Gramm Zucker am Tag konsumieren. Die als besonders gesund geltenden Smoothies etwa weisen zum Teil einen höheren Zuckergehalt auf, als das allgemein unter schwerem Dickmacherverdacht stehende Coca-Cola. Als Obstersatz eignen sich die Säfte nur bedingt, da sie viel weniger Ballaststoffe enthalten als frisches Obst (Untersuchung Stiftung Warentest, Nov. 2008).

Ausgeklügelte Mischung

Ein hausgemachter Erdäpfelknödel besteht in der Hauptsache aus Erdäpfeln. Dazu kommen Mehl, Eier, etwas Grieß, Muskatnuss und Salz. Ein Erdäpfelknödel aus dem Hause Rewe beinhaltet neben 27 Prozent Erdäpfel noch Zucker, Johannisbrotkernmehl, Milcheiweiß, Diphosphat, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren als Emulgatoren sowie Citronensäure als Antioxidationsmittel. Weiters findet man in der Rezeptur Ascorbylpalmitat, nicht näher beschriebene Aromen und Gewürzextrakte. Alle diese Zusatzstoffe gelten als unbedenklich, so wie z'Haus klingt es bei näherer Betrachtung trotzdem nicht. Die Produkte haben eine durchschnittliche Haltbarkeit von 16 Tagen. "Das erreichen wir durch Pasteurisierung der Speisen und Verpackungen sowie durch eine spezielle Mischung von Sauerstoff und Stickstoff, die das Bakterienwachstum hemmt", erklärt Nakhai die Prozedur.

Auch wie die Lebensmittel verpackt werden, ist das Ergebnis ganz konkreter Überlegungen. Praktisch muss die Verpackung sein, ansprechend, hygienisch, stapelbar und noch zahlreiche andere Anforderungen erfüllen. Kaum diskutiert wird hingegen das Verpackungsmaterial. "Das Thema Verpackung ist ein riesiges Problem", erklärt Schwinger. "Dabei sind wir uns dessen noch gar nicht bewusst. Die Umweltmedizin in Deutschland weist immer wieder auf die möglichen und tatsächlichen Auswirkungen schädlicher Stoffe hin." Vor allem das Aluminium in Folien oder als Rieselhilfe im Speisesalz sei problematisch. Einige dieser Stoffe reichern sich möglicherweise im Körper an, saures Natriumaluminiumphosphat (E541) kann allergische Reaktionen hervorrufen, das enthaltene Aluminium steht unter Verdacht Alzheimer auszulösen. Ebenfalls alles andere als unbedenklich sind das im Verpackungsmaterial enthaltene Bisphenol A sowie Phthalate. Bisphenol A wird verdächtigt, die Qualität der Spermien negativ zu beeinflussen, die Libido zu senken und Fettleibigkeit zu provozieren. Phthalate - das sind Weichmacher - scheinen bei Männern Unfruchtbarkeit hervorzurufen. "Noch müssen diese Stoffe nicht überall deklariert werden", so Schwinger.

Was die Zukunft unserer Ernährung betrifft, sieht Schwinger aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Situation eine Rückkehr zur Einfachheit. "Die Menschen werden wieder näher zusammen rücken. Da haben Fertigprodukte und Designerfood keinen Platz."  (derStandard.at, 09.10.2011)