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König Abdullah Bin Abdulaziz Al Saud im April dieses Jahres bei einem Kulturfestival. Für die Kritiker des neu zu schaffenden Wiener Dialogzentrums ist er ein Propagandist eines besonders strengen Islam - für manche in seinem eigenen Land geht er mit der Öffnung fast schon zu weit.

Foto: Reuters/Mohammed Mashour

Es fällt gar nicht leicht, nach den medialen Entrüstungsstürmen über das "King Abdullah Bin Abdulaziz International Center for Interreligious and Intercultural Dialogue", dessen Gründungsvertrag heute in Wien unterzeichnet wird, die Kritiker zu einem Perspektivenwechsel einzuladen. Denn, um es ganz platt zu sagen, sie haben mit (fast) allem, was sie aus ihrer Sicht zu Saudi-Arabien sagen, recht. Hier haben wir es mit einem extrem eng geführten, puritanistischen Islam zu tun, und die Sakralisierung des Landes durch die Präsenz der heiligen Stätten führt darüber hinaus zu einer strengen Exklusion von allem, was nicht islamisch ist.

Wobei über existierende Dialogformate aber oft erst recht gelästert wird - da reden, heißt es dann, die üblichen Vertreter der Dialogindustrie miteinander, die längst gelernt haben, ihren religiösen oder kulturellen Hintergrund so zu abstrahieren, dass er das Gespräch nicht weiter stört. Mit den "wirklich anderen" müsse man sprechen. Das zumindest wird mit einem Dialogpartner Saudi-Arabien, dem Gottesstaat, der - anders als der Iran - nicht einmal eine Verfassung haben darf, sicher erreicht.

Unebenheiten in der Wüste

Aber auch auf Saudi-Arabien ist eine differenzierte Sicht möglich. Die Kritiker sehen eine große flache wahhabitische Wüste ohne Leben. Aber im Königreich gibt es erstens historische Unebenheiten - schon zwischen dem weltoffeneren, früher osmanischen Hijaz und dem geschlosseneren Najd, von dem die wahhabitische Bewegung ausging -, und zweitens ist heute viel in Bewegung. Das Bild vom nach Liberalität lechzenden Volk, das von der erzkonservativen oberen Kaste unterdrückt wird, liegt ebenfalls schief. Die Elite ist in weiten Teilen kosmopolitisch und liberal, und das sickert von oben nach unten - langsam.

König Abdullah Bin Abdulaziz Al Saud (87) vertritt einerseits die Familie Saud, die sich bereits 1740 die Doktrin des Muhammad Bin Abdulwahhab zu eigen machte, der dem "ursprünglichen", dem reinen Islam wieder zu seinem Recht verhelfen wollte und alle "Neuerungen" - auch den farbigen Volksislam - bekämpfte. (Von Ibn Abdulwahhab hat der Wahhabismus seinen Namen, der jedoch eine - ursprünglich pejorative - Fremdbezeichnung ist.)

Andererseits ist der König, nach dem das Dialogzentrum genannt wird, in diesem System ein "Reformer". So sieht man ihn innen. Abdullah forderte bereits als Kronprinz eine systematische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen ein und begann 2003 mit landesweiten Dialogkonferenzen zu den Themen Frauen, Erziehung, Jugend, Fremdarbeiter, Wir und die anderen (Religionen), zu denen er einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung einlud.

Es ist richtig, dass die Nachjustierung des Systems gemäß den gesellschaftlichen Realitäten - wie etwa der wirtschaftlichen Stärke der Frauen - nur in homöopathischen Dosen erfolgt, die aber manchen Landsleuten noch immer fast zu hoch sind. Von außen wird man der Sache nur gerecht, wenn man Grautöne zulässt: Zu den nächsten - insignifikanten - Lokalwahlen Frauen zuzulassen, kann man als nichts abtun. Man kann es aber auch als Vermächtnis des alten Königs sehen, der seinen - vielleicht engstirnigeren - Nachfolgern inmitten des Arabischen Frühlings eine Richtungsänderung vorgibt, die sie nicht ignorieren können.

Bei seinem Besuch bei Papst Benedikt im Vatikan führte König Abdullah 2007 laut eigener Aussage eines der wichtigsten Gespräche seines Lebens. Gestrige unter sich? Vielleicht, aber von den saudi-arabischen Geistlichen sind nicht alle davon begeistert, dass Abdullah nun dem Anliegen seinem Namen leiht, "Missverständnisse unter Religionen" auszuräumen. Das ist wohl ein Grund dafür, dass sein Dialogzentrum in einem Ring-Palais angesiedelt sein wird und nicht in Riad.

Die Saudis selbst werden es nicht zugeben, aber das Zentrum hat auch eine innersaudische Botschaft - und das ist keine "wahhabitische". Nur so kommen auch ein Buddhist und ein Hindu in den Vorstand, also Vertreter nichtabrahamitischer Religionen.

Interimistischer Leiter ist jener Mann, der auch Abdullahs nationale Konferenzen betreute, Vize-Bildungsminister Faisal Bin Abdulrahman Bin Muammar. Rabbi David Rosen, der jüdische Vertreter im Vorstand, betont in einem Standard-Gespräch, wie wichtig eine von Saudi-Arabien unabhängige Leitung des Zentrums sein wird. Das stimmt, und auch der zweite Teil des Versprechens im Zentrumsnamen - der interkulturelle Dialog - sollte eingelöst werden. Denn ohne Säkulare im Bunde können die Herren - und Damen? - trefflich über die Zukunft der Welt reden, es wird an der Realität vorbeigehen. Warum nicht als Betrachter zurückgelehnt zusehen, wie das - saudi-arabische - Steuergeld ausgegeben wird? Die Noten kommen später. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2011)