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Eine 45-jährige Frau wurde in der Wohnung des Täters gefunden

Foto: dapd/Timur Emek

Lüttich - In der Wohnung jenes 33-jährigen Mannes, der am Dienstag in der Innenstadt von Lüttich Handgranaten gezündet und um sich geschossen hatte, ist auch die Leiche einer Frau gefunden worden. Dies gaben die belgischen Justizbehörden am Mittwoch bekannt. Die Tote sei bei der Hausdurchsuchung entdeckt worden.

Bei dem Anschlag sind mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Einer davon ist der Täter selbst. Zwei 15 und 17 Jahre alte Jugendliche sowie ein 17 Monate altes Kleinkind starben ebenfalls. Eine 75-jährige Frau befand sich laut Staatsanwältin Danielle Reynders noch immer schwerverletzt in Behandlung. 125 Personen wurden verletzt.

Motiv unklar

Die im Haus des Täters gefundene Leiche lag in einem Depot, das der 33-Jährige unter anderem für seine Hanfpflanzungen genutzt hatte. Das sagte Lüttichs Generalstaatsanwalt Cedric Visart de Bocarme gegenüber dem belgischen Radio RTBF. Es handle sich um eine 45-jährige Frau, die bei der Nachbarin des Mannes als Putzfrau tätig gewesen war.

Der Täter hat sich nach seiner Tat selbst getötet. Das erklärte Staatsanwältin Reynders am Mittwoch. Der Mann habe sich durch einen Schuss in den Kopf getötet, sagte Reynders. "Der Rechtsmediziner hat gesagt, er hat sich mitten in die Stirn geschossen." Der Amokläufer habe kein Schreiben hinterlassen, in dem er seine Tat erklärt habe, fügte die Staatsanwältin hinzu. Zuvor war unklar gewesen, ob der Täter sich selbst gerichtet hatte oder durch eine Explosion ums Leben gekommen war.

Das Motiv des Mannes - offenbar ein Einzeltäter ohne terroristischen Hintergrund - war zunächst unklar. Am Tag nach dem Attentat haben die Lütticher Bürger mit Blumen der Opfer gedacht. Sie legten an der Bushaltestelle im Zentrum, wo Menschen von Kugeln und Granatsplittern getroffen wurden, mit Tränen in den Augen Rosen nieder. "Lasst uns Lüttich als Stadt des Friedens leben", war auf einem Zettel zu lesen.

Täter wegen Waffenbesitz verurteilt

Der Täter war 2008 wegen Waffenbesitzes zu knapp fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, meldete die Nachrichtenagentur Belga.Im Oktober 2010 war aus der Haft entlassen worden. Am gestrigen Dienstag sei er von der Polizei zu einer Anhörung wegen eines mutmaßlichen Sittlichkeitsverbrechens vorgeladen worden, dort aber nicht erschienen. Der Mann war wegen seiner Gewaltdrohungen polizeibekannt, aber nicht wegen Terrorismus, erklärte Staatsanwältin Reynders ausdrücklich.

Es handle sich um den Vorwurf von Sittlichkeitsverbrechen, der am 13. November 2011 "in Form einer Klage gegen unbekannt" eingegangen sei. Die Staatsanwältin nannte allerdings keine Einzelheiten. Laut einem Bericht der belgischen Zeitung "Le Soir" bezog sich die Klage auf "Berührungen". Der Mann lebte ganz in der Nähe des Tatortes.

Tathergang des Anschlags

Der Anschlag hatte sich gegen Mittag auf dem zentralen Place Saint-Lambert in der Innenstadt ereignet - unmittelbar neben einem Weihnachtsmarkt. Der Täter warf nach ersten Erkenntnissen mehrere Handgranaten auf eine Bushaltestelle, wo viele Menschen warteten, dann schoss der 33-Jährige mit einem Revolver auf die Wartenden. Berichte, wonach der Mann auch ein Kalaschnikow-Sturmgewehr benutzt habe, dementierte Reynders. Auch Gerüchte, wonach der Täter Komplizen hatte, wurden zurückgewiesen.

Das belgische Fernsehen zeigte Bilder von Passanten, die voller Panik davonliefen und sich in Geschäfte flüchteten. Geschäftsleute verbarrikadierten ihre Läden. Nach Angaben von Ärzten hatten viele Opfer Projektile im Körper. Nach den Ereignissen herrschte in Belgien Trauer. Der belgische Premierminister Elio Di Rupo kündigte ebenso wie König Albert II. und seine Frau einen Besuch am Tatort an. Der Lütticher Bürgermeister Willy Demeyer sprach von einer "Einzeltat, die tiefe Betroffenheit im Herzen der Stadt gesät hat."

Zentrum der Wallonie

Lüttich ist Hauptstadt der Provinz Lüttich und Zentrum der Wallonie. Belgien hatte in den letzten Monaten vor allem damit Schlagzeilen gemacht, dass es nach den Parlamentswahlen 2010 keine Regierung bilden konnte. Erst vor einer Woche einigten sich die Parteien auf ein neues Kabinett. Lange umstritten war vor allem, wie viele Posten an die verschiedenen Sprachgruppen gehen.

In der belgischen Politik ringen die Vertreter der französischsprachigen und der Flämisch sprechenden Bevölkerung miteinander um Einfluss. Seit den Parlamentswahlen im Sommer 2010 wurde Belgien von einer geschäftsführenden Regierung unter Premierminister Yves Leterme geleitet. (APA/dpa/Reuters/red)