Ein Graureiher fängt mitten im Wiener Stadtpark einen Goldfisch. "Für das Foto habe ich wochenlang gewartet", sagt Fotograf Karl Leitner - mehr eindrucksvolle Tierbilder gibt es hier.

Foto: Karl Leitner

Wien - Eine beneidenswerte Geduld kann Karl Leitner an den Tag legen. Nicht grundsätzlich, denn läuft ihm etwas gegen den Strich wie das Rauchverbot in Lokalen, kann der 43-Jährige den Urwiener in sich nicht wirklich verbergen. Aber wenn es um Natur und Tiere sowie seine Kamera geht, fährt Leitner seinen Körper auf Standby-Modus herunter und der Faktor Zeit ist nebensächlich.

Der selbstständige Fotograf hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wiens freie Natur zu fotografieren, Eisvögel etwa, von denen es gerade einmal drei bis zehn Brutpaare pro Saison im gesamten Stadtgebiet gibt. Der 16 bis 17 Zentimeter lange Vogel gilt als prioritär bedeutend und wird durch das Wiener Naturschutzgesetz als streng geschützte Art ausgewiesen.

Vier Stunden im Tarnzelt

"Wenn ich mir vornehme, einen Eisvogel beim Fischen zu fotografieren, komme ich mit allerhand Naturfotos heim - außer mit einem Eisvogel", erzählt Leitner. Glück hat er im Spätsommer in der Nähe des Alberner Hafens im 11. Bezirk gehabt. Das Blaue Wasser, ein biologisch wertvoller größerer Altarm der Donau, zog Eisvögel und auch Leitner an. "Vier Stunden hab ich in einem Tarnzelt ausgeharrt. Dann hat der Eisvogel plötzlich einen Fisch im Schnabel gehabt. Ich war so baff, dass ich aufs Fotografieren vergessen habe."

Geklappt hat es dann trotzdem. Ob Eisvögel auch im nächsten Jahr das Blaue Wasser gegenüber dem Friedhof der Namenlosen ansteuern werden, vermag Leitner aber nicht zu sagen. "Die Stadt Wien hat dort leider einen Damm und ein Hafentor bauen lassen, damit mehr Schiffe auf der Donau fahren können."

Graureiher im Stadtpark

Graureiher, auch Fischreiher genannt, hat Leitner mitten im Stadtpark beim Fischen abgelichtet. Die Vogelart ist laut dem Ornithologen Norbert Teufelbacher von BirdLife Österreich mit rund 20 Brutpaaren im Stadtgebiet, vor allem in Floridsdorf, vertreten. Der Kormoran brütet hingegen nicht in Wien. "Er ist Wintergast" sagt Teufelbacher über den Vogel, der in der Roten Liste österreichweit als vom Aussterben bedroht gilt. In den letzten Jahren haben sich die Bestände des Kormorans, der von Fischern gehasst wird, aber erholt.

Im vergangenen Winter haben Kormorane den Stadtpark als neues Nahrungsgebiet entdeckt. "Die haben dort 800 Kilo Fisch rausgeholt", sagt Leitner. Den Kormoran in räumlich kurzer Entfernung in einem noch viel kürzeren Moment vor die Linse zu bekommen, hat Leitner noch nicht geschafft. "Das ist eine Lebensaufgabe. Aber der nächste Winter kommt bestimmt."

Nicht nur für Momentaufnahmen seltener Vogelarten investiert der Fotograf seine Zeit in der Wiener Natur, sondern auch für wildlebende Tiere wie das Ziesel. Die scheue Tierart lässt sich mit viel Glück und Geduld auf der Perchtoldsdorfer Haide in Liesing im 23. Bezirk finden.

Befreite amerikanische Nerze am Toten Grund

Putzig sieht auf Leitners Fotografien der auch Mink genannte Amerikanische Nerz aus. Die nichtheimische Marderart hat es sich etwa am Toten Grund auf der Donauinsel eingerichtet. Vor Jahren wurden die ersten Minke in Wien von Tierschützern aus Pelzfarmen "befreit". Seither nimmt die Population mangels natürlicher Feinde stetig zu. Der Mink tötet auch ohne Hunger - und bringt Fischer zum Verzweifeln.

"Vienna Wildlife" heißt Leitners Fotoprojekt von seltenen Tieren, aber auch von Eichhörnchen oder Tauben in Wien. Über seine Homepage sind die besten Schnappschüsse erstmals auch als Kalender zu beziehen. "Ich will zeigen, was man in Wien alles sehen kann, wenn man genau hinschaut", sagt Leitner. "Es heißt immer, Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. Für mich ist sie das nur wegen der Natur."(David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2011)