Kapitel 1: Nicht dass etwas dagegen zu sagen wäre, wenn Facebook-User auf der seit dem Nationalfeiertag aktiven Facebook-Seite des Bundeskanzlers ihrer Begeisterung über dessen Politik freien Lauf lassen. Wenn diese Oden aber, wie das Magazin Datum in seiner jüngsten Online-Ausgabe recherchiert und dokumentiert hat, vielfach nach ein und demselben Textmuster gestrickt sind und ihre Absender sich hinter unüberprüfbaren Profilen verstecken, sind Zweifel an der Echtheit programmiert. Die von Datum befragte Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur Digital Affairs spricht schlicht von "Marionetten-Accounts. Die im Sinne der Plattformbetreiber agieren" - was die für Faymanns Facebook-Auftritt Verantwortliche Angelika Feigl allerdings dezidiert bestreitet.

Kapitel 2: Nicht dass diese Art von Sendungsbewusstsein ein Novum wäre - auch die Beschickung der Leserbrief-Redaktion(en) mit Fake-affinen Jubelbriefen aus den Parteisekretariaten via GMX-Mailaccounts hat langjährige Tradition. Im vorliegenden Fall aber überschreitet die kompromisslose Mischung aus Plumpheit und Chuzpe der Bejubler bei der Vermarktung des zu Bejubelnden derart die geistige Schmerzgrenze, dass man dem Gesetzgeber für den Notwehrparagraphen dankbar sein muss. Wir greifen daher guten Gewissens zum Äußersten - und drucken, was die PR-Strategen aus dem Kanzleramt gedruckt zu sehen wünschen (ungekürzt und in Originalortografie):

Jubel 1: Als moderner Mensch der schon lange auf Facebook ist freue ich mich, dass Bundeskanzler Werner Faymann jetzt auch online ist. Die Facebook-Seite ist wirklich anschaulich gestaltet mit schönen und persönlichen Bildern. Außerdem können interessierte Menschen den Kanzler jederzeit zu Tagesaktuellen politische Fragen fragen. Ganz besonders toll finde ich, dass der Bundeskanzler über Facebook kurze Nachrichten zu den Vorgängen rund um die Euro-Krise schreibt um die Menschen am laufenden zu halten. Gerade dies ist in Zeiten wo sich stündlich berichte überschlagen sehr wichtig.
Werner Halser, Schelleingasse 6, 1040 Wien

Echt bürgernah!

Jubel 2: Faymann ist jetzt noch näher beim Menschen! Ich finde es Super, dass Bundekanzler Werner Faymann neuerdings auf Facebook ist. Jeder der bei Facebook ist kann jetzt direkt und ohne viel Aufwand mit dem Kanzler Kontakt aufnehmen. Antworten erhält man sehr schnell, entweder von ihm selber oder von seinem Team. Außerdem kann man unmittelbar bei seinen Umfragen auf seiner Seite teilnehmen. Das ist eine echte Bürgernähe wie es sich in einer Demokratie gehört.
Siegfried Wurminger, General-Keyes-Strasse 11, 5071 Salzburg

PS.: Dass der Name Halser auf der Klingeltafel der angegebenen Wohnadresse nicht aufscheint, will natürlich nichts besagen. Die mehrfache Präsenz des Verfassers auf der Leserbrief-Seite der Kronen Zeitung (unter so zukunftsweisenden Titeln wie: "Unser Kanzler wird modern" oder "Der richtige Weg") ist Existenznachweis genug. Und dass der Wurminger Siegfried in anderen einschlägigen, in unserer Sonderpostmappe "Rufe der Wildnis" sorgfältig archivierten Zusendungen fallweise zur "Siegrid" mutiert und/oder seinen/ihren Wohnsitz nach "5071 Wien" verlegt, soll die Unschuldsvermutung nicht trüben. Man wird sich doch noch vertippen dürfen. (Mischa Jäger, DER STANDARD Printausgabe, 18. November 2011)