Es ist eines der umstrittensten außenpolitischen Projekte in Österreich, das am heutigen Donnerstag in die Tat umgesetzt wird: In einer feierlichen Zeremonie unterzeichnen die Außenminister Österreichs, Spaniens und Saudi-Arabiens den Gründungsvertrag für ein neues interreligiöses Zentrum in Wien. Die Initiative des saudi-arabischen Königs Abdullah Bin Abdulaziz, der das Zentrum zunächst auch finanziert, hatte im Vorfeld viel Protest laut werden lassen. Hauptkritikpunkt: keine Religionsfreiheit in Saudi-Arabien, Intoleranz, Fanatismus - und wer dort vom Islam abfalle, dem drohe sogar die Todesstrafe.
Erst vergangene Woche haben die Grünen eine parlamentarische Anfrage an Außenminister Michael Spindelegger gerichtet, in der sie - auch mit Hinweis auf die dortige Menschenrechtslage - Aufklärung darüber verlangen, warum sich Wien überhaupt für ein solches Projekt zur Verfügung stelle.
Aus dem Außenministerium heißt es, das Zentrum sei "eine große Chance, dem Dialog von Vertretern von Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen eine kontinuierliche Plattform zu geben". Der saudi-arabische Vize-Bildungsminister Faisal Bin Adulrahman Bin Muammar, der das Zentrum zunächst interimistisch leiten soll, sagte der APA vor wenigen Tagen, man werde über "Ko-Existenz, Gemeinsamkeiten, über die Prävention von Extremismus reden". Dass die Vertreter der Religionen sich gegenseitig respektierten, stehe außer Frage.
Neunköpfiges Direktorium
Alle fünf großen Weltreligionen sollen im Zentrum vertreten sein. In dem neunköpfigen Direktorium sitzt etwa für die Wahhabiten ein Professor der Ibn-Saud-Universität in Riad, Hamad Bin Abdullah al-Majid, für die Schiiten Mohammed El-Sammak vom christlich-muslimischen Komitee für Dialog im Libanon. Die anglikanische Kirche hat Reverend Toby Howarth angemeldet, der Vatikan schickt Islam-Spezialist Monsignore Khaled Akasheh, die Orthodoxie einen Metropoliten aus Frankreich. Für das Judentum sitzt Rabbi David Rosen (siehe Interview) mit am Tisch, ebenso jeweils ein Vertreter von Buddhismus und Hinduismus.
Bis das Zentrum seine Arbeit aufnimmt, wird es Sommer 2012 werden, schätzen Diplomaten. Die Parlamente müssen noch grünes Licht geben. An dem Festakt sollen neben Michael Spindelegger noch seine Amtskollegen aus Spanien und Saudi-Arabien, Trinidad Jiménez und Prinz Saud al-Faisal, und Vertreter der Religionsgemeinschaften teilnehmen. (raa, DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2011)