Inhalte des ballesterer Nr. 68 (Jänner/Februar 2012) - Ab 13.12. im Zeitschriftenhandel!

SCHWERPUNKT: HERBERT PROHASKA

WUSCHELKOPF, WUNDERWUZZI & WALTERS LIEBLING
Jahrhundert-Austrianer Herbert Prohaska im Porträt

SCHAUPLATZ KÜNIGLBERG
Abseits der Kamera rennt beim ORF-Experten der Schmäh

IN DER SCHÖNSTEN LIGA DER WELT
Ein Scudetto, aber kein nachhaltiges Glück in Italien

NACHSPIELZEIT
»Schneckerl« bittet zu Tisch bei Brigitte Xander

Außerdem im neuen ballesterer:

WAS BRAUCHT DIE STADT?
Ein Anstoß zur Sanierung des Hanappi-Stadions

»BETRÜGER DARF MAN NICHT BETRÜGEN«
Der spielsüchtige Ex-St.-Pauli-Profi René Schnitzler im Porträt

WARTEN AUF DIE KATHARSIS
Auch in Griechenlands Stadien regiert der Frust

NUR MEHR EIN KLUB
Ein Brustsponsor treibt den FC Barcelona in die Sinnkrise

SCHNELLES UMSCHALTEN MIT DYNAMISCHEN FLÜGELN
Überraschungsteam Admira in der Taktikanalyse

POLENS WAHLVERLIERER
Die organisierten Fans im Fadenkreuz von Premierminister Tusk

»TORESCHIESSEN WAR IMMER GLEICH SCHWIERIG«
Franz Binder jun. über seinen Vater & Fußball unterm Hakenkreuz

VERGESSENES DYNAMO
Im glitzernden Kiew verstaubt ein Traditionsverein

ZICKZACK IN SAUBEREN STOLLEN
Türkisches Parlament will Strafen für Spielmanipulationen senken

VOM UHLENKURG IN DEN LETZIGRUND
Groundhopper aus Deutschland, England, Serbien, Spanien und der Schweiz

DR. PENNWIESER
Das Heimweh

KRAFTWERK
Entscheidungstag in Europa

KURZPASS
Multiple Pinter, verkaufte Seelen & das Schneckerl-Mixtape

Foto: Cover/Ballesterer

"Ich wollte schon als Kind Fußballer werden, ohne noch zu wissen, dass man damit Geld verdienen kann."

Foto: Daniel Shaked (danielshaked.com)

"Heute heißt es, es ist gut, dass einer wie der Marcel Koller kommt, weil der nicht verhabert ist. Da frage ich mich, ob der Daxbacher bei der Austria falsch ist, der gemeinsam mit dem Tommy Parits gespielt hat und dort alles kennt. Ist Schöttel bei Rapid falsch? Sollen wir die alle raushauen?"

Foto: Dieter Brasch

"Ich würde dem Andi Ogris gern helfen. Er hat seit Jahren die höchste Ausbildung und kommt nicht dran. Ich habe nie verlangt, dass Ogris Teamchef werden soll. Aber ich weiß, dass er ein guter Trainer ist, er hat Simmering und Polizei in die Regionalliga geführt."

Foto: Daniel Shaked (danielshaked.com)

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"Nach Cordoba waren wir 1982, 1990 und 1998 wieder für die WM qualifiziert, viermal haben österreichische Klubmannschaften Europacup-Finali erreicht. Österreich ist auf keinen Fall stehen geblieben. Warum sollen wir unsere Geschichte schlechtreden? An die muss man sich immer erinnern. Wir dürfen unsere Erfolge nicht herunterspielen, dafür sind wir nicht groß genug."

Foto: APA

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"Ich wollte eigentlich nie Trainer sein, sondern eher Sportdirektor oder Manager."

Foto: APA/ Jaeger

ballesterer: 2004 wurden Sie zu Österreichs Fußballer des 20. Jahrhunderts gewählt. Wie fühlt es sich an, wenn in 50 Jahren noch in Büchern stehen wird: Herbert Prohaska, Jahrhundertfußballer?

HERBERT PROHASKA: Für einen Einzelnen kann es in einem Mannschaftssport keine größere Auszeichnung geben. Ich bin sehr stolz darauf, aber ich gehe mit diesem Titel nicht hausieren. Ich bin zum Jahrhundertfußballer gewählt worden, aber ich fühle mich nicht wie der beste Fußballer der letzten 100 Jahre. Spieler aus den 1930ern und 1940ern hatten es wesentlich schwerer, schlichtweg, weil sie nicht mehr leben. Außerdem ist die Wahl auch über das Internet gelaufen, und ich denke, dass ein Sindelar da kaum eine Chance hatte.

Wie haben die bescheidenen Verhältnisse Ihrer Kindheit in Simmering Ihre spätere Karriere geprägt?

Prohaska: Ich bin mit dem Wissen, wenig zu haben und trotzdem gut zu leben, aufgewachsen. Meine Eltern hatten kein Auto, keinen Fernseher und kein Telefon, wir waren nie auf Urlaub. Das war mir aber ohnehin lieber. Denn wenn wir zwei Wochen weggefahren wären, hätte ich nicht mit meinen Freunden im Käfig kicken können. In Wahrheit hat meine super Kindheit in der Hasenleiten nicht nur meine Karriere, sondern mein ganzes Leben geprägt. So bleibst du mit den Füßen am Boden.

Wie hat Ihre Karriere vom Käfig aus ihren Lauf genommen?

Prohaska: Ich wollte schon als Kind Fußballer werden, ohne noch zu wissen, dass man damit Geld verdienen kann. Mit neun Jahren bin ich zu Vorwärts XI gekommen und habe aus Liebe zum Fußball ein ganzes Jahr nur trainiert, weil man erst mit zehn Meisterschaft spielen durfte. Ich wäre am liebsten schon von Anfang an zu Ostbahn gegangen, weil die besser waren. Das konnte ich aber nicht machen, weil mich meine Freunde sonst gehaut hätten. Schließlich hat mich Ostbahn haben wollen, und Vorwärts hat Geld gebraucht. So hat Ostbahn nur wegen mir die gesamte Vorwärts-Mannschaft um 500 Schilling gekauft.

1972 sind Sie zur Austria gewechselt, wo Sie mit 16 Jahren in die Kampfmannschaft gekommen sind. Welche Erinnerungen haben Sie an den Beginn Ihrer violetten Karriere?

Prohaska: Wir sind gleich einmal auf Trainingslager gefahren. Nach einer Woche habe ich mir gedacht, das halte ich nicht durch. Da gab es nur Laufen, Laufen, Laufen. Ohne meinen Freund Edi Krieger wäre ich wahrscheinlich irgendwann in der Nacht abgehaut. Nach einigen Wochen hat aber natürlich die Freude überwogen. Meine Vorstellung war, gleich um den Titel mitzuspielen. Mir ist dann relativ schnell bewusst geworden, dass die Austria damals den größten Schnitt ihrer Geschichte gemacht hat. Wir haben ein Jahr lang ohne Trikotsponsor gespielt. Aus finanziellen Gründen hat die Austria auf die Jugend gesetzt und nur vier Stammspieler behalten.

Wie war die Mischung aus Jungen wie Ihnen und Alten wie Ernst Fiala?

Prohaska: Fiala war eine Austria-Ikone, als Bub habe ich mir Autogramme von ihm geholt. Er war die größte Respektsperson, mit der ich jemals zusammengespielt habe, Schmähführen war da nicht drin. Vor Heimspielen sind wir in Brunn kaserniert gewesen, und gleich beim ersten Mal hat der Fiala beim Essen zu mir gesagt, ich soll drei Semmeln mitnehmen, weil wir nachher zum Wasser hinuntergehen. Ich wusste nicht warum, habe mich aber nicht getraut zu widersprechen. Beim Wasser hat er dann sein Fischerzeug ausgelegt, und ich musste mit den Semmeln die Köderfische anfüttern. In seiner letzten Saison 1974/75 hat Fiala zu meinen Gunsten auf seinen Stammplatz verzichtet. Er hat gemeint, ein so talentierter Bub wie ich sollte nicht auf der Bank sitzen. Das war eine riesengroße Geste.

Was war das Erfolgsgeheimnis der Austria der späten 1970er Jahre?

Prohaska: 1976 sind wir mit acht Spielern unter 21 Jahren Meister geworden. Die Austria hatte die richtige Mischung aus Jungen und Alten. Wenn es Abgänge gegeben hat, hat Joschi Walter sie gut ersetzt. Schachner war der wohl aufsehenerregendste Stürmer der damaligen Zeit. Der konnte jeden Mittelfeldspieler groß machen, weil er sogar einen Fehlpass erwischt und ein Goal geschossen hat. Außerdem hat die Mannschaft viel gemeinsam unternommen: Wir sind Essen gegangen und mit den Frauen ins Theater. Nach dem Training auf dem WAC-Platz haben sich zehn Spieler zusammengesetzt, ein Seidl Bier getrunken und Schmäh geführt. Jeden Tag. Wenn wir Vormittags- und Nachmittagstraining hatten, sind wir zu zwanzigst am Praterstern ins Kino gegangen. Wir sind sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Es war damals beinahe unmöglich, an den Stammspielern vorbei in die Kampfmannschaft zu kommen. Eine Rotation wie heute hat es nicht gegeben, das hätten wir auch nicht akzeptiert. Wenn mir damals ein Trainer alle 14 Tage gesagt hätte, dass ich pausieren muss, hätte er bei der Austria nicht lange überlebt.

Stichwort Rotation: Sie haben schon öfters gesagt, die Austria sei im Europacupfinale 1978 mit Gasselich und Ihnen zu offensiv aufgestellt gewesen. Hätten Sie sich für den Erfolg der Austria freiwillig auf die Bank gesetzt? 

Prohaska: Natürlich nicht! Wir sind mit unserer Art bis ins Finale gekommen, und es war klar, dass wir wieder so spielen. Anderlecht war damals die wohl beste Kontermannschaft in Europa, und wir sind mit acht Offensivleuten angetreten. Im Nachhinein betrachtet kannst du da nicht gewinnen. Aber es wäre dem Stessl auf den Kopf gefallen, wenn er plötzlich defensiver aufgestellt hätte. Und wir hatten auch eine falsche Einstellung. Wir haben gedacht, egal was passiert, den Finaleinzug kann uns niemand mehr nehmen. Stattdessen hätten wir uns denken müssen: Wir wollen unbedingt gewinnen, alles andere ist deprimierend. Was es ja schlussendlich auch war.

Im Interview auf der neuen Austria-DVD sagen Sie, die Halle sei Ihnen fast wichtiger gewesen als der Europacup oder ein Ländermatch. So eine Aussage ist für die meisten Fußballfans wohl unverständlich.

Prohaska: Natürlich ist eine Meisterschaft zehnmal wichtiger. Aber die Halle war meine Leidenschaft abseits vom ernsten Profifußball. In der Halle kann man alles probieren, das war mein Spiel. Im Winter habe ich bei Kaffeehausmannschaften wie dem FC Durdak oder beim Café Charlotte gespielt. Ich habe deswegen auch öfters Strafen gezahlt. Der FC Durdak hat in der Halle alles weggeschossen. Im Einserblock waren fünf Austrianer, im Zweierblock fünf Simmeringer. Da hat keiner gespielt, der nur ins Kaffeehaus gegangen ist.

Wie stehen Sie zum »Mythos Cordoba«?

Prohaska: Cordoba ist doch nur der große Erfolg, weil wir zum Schluss Deutschland geschlagen haben. Zu unserer Zeit haben wir uns immer zu Recht anhören müssen: »Was ist Cordoba mit dem siebenten Platz? 1954 waren wir Dritter!« Aber: Paul Breitner hat einmal völlig verblödet gesagt, die Österreicher sind 1978 stehen geblieben. Jetzt gibt es auch wieder welche, die sagen, dass Cordoba dem österreichischen Fußball schlechtgetan hat. Kompletter Blödsinn! Nach Cordoba waren wir 1982, 1990 und 1998 wieder für die WM qualifiziert, viermal haben österreichische Klubmannschaften Europacup-Finali erreicht. Österreich ist auf keinen Fall stehen geblieben. Warum sollen wir unsere Geschichte schlechtreden? An die muss man sich immer erinnern. Wir dürfen unsere Erfolge nicht herunterspielen, dafür sind wir nicht groß genug.

In Ihrer Biografie schreiben Sie, die WM 1982 sei eines Ihrer traurigsten Kapitel gewesen. Sehen Sie das auch heute noch so?

Prohaska: Ich würde das so stehen lassen. Zum einen war mir unbegreiflich, dass Karl Stotz nach der erfolgreichen Qualifikation gehen musste. Zum anderen habe ich das erste Mal erlebt, dass ein Kader überhaupt nicht zusammenpasst, vom Menschlichen her. Das Verhältnis untereinander war von Streitereien und Eifersüchteleien geprägt, die Stimmung komplett kaputt. Einige Mitspieler waren quasi auf Urlaub in Spanien. Ich wäre am liebsten heimgefahren.

Sie haben 1985 Ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt. Warum haben Sie 1988 ein Comeback gegeben?

Prohaska: Josef Hickersberger hat mich gefragt, ob ich ihm in der WM-Quali helfen kann, aber ich habe abgelehnt. Daraufhin hat meine Frau gemeint: »Wenn dich ein Freund um etwas bittet, kannst du ihn nicht hängenlassen.« Da war unsere Ehe das einzige Mal in Gefahr. Also habe ich Hickersberger zugesagt und erst im Sommer 1989 aufgehört. Ich wollte auf keinen Fall, dass mein Abschied mit einem Misserfolg zusammenfällt. Aber es ist ja gutgegangen.

Was war der peinlichste Moment Ihrer Karriere? 

Prohaska: Das hat wieder mit Spanien zu tun. Keine Frage: 9:0 zu verlieren ist das Peinlichste. Sportlich war es sicher schlimmer, ein Europacupfinale zu verlieren. Aber neun Tore sind nur peinlich. Für die Tabellensituation war es egal, ob wir 0:1 oder 0:9 verlieren. Happel hat 9:1 gegen Real Madrid verloren, das hat schon ein halbes Jahr danach niemand mehr erwähnt. Mein 9:0 kommt jedes Jahr. Garantiert.

Wie ist Ihr Einstieg als Trainer bei der Austria verlaufen? 

Prohaska: Ich wollte eigentlich nie Trainer sein, sondern eher Sportdirektor oder Manager. Bei der Austria habe ich schnell gemerkt, dass Joschi Walter diese Ämter innehat und mich maximal Sachen machen lässt, die ihm zu klein sind. Nach der Entlassung von Erich Hof bin ich Trainer geworden - vorerst ohne Lizenz. Heute hört man oft, dass es nicht gut ist, gleich oben anzufangen. Unsinn! Was hätte ich denn in den Profifußball mitnehmen sollen, wenn ich zuerst Ostbahn XI trainiert hätte?

Bereits damals hat es Vorwürfe gegeben, Sie seien mit Ihren Spielern verhabert. 

Prohaska: Für mich war klar, dass ich mit meinen besten Freunden zusammenarbeiten möchte. Also habe ich mir gleich zu Beginn Ogris, Zsak, Stöger und Wohlfahrt geschnappt und ihnen gesagt, dass sich nichts an unserer Freundschaft ändert, ich aber jetzt die volle Verantwortung habe. Sie haben immer ihr Bestes gegeben, und so war es leicht, etwas zu gewinnen. Heute heißt es, es ist gut, dass einer wie der Marcel Koller kommt, weil der nicht verhabert ist. Da frage ich mich, ob der Daxbacher bei der Austria falsch ist, der gemeinsam mit dem Tommy Parits gespielt hat und dort alles kennt. Ist Schöttel bei Rapid falsch? Sollen wir die alle raushauen?

Zuletzt sind Sie erneut wegen der Verhaberung in der Kritik gestanden.

Prohaska: Ich würde dem Andi Ogris gern helfen. Er hat seit Jahren die höchste Ausbildung und kommt nicht dran. Ich habe nie verlangt, dass Ogris Teamchef werden soll. Aber ich weiß, dass er ein guter Trainer ist, er hat Simmering und Polizei in die Regionalliga geführt. Da redet man sich auf das schlechte Image raus. Kühbauer hatte sein Leben lang ein schlechtes Image, und jetzt hat er Erfolg. Beim Herzog hat das nichts mit Freundschaft zu tun, da bin ich einfach der Meinung, dass er das kann. Er wäre mir als Teamchef lieber gewesen als jemand von außen. Karel Brückner hat niemanden gekannt, und er ist mit Pauken und Trompeten gescheitert. Hoffentlich geht es Koller nicht genauso. Ich würde mir nie wünschen, dass es dem Team schlecht geht.

Zurück zu Ihrer Karriere: Nach ihrer ersten Ära bei der Austria und Ernst Happels Tod sind Sie Teamchef geworden. 

Prohaska: Ich wollte bei der U21 bleiben, bin aber von Beppo Mauhart gefragt worden. Allerdings haben sich viele gewünscht, dass Didi Constantini Teamchef wird. Die ersten zwei Jahre waren hart. Aus den Bundesländern ist viel Gegenwind gekommen. In Tirol waren sie bitterböse auf mich, weil ich fast nie dort war. Als ich dann einmal in Innsbruck war, haben sie zehn Minuten lang gesungen: »Prohaska, du Arschloch!« Toni Sailer ist neben mir gesessen und hat mich gefragt: »Was schreien die?« Der hat das gar nicht begreifen können. Im VIP-Klub der Grazer Gruabn hat mich einer angerempelt und gesagt: »Der Prohaska, der Pleampl, ist auch da.« Was willst du da machen? Als Teamchef kann ich doch nicht mit dem zum Raufen anfangen. Hannes Kartnig hat das gesehen und gesagt, er soll ihm die VIP-Karte zurückgeben und sich morgen sein Geld holen. Das rechne ich ihm hoch an. Lustig war das natürlich nicht, aber ab 1996 ist alles besser geworden.

Bei der WM 1998 waren Schlüsselspieler wie Toni Polster und Andreas Herzog über ihrem Zenit. Es gab Kritik, dass Sie zu spät auf das »magische Dreieck« von Sturm gesetzt hätten. Ist dieser Vorwurf nachvollziehbar? 

Prohaska: Ja, im Nachhinein natürlich. Man muss aber auch sagen, dass nichts bewiesen ist. Herzog hat uns zu dieser WM geschossen. Im Training habe ich gesehen, dass er nicht fit ist, aber er hat gemeint, er lässt sich fitspritzen. Polster war vier Wochen vorher mit der Meisterschaft fertig und körperlich nicht in Topform. Er wird es jetzt nicht zugeben, aber er war körperlich ganz selten in Topform. Der Polster war aber eben der Polster: Er hatte die Gabe, ein richtiger Torjäger. Reinmayr und Haas hatten nicht die Qualität von Polster und Herzog.

Als Sie zur Austria zurückkamen, gab es zunächst die »Schneck is back«-Euphorie. Aber sind Sie nicht von Anfang an auf verlorenem Posten gestanden? 

Prohaska: Nein. Ich wollte eigentlich ein Jahr pausieren, aber der Austria absagen, das konnte ich nicht. Die Austria hatte damals kein Geld und war zuvor zweimal Siebenter geworden. Immerhin ist uns der Sieg in der Stadthalle gelungen, aber ausgerechnet da ist Stronach gekommen und hat gemeint: »Einer, der in Valencia 0:9 verliert, kann nicht Austria-Trainer sein.« Wäre er schon davor beim Klub gewesen, hätte ich das alles nicht gemacht.

Waren Sie bei Ihrem zweiten Abgang böse auf die Austria?

Prohaska: Nein, zu diesem Zeitpunkt hat meine Austria nicht mehr existiert. Sie war eine Firmenmannschaft von Magna. Fast alle, die im Klub etwas zu bestimmen hatten, waren von Magna. Unter diesen Bedingungen war ich froh, weg zu sein.

Wann ist Ihnen klar geworden, dass die Austria Ihre letzte Trainerstation war?

Prohaska: Der ORF hat mir 2000 das Angebot gemacht, bei der EM als Analytiker zu arbeiten. Es hat ihnen offenbar gefallen, und so habe ich unter dem Vorbehalt weitergemacht, dass ich aussteige, wenn ich einen Trainerjob bekomme. In den folgenden Jahren hat es einige Angebote gegeben - beim GAK ist es am Geld gescheitert, in Klagenfurt daran, dass ich Andi Ogris als Co-Trainer mitnehmen wollte. Und Frank Stronach wollte mich als General Manager zur Austria zurückholen. Aber ich habe bald erkannt, dass ich nur das machen soll, was er mir sagt. Noch dazu hat er gemeint, ich sei doch so ein großer Austrianer, da müsste ich es ums halbe Geld machen. Jemand, der frisch zur Austria kommt, soll das Doppelte verdienen wie ich? Das ist doch ein Volltrottel! Irgendwann habe ich mir gedacht, da muss schon etwas Besonderes kommen. Das ist nicht mehr passiert, und deshalb habe ich keinen Trainerposten mehr angenommen.

In Ihrer ersten Biografie aus dem Jahr 1984 schreiben Sie: »Wenn Fußballern nie die Luft ausgeht, dann braucht man ihnen auch nicht mit aller Gewalt das Rauchen abgewöhnen.« 

Prohaska: Ich habe immer geraucht, war aber nie ein starker Raucher. Als Fußballer waren es zehn bis zwölf Zigaretten pro Tag, heute sind es 15. Ich bin ein Sitzraucher, wie man so schön sagt: Ich rauche gern zum Kaffee, beim Fernsehen und nach dem Essen. Ich will das Rauchen nicht verteidigen und kann hoffentlich bald damit aufhören, wegen der Enkelkinder. Aber wenn mir jemand den Vorwurf macht, ich sei als Sportler ein schlechtes Vorbild, dann muss ich sagen: Ich wollte immer als Fußballer und nicht als Mensch ein Vorbild sein. Jeder muss selbst entscheiden, was er für ein Mensch ist. In meinem Leben geht es mir nicht darum, dass mir irgendwer etwas nachmacht, weil das eh gar nicht geht. (Interview: David Forster & Johannes Hofer - gekürzte Fassung aus ballesterer Nr. 68, Jänner/Februar 2012)