Mit alten Knochen zu neuen Erkenntnissen: Deutsche Forscher konnten an Skeletten von Opfern des Schwarzen Todes, die 1348 in London bestattet worden waren, den Erreger der Pest nachweisen.

Foto: Museum of London Archaeology

London/Wien - Es war eine der schrecklichsten Pandemien, die jemals auf diesem Planeten wütete: Von 1347 bis 1353 fielen geschätzte 25 Millionen Menschen allein in Europa (rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung) dem Schwarzen Tod zum Opfer. Damals hatte man keine Ahnung, was die Krankheit auslöste: So wurden Juden verdächtigt, etwa durch Brunnenvergiftungen die Epidemie ausgelöst zu haben, was wiederum in vielen Teilen Europas zu Pogromen führte.

Seit der Entdeckung des Bakteriums Yersinia pestis im Jahr 1894 durch Alexandre Émile Jean Yersin gehen die meisten Wissenschafter davon aus, dass diese Mikrobe der Erreger für den Schwarzen Tod war. Doch es gibt auch Gegenstimmen: die durch Yersinia pestis ausgelöste Krankheit sei zum einen auch unbehandelt weniger letal als die Pest des Mittelalters. Außerdem würden die beschriebenen Symptome wie auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht mit der Beulenpest übereinstimmen.

Ein Forscherteam um den jungen deutschen Genetiker Johannes Krause von der Universität Tübingen wollte es nun ganz genau wissen - und schaute auch nicht vor einer etwas gruseligen Probenentnahme ab. Die Wissenschafter extrahierten nämlich aus den Skeletten von vier Individuen, die Ende 1348 auf dem East Smithfield Friedhof in London begruben wurden, genetisches Material, das sie dann in ihrem Labor sequenzierten.

Dabei zeigte sich eindeutig, dass der Erreger des Schwarzen Todes den heute vorkommenden Bakterien von Yersinia pestis erstaunlich ähnlich sei, wie Krause und seine Kollegen heute in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" berichten. Das damalige Bakterium sei gewissermaßen "die Mutter aller heutigen Pesterreger" gewesen, sagte Krause bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. "Das nächste derzeit existierende Pestbakterium unterscheide sich nur an zwölf Stellen von jenem aus dem 14. Jahrhundert", so der deutsche Genetiker.

Doch warum hat es später keine derartig desaströsen Pestepidemien mehr gegeben? Laut Krause liegt das weniger am Bakterium als an dessen Umwelt: "Bei der ersten Pestepidemie wussten weder der Mensch noch sein Immunsystem damit umzugehen". Der größte Teil der für Pest anfälligen Menschen sei gestorben. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 13. 10. 2011)