Jäger und Gejagte: James Bennings "Landscape Suicide".

Foto: Filmmuseum

Die meisten Arbeiten des US-Experimentalfilmemachers James Benning, in Österreich dank des Filmmuseums und der Viennale gut eingeführt, sind den realen und ideellen Landschaften der Vereinigten Staaten verpflichtet. American Dreams (lost and found) aus dem Jahr 1984 weicht dahingehend ein wenig vom Kurs ab, denn der Film reiht keine Bilder von Orten als vielmehr Objekte, Musik und Nachrichten so aneinander, dass sich daraus so etwas wie eine kollektive Biografie des Landes zusammenfügt.

Bennings Film ist ein penibel arrangiertes Gesamtkunstwerk. Die Objekte sind alle dem Baseball, jener sehr amerikanischen Sportart, verpflichtet, von der Don De Lillo schon einmal gesagt hat, dass jeder Baseball auf mysteriöse Art und Weise die ganze Geschichte des Spiels mit sich führt. Benning zieht das Argument weiter, indem er Zeitgeschichte, Populärkultur und Extremismus zusammendenkt. Die Baseball-Spielerkarten, Eintrittstickets, Münzen und Autogrammkarten (aus der Sammlung des Filmemachers) stehen ausschließlich mit dem legendären Spieler Henry Louis (Hank) Aaaron in Zusammenhang, der von den 50ern bis 1974 aktiv blieb, während auf der Tonebene auch vielfältige politische Ereignisse (etwa die Ermordung Kennedys) in den Film einfließen, die wiederum mit nostalgisch anmutenden Popsongs kontrastieren. Damit nicht genug, sind auch noch Tagebucheintragungen Arthur Bremers als Fließschrift zu lesen, jenes Mannes, der 1972 ein Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten George Wallace verübte.

American Dreams, der auch deshalb als DVD besonders sinnvoll erscheint, weil er durch mehrmaliges Ansehen noch gewinnt, gibt es nun als Doppelpack in der Edition Filmmuseum gemeinsam mit Landscape Suicide. Bei diesem handelt es sich um eine Auseinandersetzung Bennings mit Gewalt und Einzelgängertum, die an eine Figur wie Bremer durchaus anschließt. Der Film verbindet zwei Kriminalfälle, die Ergreifung des Serienmörders Ed Gein, ein Ereignis aus Bennings Kindheit, mit der Ermordung der Cheerleaderin Kirstin Costa durch eine Schulkameradin 1984. Benning stellt die Vernehmungen nüchtern nach, holt auch hier Medienberichte und Fakten ein, doch das wesentliche Augenmerk liegt auf den meist menschenleeren Orten selbst, die das Ambiente der Taten bilden. Die Morde sind ein Teil ihrer Normalität. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/RONDO - Printausgabe, 9. Dezember 2011)