Claudia Schmied (52) war u. a. Vorstandsmitglied der Kommunalkredit. Seit 2007 ist sie Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

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STANDARD: Die IG Kultur veröffentlichte über den Sommer eine Serie zum Thema "Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik". Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Schmied: Ich sehe das nicht ganz so eindimensional. Ich habe diese Artikelserie verfolgt - und auch einen Beitrag verfasst. Wenn ich mir die Forderungen anschaue, dann muss ich feststellen, dass wir schon sehr viele erfüllen konnten. Genderbudgetierung gibt es bereits und auch mehr Transparenz.

STANDARD: Tatsächlich? Die IG forderte, dass es bei Ablehnungen von Förderansuchen eine Begründung gibt. Sie haben in Ihrem Beitrag zwar Bereitschaft signalisiert. Aber die Umsetzung steht noch aus.

Schmied: Ich bin prinzipiell für eine Kultur der Begründbarkeit. Und ich habe darüber mit Andrea Ecker, Leiterin der Kunstsektion, gesprochen. Wir wollen das in einem Beirat ausprobieren.

STANDARD: Man klagt, Sie würden den Dialog unterbinden. Woher kommt die Angst vor der Szene?

Schmied: Ich habe keine Angst vor der freien Szene. Ich traf kürzlich bei der Frankfurter Buchmesse die Verleger und Autoren, mit der IG Programmkinos haben wir die Digitalisierungsförderung auf die Beine gestellt, die Regionalkinos werden folgen. Ich bin immer wieder mit Künstlern in Kontakt.

STANDARD: Es heißt, Sie glänzten durch Abwesenheit. Sie fehlten ja auch beim Steirischen Herbst.

Schmied: Wie viele Veranstaltungen gibt es im Jahr? Tausende. Zuletzt war ich im WUK. Und am 25. Oktober eröffne ich die Schau Wien ist weiblich im Kabelwerk.

STANDARD: Eine Passage in Ihrem Beitrag zur Artikelserie der IG ist identisch mit Ihrer Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele.

Schmied: Welche denn?

STANDARD: Das wissen Sie nicht?

Schmied: Meine Reden stammen von mir. Wenn Schmied draufsteht, ist Schmied drin. Aber ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen.

STANDARD: Sie schrieben u. a.: "Kulturpolitik gibt keine Inhalte vor, reguliert Kunst nicht, sie ordnet nicht an, sondern sie schafft den Rahmen, in dem sich Kunst entwickeln kann." Heißt das: Sie haben keine kulturpolitischen Visionen?

Schmied: Mein oberstes Credo ist die Freiheit der Kunst. Aber ich bin nicht die Künstlerin im Kulturressort - und ich bin nicht die Lehrerin im Bildungsressort. Ich bin dafür da, dass sich Künstlerinnen und Künstler gut entfalten können. Ich bin dafür da, den Rahmen abzustecken.

STANDARD: Den Rahmen abstecken: Das kann sehr einschränkend sein.

Schmied: Ist aber nicht einschränkend gemeint. Nennen Sie es eben Fundament und Grundlage.

STANDARD: Exkulturstadträtin Ursula Pasterk und auch Exkunstminister Rudolf Scholten hatten Gestaltungswillen, indem sie ...

Schmied: Einspruch! Es setzt auch großen Gestaltungswillen voraus, Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich sage nicht: "Die Kunst geht mich nichts an." Sondern ich fühle mich verantwortlich für das Fundament. Das heißt zum Beispiel: Kämpfen ums Budget.

STANDARD: Pasterk sprach vom Kultur- als Ideologieressort. Sie vertreten eine sehr liberale Auffassung.

Schmied: Schauen Sie sich das Parteiprogramm an: Enthalten ist der Aspekt Kunstvermittlung, der Aspekt Lebensgrundlagen der Künstler, es gibt die Betonung auf zeitgenössische Kunst. Und all das setze ich um. Aber ich sehe mich nicht nur als SPÖ-Kunst- und Kulturministerin, sondern als eine Ministerin für alle, also in einem weiteren Feld als nur jenem der Parteipolitik.

STANDARD: Im letzten Kulturausschuss sollen Sie von drei Verantwortungsebenen gesprochen haben. Sie fühlen sich in erster Linie für die Bundesinstitutionen verantwortlich, in zweiter Linie für die anderen großen Häuser - und erst danach für alles andere.

Schmied: Ja. Die FP stellte den Antrag, bei den Bundesmuseen eine Valorisierung der Basisabgeltung einzubauen. Ich sagte, ich bin sehr dafür, aber das muss mit einer Valorisierung meines Budgets verbunden sein. Denn wenn das Budget gleich bleibt - und die Bundesmuseen mehr bekommen, bedeutet das, dass die anderen weniger bekommen. Das darf nicht sein.

STANDARD: Das Belvedere bekommt zwar mehr Geld, um das 21er-Haus zu betreiben. Ansonsten bleibt das Budget genau gleich wie 2011. Das bedeutet real einen Rückgang.

Schmied: Gott sei Dank bleibt das Budget gleich! Rückgang? Kommt auf die Inflation an. Schauen wir einmal, wie Sie reagieren, wenn wir eine Deflation haben.

STANDARD: Wäre sie wünschenswert für Österreich?

Schmied: Nein, natürlich nicht.

STANDARD: Sie kündigten Partnerschaften zwischen Schulen und Kulturinitiativen an. Die IG Kultur kritisiert, dass es keinen Masterplan gäbe. Tatsächlich?

Schmied: Wir stellen Geld zur Verfügung, aber wir leben nicht in der Planwirtschaft. Bei 5800 Schulstandorten setze ich das nicht vom Minoritenplatz masterplanmäßig um. Ich kann nur motivieren. Und dann erwarte ich mir, dass die Partner aufeinander zugehen. Also: Kein warten auf Godot! (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 25./26. Oktober 2011)