Wien - Navid Kermanis 1230 Seiten starker Wälzer Dein Name würde gerne ein Roman genannt werden: So steht es unmissverständlich auf dem Cover. So wird es vom Autor beschworen, der in dem überbordenden Konvolut stets auf den "Roman, den ich schreibe" zu sprechen kommt.

Beschwören aber muss man eine Sache, der man sich nicht sicher sein darf. Von Juni 2006 bis Juni 2011 führte der 1967 im deutschen Siegen geborene Orientalist Journal. Die annähernd lückenlose Verzeichnung seines Lebens, die Kermani als Sachverständigen in Fragen des interkulturellen Dialogs ausweist, fließt in langen Prosaströmen dahin. Keine Kapitelüberschriften markieren das Material. Dein Name beginnt als Totenbuch, in das die Porträts von Verstorbenen wie György Ligeti, Karl Otto Hondrich und Nikki Sudden (!) Eingang finden: Der Komponist steht unverbunden neben dem Soziologen, dieser neben dem Rock-'n'-Roll-Star (im Falle Suddens nur einer für Eingeweihte). Gedacht wird der iranischen Herkunft der Kermanis in Isfahar, seitenlang werden die Leidens- und Ablebensgeschichten nahe und ferner stehender Zeitgenossen memoriert.

Kermanis morbider Prosablock ist ein totales Buch: Mit fast rührender Emphase schafft dieses eine Art Dauerpräsenz im Dauerpräsens. Ein letztlich schwer goutierbares Stück "Universalpoesie" (Friedrich Schlegel), das mit Hölderlin und Jean Paul im Gepäck die Furien des Verschwindens vor sich hertreibt. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 5./6. November 2011)