Michael Sicher, Initiator von "CEOs on Wheels" und Gründer von "Busypeoplecoaching".

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V.l.n.r: Beim Mentoring-Programm dabei sind: Heike Mensi-Klarbach (WU Wien), Jochen Wenderoth (Leiter HR, Unilever Austria GmbH), Sigrid Oblak (Geschäftsführerin Wien Holding), Rudolf Kemler (Generaldirektor HP Österreich), Klaus Pekarek (CEO Raiffeisen Versicherung AG), Bettina Glatz-Kremsner (Finanzvorstand Casinos Austria und Österreichische Lotterien), Andreas Schwerla (Managing Director McDonald's Österreich), Willibald Cernko (Vorstandvorsitzender der Bank Austria), Tatjana Oppitz (Generaldirektorin IBM Österreich), Erich Neuwirth (Human Resources Manager / Pressesprecher TNT Express), Ursula Simacek (CEO Simacek Facility Management Group GmbH), Katja Bodner (Handelsrechtliche Geschäftsführerin TNT Express), Thomas Friess (CEO HEROLD Business Data GmbH), Mitte vorne Michael Sicher.

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Ein persönliches Erlebnis, sagt Michael Sicher, "ist der Grund, warum ich hier bin." Im Jahr 1991 hat er sich für einen Ferialjob in einer Bank beworben. Er wurde nicht genommen. Trotz der höchsten Punkteanzahl beim Test. Der Grund: sein Rollstuhl. Viele Jahre und ein absolviertes Studium später hat er sich als Coach selbstständig gemacht. Sicher ist Initiator von "CEOs in Wheels". Ein Programm, das sich an "qualifizierte Menschen im Rollstuhl" richtet. Anfang der Woche wurde es in Wien präsentiert.

Elf Teilnehmer

"CEOs on Wheels" ist als Mentoring-Initiative konzipiert. Mit dem übergeordneten Ziel, "Verständnis zum Thema Behinderung zu schaffen", erläutert Sicher. Und vor allem Human Ressources-Verantwortliche dafür zu sensibilisieren. "Schließlich sind sie die ersten Ansprechpartner im Bewerbungsprozess." Um Unternehmen auf "CEOs on Wheels" aufmerksam zu machen, hat Sicher 97 Anfragen versendet. Daraus haben sich 20 Termine ergeben, letztendlich sind elf Betriebe an Bord gegangen.

Aus einigen Antworten lasse sich ableiten, mit wie vielen Vorurteilen Rollstuhlfahrer konfrontiert sind - und wie viel Unwissenheit im Spiel ist. Sicher berichtet von Reaktionen wie "diese Menschen sind zwar hilfsbedürftig, aber wir spenden eh schon für die Caritas." Ihm gehe es aber nicht um soziales Engagement oder Mitleid, sondern um Chancengleichheit und gegenseitiges Lernen, wie er betont. Weg von Schubladisierungen: "Auch unter Rollstuhlfahrer gibt es nette und weniger nette Leute."

Managementkompetenzen

Vom Mentoring selbst sollen beide Seiten profitieren. "Top-Führungskräfte und Menschen im Rollstuhl stehen sich gegenseitig zur Verfügung." Schließlich seien ähnliche Kompetenzen gefragt, nämlich: "Probleme lösen, flexibel und hartnäckig sein, um ans Ziel zu gelangen."

In welchem zeitlichen Umfang das Mentoring stattfindet, entscheidet das Duo selbst. Ein reger Austausch, der das Kennenlernen des jeweils anderen Arbeitsumfeldes umfasst, ist erwünscht. Um die elf freien Plätze bewerben kann sich im Prinzip jeder, der im Rollstuhl sitzt. Die Frist endet am 30. November. Das Programm startet dann Anfang Jänner und dauert bis September. Sicher hofft, dass die erste Runde nur der Auftakt für eine Institutionalisierung von "CEOs on Wheels" ist. Weitere Runden sollen folgen, sagt er im Gespräch mit derStandard.at. Auch wenn einige Firmen noch Berührungsängste haben, bestärkt ihn die positive Resonanz der Aktion.

550 Euro und viel Zeit investiert

Die 97 Betriebe, die er für sein Vorhaben angeschrieben hat, wurden nach Kriterien wie Unternehmensgröße oder Affinität zum Thema Diversitiy ausgewählt. Er hält nichts davon, die "Verweigerer" mittels einer Art "Schwarzen Liste" öffentlich an den Pranger zu stellen: "Wir wollen das Programm ja fortsetzen." Das Programm, das nur vom Herzblut Sichers und seinen Mithelfern am Leben erhalten wird. "Bis jetzt hat mich die Initiative nur 550 Euro gekostet." Die investierten Stunden sind da natürlich nicht dabei, aber: "Auch mit wenig Geld kann man viel bewirken." Von der ersten Anfrage bis zum Startschuss sind 174 Tage vergangen.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner lacht zwar aus den Presseunterlagen als "Unterstützer" der Initiative, öffentliche Förderungen gibt es bis dato aber keine. Nicht einmal Interessensvertretungen wie Wirtschafts- oder Arbeiterkammer sind als Kooperationspartner beteiligt. Was nicht ist, kann ja noch werden, hofft Sicher.

Wissenschaftliche Studie

"CEOs on Wheels" wird von der Wirtschaftsuniversität mit einer wissenschaftlichen Studie begleitet. Am Anfang soll der Status Quo zum Thema Behinderung und Karrierechancen erhoben werden, erklärt Heike Mensi-Klarbach von der WU-Abteilung für Gender und Diversitätsmanagement. Mit der Studie betrete man wissenschaftliches Neuland: "Es gibt nichts Vergleichbares." Untersucht werden soll etwa, welche Auswirkungen die von Sicher veranstalteten Workshops haben. Sie sind Teil des Programms und richten sich primär an die HR-Verantwortlichen der involvierten Betriebe. Im Praxisteil müssen sich die Teilnehmer selbst in einen Rollstuhl setzen und Alltagsaufgaben wie Straßenbahnfahren oder Einkaufen meistern. Analysiert wird dann, ob die Maßnahmen tatsächlich zu einer vermehrten Beschäftigung von Menschen mit Behinderung führen. "Folgen den Worten auch Taten?"

"Bequeme Ausreden"

Forderungen an die Politik, um Behinderte noch stärker in den Erwerbsprozess zu integrieren, will Sicher keine stellen. Die Gesetze sind nur die Rahmenbedingungen an der Oberfläche, in der Tiefe gehe es um Bewusstseinswandel. Als "Ausreden, die bequem sind", bezeichnet er die Argumentation von vielen Firmen, die sich auf den besonderen Kündigungsschutz von Arbeitnehmern mit Behinderung berufen. Dieser wurde mit Anfang des Jahres ohnehin gelockert. Für jene mit Begünstigtenstatus wird der besondere Kündigungsschutz erst nach vier Jahren, und nicht wie zuvor bereits nach sechs Monaten, wirksam. Im Gegenzug wurde die Ausgleichstaxe erhöht.

Prinzipiell, so Sicher, kommen künftig für "CEOs on Wheels" alle Unternehmen infrage. Auch jene, für die Barrierefreiheit noch nicht mehr als ein Schlagwort ist. Es könnte ein Anstoß für Umbauarbeiten sein: "Die Förderungen dafür existieren ja." Ein persönliches Ziel für die erste Stufe seiner Initiative will er nicht definieren. Jeder neue Job, der dadurch entsteht, sei ein Gewinn. (om, derStandard.at, 12.10.2011)