Bild nicht mehr verfügbar.

"Der Koffeingehalt von Kaffee und Tee ist unterschiedlich, so dass man die beiden pauschal nicht vergleichen kann", meint die Ernährungsexpertin Veronika Somoza.

Foto: AP/Ronald Zak

Fünf Uhr, später Nachmittag - oder früher Abend. "Nein, bitte nicht", legt die Freundin ihre Hand schützend über die Kaffeetasse. "Sonst kann ich nicht schlafen."

Auch nach dem Genuss von Schwarztee am frühen Abend sitzen zahlreiche Menschen aufrecht im Bett. Andere schlafen dagegen ein paar Stunden nach dem Konsum von Kaffee und Schwarztee bestens. Andere wiederum können auf kurz gezogenen Schwarztee gar nicht schlafen, auf lang gezogenem dagegen ausgezeichnet. Wie kommt es zu solch unterschiedlichen Reaktionen, wo doch in Kaffee und Schwarztee derselbe Wirkstoff - Koffein - enthalten ist?

"Koffein ist zwar der am stärksten wirksame, aber nicht der einzige Inhaltsstoff, der auf das zentrale Nervensystem wirkt", weiß Veronika Somoza, Vorständin des Instituts für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie an der Universität Wien - etwa das im Schwarztee vorherrschende Theophyllin oder das im Kaffee enthaltene Pyrogallol. "Die Koffeingehalte von Kaffee und Tee sind ebenfalls unterschiedlich, so dass man die beiden pauschal nicht vergleichen kann", meint die Ernährungsexpertin. 

Theophyllin wirkt wie Koffein

Kurz gezogener Tee macht angeblich munter, lang gezogener müde. "Das vor allem das im Tee enthaltene Theophyllin hat eine ähnliche Wirkung wie das Koffein", weiß Somoza. Im Rahmen der Extraktion bei der Kaffee- oder Teezubereitung gehen diese Verbindungen in das Wasser über, und je nach der Länge des Ziehenlassens ist die Extraktion mehr oder weniger wirksam.

Der größte Teil des Theophyllins oder Koffeins wird in den ersten paar Minuten extrahiert, aber je länger man Tee oder Kaffee ziehen lässt, umso höher die Konzentration. "Da muss man sich allerdings die quantitativen Verhältnisse anschauen", ergänzt Veronika Somoza und geht von folgendem Szenario aus: Lässt man 150 Milliliter Schwarztee eine Minute lang ziehen, ergibt das ca. 20 Milligramm Koffein. Nach drei Minuten sind ca. 35 Milligramm Koffein enthalten.

Koffeingehalt zwischen 60 und 120 Milligramm

Ob diese 15 Milligramm bewirken können, dass Sie am Abend schlechter einschlafen können? "Ich denke, da müssten Sie schon etwas mehr davon trinken", ist Somoza überzeugt und bringt dasselbe Beispiel anhand von Kaffee: Der Brühprozess in der Filterkaffeemaschine dauert zwischen vier und acht Minuten. "Das macht einen Unterschied. Je nachdem welche Kaffeebohnen für die Röstung verwendet wurden und wie lange der Brühprozess dauerte, bewegt sich der Koffeingehalt zwischen 60 und 120 Milligramm."

Ob eine Tasse Tee jedoch eine ähnliche oder sogar stärkere anregende Wirkung hat, als eine Tasse Kaffee, hängt nicht nur vom Koffeingehalt ab: "Zwar kann die in einer Tasse Kaffee enthaltene Menge an Koffein zwischen drei- und sechsmal so hoch sein wie die in einer Tasse Tee, jedoch sind hier auch andere Inhaltsstoffe wirksam. Zudem tritt bei der regelmäßigen Aufnahme von Koffein ein Gewöhnungseffekt ein, sodass sich die anregende Wirkung einer Tasse Kaffee bei Personen, die regelmäßig Kaffee trinken, wesentlich weniger stark bemerkbar macht und auch die unterschiedliche Wirkung einer Tasse Kaffee und Tee kaum spürbar sein sollte".

Andere Zubereitungsart, andere Wirkung?

Also doch Einbildung - oder erhöhte Sensibilität. Macht die Zubereitungsart - Espresso, Filterkaffee, "türkischer Kaffee" - den Unterschied in der Wirkung aus? "Man kann die Wirkung nicht über einen Kamm scheren und auch nicht nur am Koffein festmachen", sagt Somoza, "da die unterschiedlichen Zubereitungsarten Verschiebungen im gesamten Profil der Inhaltsstoffe bedingen." Auch bei Tee könne man nicht sagen: Fünf Minuten lang gezogen wirke er so, acht Minuten lang gezogen anders, da das Inhaltsstoffprofil von Tee zu Tee unterschiedlich ist, dazu kommt das kurze oder lange Ziehenlassen.

Entkoffeinisierter Kaffee

Nach der Bekömmlichkeit von Kaffee - dem großen Getränk der Dichter und Denker - und Koffein als psychoaktive Droge aus der Gruppe der Stimulantien gefragt, desillusioniert Somoza: "Koffein kann die Produktion von Magensäure anregen. Moderater Kaffeegenuss mit dunkel geröstetem, entkoffeinierten Kaffee ist jedoch bekömmlicher", und ergänzt: "Entkoffeinierter Kaffee enthält übrigens immer noch etwa um die drei Milligramm Koffein pro Tasse."

Die Sache ist also so komplex wie sie scheint: Die Auswirkungen von Tee und Kaffee dürften sowohl von der jeweiligen Sorte, der Zubereitung, dem Ziehenlassen sowie vom Empfinden des einzelnen Menschen abhängig sein und bleiben. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 28.12.2011)