Ruth Klügers unbändig starker Wille zum Weiterleben im Filmporträt zum 80. Geburtstag.

Foto: ORF/Navigator Film

Wien - Ruth Klüger sitzt in der Maske. "Und die Haare?" , fragt die Stylistin. "Mit denen ist wenig anzufangen" , sagt Klüger mit kritischem Blick. "Ich könnte sie Ihnen aufföhnen" , schlägt die Stylistin vor. Klüger stimmt zu und hält sofort inne: "Was für ein Wort haben Sie verwendet?"

Bereits in der Anfangsszene von Renata Schmidtkunz' Film Landschaften der Erinnerung - Das Weiterleben der Ruth Klüger drückt sich die weise Aufmerksamkeit der Ruth Klüger aus: Sich und das Umfeld wahrzunehmen und aus beidem zu schöpfen.

Das ist nicht selbstverständlich. In einem Filmporträt über Martin Walser (Eine Deutschlandreise, 2002) sitzt der Autor wie Klüger bei der Visagistin. Walser sieht im Spiegel nur sich und besteht darauf, das Haar zu glätten: "Das was absteht, machen wir weg" sagt er. Zu sehen war ein Schriftsteller in jenen Zwischenräumen, in denen sich Walser nach seiner Friedenspreisrede 1998 verbannt sah. Klüger brach mit ihrem Freund schweren Herzens, aber in Gewissheit, das richtige zu tun.

Dieser unbändig starke Wille zum Wahrhaften beeindruckt im Porträt zum 80. Geburtstag. Nach 2005 begleitete Renata Schmidtkunz Klüger ein zweites Mal durch ihre Lebensräume: Daheim in Kalifornien oder in Europa. Ihre Diagnose 2011 beunruhigt: "In Deutschland meinen die Leute immer, dass ich ihnen eine Last aufbürden will. In Österreich ist es das gleiche, nur dass man sich mehr wehrt gegen die Möglichkeit schuldig gewesen zu sein." (prie, DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.10.2011)