Als angelobte Staatskünstler zur Nestbeschmutzung verpflichtet: Florian Scheuba (li.), Robert Palfrader und Thomas Maurer (re.).

Foto: Standard/Robert Newald

Das Konzept erläutern sie Thomas Trenkler.

STANDARD: Mitte Jänner bestritten Sie zusammen mit dem Journalisten Florian Klenk im Audimax die Vorlesung der Grasser-Abhörprotokolle. War dies die Initialzündung für "Wir Staatskünstler" ?

Scheuba: Es gab eine gegenseitige Beeinflussung. Wir haben die Vorlesung zu dritt bestritten, weil wir schon wussten, dass wir die Staatskünstler sein werden - und gleichzeitig hat das, was wir im Audimax gemacht haben, programmatisch Einfluss darauf, was wir als Staatskünstler machen.

Maurer: Wobei die Vorlesung nicht so ein pfiffiger PR-Streich war, wie es nachträglich wirkt. Sie war eigentlich ein Schnellschuss. Und wir hätten den Abend auch ohne gemeinsames Projekt gemacht.

Palfrader: Florian Klenk fragte an, ob wir das nicht machen wollen. Da gab es kein langes Überlegen. Diese Chance wahrzunehmen war für mich nicht so sehr als jemand, der auf der Bühne steht, wichtig, sondern als Staatsbürger.

Scheuba: Der Sachverhalt ist ja nicht unkompliziert. Da ist es dann doch ganz erfreulich, dass der Spruch "Wo woar mei Leistung?" mittlerweile in den Volksmund übergegangen ist. Die Leute haben nun eine Vorstellung davon, was da gelaufen ist.

STANDARD: Nun also "Wir Staatskünstler" , wobei ja der Begriff etwas aus der Mode gekommen scheint.

Palfrader: Nein, wann immer jemand in Online-Foren oder Leserbriefen verunglimpft werden soll, wird das Wort Staatskünstler ausgepackt.

Maurer: Im Weltbild einer gewissen, schlampig mit Kronen-Zeitung-Leser umschriebenen, Sozialschicht hat sich offenbar verfestigt: Es gibt sehr viele Menschen, die intensiv darüber nachdenken, wie sie Österreich als Nazi-Land hinstellen können. Und dass es eine Division von Staatskünstlern gibt, die Österreich im Ausland vernadern. Warum diese Menschen das tun, gehört zu den ungeklärten Geheimnissen dieses Weltbildes.

Scheuba: Mir hat die Vieldeutigkeit des Begriffs Staatskünstler gefallen. Wir werden uns daher auch mit diesen Fragen auseinandersetzen: Ab wann gilt man als Staatskünstler? Und ist man auch als Hofnarr ein Staatskünstler?

STANDARD: In der Ankündigung heißt es, dass Sie in einer Luxusvilla leben, die zuvor von Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard und André Heller bewohnt worden war. Wieso nennen Sie diese drei? Heller hatte eine Nähe zur Politik, Bernhard und Jelinek aber schrieben bloß Stücke für die Bundestheater.

Scheuba: Sie wurden aber als Staatskünstler bezeichnet. Das war das einzige Auswahlkriterium.

Palfrader: Der Begriff wird von uns dekonstruiert. Wenn wir ihn ernst nehmen würden, hätten wir das Programm nicht gemacht.

Maurer: Wir wollen den Quatschbegriff nicht von Widersprüchen bereinigen, sondern in seiner gesamten Mutwilligkeit benutzen. Oder missbrauchen.

Scheuba: Die Ausgangssituation ist, dass die Staatskünstlervilla leer stand. Wir haben uns gesagt: Bevor wir im Standard-Feuilleton lesen müssen, wie sich Robert Menasse und Marlene Streeruwitz darüber streiten, wer den Klobesen nicht benützt oder das Joghurt aufgegessen hat, ist es uns lieber, dass wir einziehen.

Palfrader: Wir wissen: Das ist nicht immer angenehm, aber einer muss es eben machen.

STANDARD: Wo steht diese Villa?

Palfrader: Man kann davon ausgehen: Sie liegt in einem Nobelbezirk von Wien.

Maurer: Mit sehr geringem Ausländeranteil. Es gibt eine nur für uns zugängliche U-Bahn-Station. Ich wohn nämlich grundsätzlich gern mit U-Bahn-Anschluss.

Palfrader: Es gibt auch einen geheimen Tunnel, über den wir die Villa betreten mussten - aufgrund der massiven Proteste nach unserer Angelobung als Staatskünstler.

Maurer: Zähneknirschend haben wir die Auflage hingenommen, dass jede Woche einmal Tag der offenen Tür ist. Da kommen hunderte Besucher. Und wir kommen dabei unserer Pflicht des Nestbeschmutzens nach.

Palfrader: Es wird auch regelmäßig überprüft, ob wir Anständige und Fleißige verhöhnt haben.

Scheuba: Für den direkten Kontakt mit unseren Gästen ist der Robert zuständig. Wenn es etwa darum geht, die Hand, die einen füttert, zu beißen.

Palfrader: Ich bin ja mehr der Mann fürs Grobe.

STANDARD: Wie ist die Villa ausstaffiert? Mit Schüttbildern von Nitsch?

Maurer: Wir haben darauf verzichtet, uns die Villa vom Peter Noever einrichten zu lassen - wie die Kulturministerin ihr Büro. Denn das, was dabei herausgekommen ist, möchte ich nicht nach dem Aufstehen sehen müssen. Vielleicht kriegt der Noever einen Bastelkeller. Aber wir sind nicht wahnsinnig daran interessiert.

Scheuba: Denn vielleicht kommen die Kleiderkästen vom Matt rein.

Palfrader: Ein Haus voller Geheimnisse. Was man da alles findet!

Maurer: Man sucht in der Kuchl den Stabmixer - und findet plötzlich einen Hrdlicka-Torso.

Scheuba: Auch die Affenschaukel, in der die Jelinek in den 70ern posiert hat, taucht auf.

Maurer: Wir haben die Geschichte des Hauses noch nicht ganz aufgearbeitet. Im Garten haben wir jedenfalls eine Skulptur von Arno Breker gefunden. Vielleicht müssen wir auch die Frage der Restitution stellen.

STANDARD: Sie sind sehr unterschiedliche Charaktere. Bringt jeder seine eigenen Gags?

Scheuba: Nein, wir schreiben es zu dritt. Und realisieren es für die Bühne zu viert - mit unserem Regisseur Werner Sobotka.

STANDARD: Aber konzipiert wurde "Wir Staatskünstler" für den ORF?

Mauerer: Es war sehr lange unklar, ob es im Fernsehen stattfinden wird, daher haben wir das Bühnenprojekt beschlossen. Nun gibt es einen Pro- und einen Epilog, die jeden Abend gleich bleiben. Und in der Mitte zwei 25-Minuten-Blöcke, die im ORF ausgestrahlt werden. Es gibt also alle zwei Wochen 50 Minuten. Das stellt nicht nur künstlerisch, sondern auch sportlich eine Herausforderung dar.

STANDARD: Geplant sind zehn Folgen. Sind sie schon geschrieben?

Palfrader: Nein!

Mauerer: Das wäre bei einer aktuellen Geschichte nicht möglich.

Scheuba: Es gibt eine gewisse Vorplanung, aber der Großteil ist einfach offen. Der Schwerpunkt liegt auf österreichischer Innenpolitik.

Maurer: Es gibt derzeit wahnsinnig viel Kompost umzustechen. Siehe die Untersuchungsausschüsse.

Scheuba: Wir Staatskünstler ist kein fiktionales Format wie Die 4 da, sondern eher ein journalistisches: Wir arbeiten mit Journalisten zusammen, die uns für die fixe Rubrik "Das Dokument der Woche" beliefern. In der ersten Folge stellen wir ein Dokument ganz im Geiste der Abhörprotokolle vor: eine Antwort auf die Frage "Wo woar mei Leistung?" von Walter Meischberger. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 8. November 2011)