Wien - 64 Prozent der Österreicher sind gegen einen EU-Rettungsschirm, der finanzschwache EU-Mitgliedstaaten stützen und retten soll. Die Umfragedaten, die noch vor den Einigungen des EU-Gipfels in der Nacht auf Donnerstag erhoben wurden, wurden vom Kärntner Sozial- und Motivforschungsunternehmen Humaninstitut in einer Aussendung veröffentlicht.

Demnach sprechen sich nur 24 Prozent der Befragten für den EU-Rettungsschirm aus, 71 Prozent befürchten Nachteile für Österreich. 86 Prozent machen Regierungen (41 Prozent) und Banken (45 Prozent) für die Krise verantwortlich, immerhin 14 Prozent sehen die Schuld bei der Bevölkerung. Jeder Zweite beurteilt die Zukunft der Europäischen Union als "schlecht", 28 Prozent als weniger gut. Nur 22 Prozent sehen die Zukunftsaussichten als "gut" oder "sehr gut" an. 27 Prozent glauben noch an die Rettung des Euro, 43 Prozent nicht mehr.

Der Rettungsschirm hilft nach Ansicht der Befragten primär den Banken. 23 Prozent erhoffen Stabilität in der EU, 16 Prozent glauben nicht, dass der Rettungsschirm etwas bringen wird. Nur 13 Prozent würden Krisenländern durch monetäre Stützen der EU zu Hilfe eilen. Man solle die lokale Wirtschaft unterstützen, sagen 51 Prozent. Über ein Drittel verlangt, die Länder müssten lernen, sich selbst zu helfen.

An der Umfrage haben zwischen 24. und 27. Oktober österreichweit 850 Leute teilgenommen. 

 

Aiginger: "Wachstumsfokus fehlt"

Das Maßnahmenpaket sei "mehr als ein halber Schritt zur Lösung der Probleme, mehr als ich befürchtet habe", sagte unterdessen  Wifo-Chef Karl Aiginger in einer ersten Stellungnahme. Was dem Wirtschaftsforscher allerdings abgeht, ist der "Wachstumsfokus": "Es ist zu viel über Konsolidierung gesprochen worden, und zu wenig darüber, wie man das Wachstum stärken kann", so Aiginger. Damit die angestrebte Konsolidierung der Staatsfinanzen gelingen könne, müsste sich ein Drittel der Maßnahmen mit Wachstum beschäftigen.

Sehr wichtig sei auch, dass die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin Staatspapiere kaufen könne. Dies sei nach diesem Gipfeltreffen auch wahrscheinlicher geworden. Auch in Europa müsse es einen Käufer der "letzten Stufe" geben, wie zum Beispiel in den USA, das müsse den Europäern klar sein. Sonst müssten sie bei der Emission von Staatsanleihen immer zittern, ob dies auch gelinge. "Das darf bei der EZB nicht in die Schatulle 'Inflationsgefahr' fallen", so der Wifo-Chef, sondern diene der Kompensation von Marktunsicherheiten.

Fraglich bleibe auch noch, ob der beschlossene 50 Prozent-Schuldenschnitt für Griechenland von der CDS-Kommission als "freiwillig" eingestuft werde - oder als Pleitefall. Die Erweiterung des EFSF Rettungsfonds beurteilte Aiginger als positiv, die 1 Billion Euro stelle die Untergrenze dar. Zudem wisse man noch nicht, ob er wirklich wie geplant funktionieren werden, etwa in Hinblick auf eine Beteiligung von China.

Das Bankenrekapitalisierungspaket sei im Großen und Ganzen gelungen, es werde noch auf die Details ankommen. Offen sei noch die Frage, wer zuschießen werde, damit es zu keiner Kreditklemme kommt.

Aiginger hätte sich auch Aussagen zur Finanztransaktionssteuer (FTS) gewünscht. "Sie haben es vermieden, um den Konsens nicht zu gefährden", so Aiginger. Es sei wichtig, die Kosten nicht über Konsumenten- und Unternehmenssteuern zu finanzieren. "Aber das ist sicher noch nicht der letzte Gipfel gewesen", so Aiginger.

Großbritannien spiele ein bisschen den Trittbrettfahrer: "Sie wollen viel mitreden, sich aber nicht viel verpflichten", sagte Aiginger. Er glaube aber nicht an eine Absetzbewegung der Briten aus der EU. "Sie haben nicht das Kommitment, das man sich wünschen würde". (APA)