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Niko Pelinka soll aufsteigen: Die Kritik am Karriereschritt lässt vermuten, dass der Symbol der Bedrohung für viele Alte ist.

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Österreich ist ein seltsames Land. Einerseits bejammert hier der demokratische "Common Sense", dass sich junge Leute nicht mehr politisch positionieren und engagieren, andererseits versucht man jene Jungen öffentlich hinzurichten, die sich politisch bekennen und die trotzdem in einem öffentlich-rechtlichen Medium eine durchschnittliche Berufsposition einnehmen wollen, und zwar auf eine Art und Weise, die dermaßen persönlich, gehässig, giftig und so weit unter der Gürtellinie ist, dass man schon glauben muss, die Kritiker hätten nicht nur jegliche Form des Anstands, sondern überhaupt den Verstand verloren.

Vorneweg die beiden Staatskünstler Jelinek und Weibel, die die Besetzung eines Büroleiterjobs mit einem 25-jährigen zum Symbol einer Parteien- und Demokratiekrise stilisieren. Nebst dem, dass Jelinek Niko Pelinka, indem sie ihn "zum kleinen Niko" macht, auf ein elternabhängiges Kleinkind reduziert, dem keine eigene Meinung, kein selbstständiges Wollen und kein eigenständiges Handeln zukommen darf, und damit ein reaktionäres Jugendbild offenbart, das junge Menschen als unselbstständig, untüchtig und ohne Berechtigung, selbstbewusst Ansprüche erheben zu dürfen, charakterisiert, zitiert Weibel zur Beschreibung der ORF-Personalpolitik gar die Lenin-Doktrin herbei, die wiederum Jelinek nicht so schockieren dürfte, war sie doch über Jahrzehnte Mitglied einer Partei, in der alle Spitzenpositionen gemäß der Lehre des demokratischen Zentralismus von der Parteispitze ohne Mitspracherechte der heute so viel gehuldigten "Basis" besetzt wurden. Aber das ist mit ihrem Demokratieverständnis wohl leichter unter einen Hut gegangen als die "undemokratische" Besetzung einer Stabstelle in der ORF-Generaldirektion.

Oder wird hier gar die Rede von der Demokratie nur dazu instrumentalisiert, um die eigenen enttäuschten Ansprüche nach öffentlicher Anerkennung und politischem Einfluss zu verschleiern? Sind die beiden vielleicht nur beleidigt, weil sie keiner aus der Politik, vor allem aber aus der Gruppe der jungen Aufsteiger, um Rat und Beistand bittet?

Das Klein- und Niedermachen von Pelinka ist aber noch lange nicht alles aus dem Repertoire des verbalen Psychoterrors. Es passt ins Bild, dass auch noch die "Sippen" von Pelinka und SP-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas thematisiert werden. Genüsslich werden Onkel Anton und Vater Peter bei Pelinka und Onkel Andreas bei Rudas mehr oder weniger subtil ins Spiel gebracht, um neben dem Vorwurf der politischen Klüngelei auch privaten Nepotismus zu insinuieren.

Was bei vielen Kommentatoren und Kommentatorinnen auffällt, ist, dass ihnen, um einen Vergleich aus dem Fußball heranzuziehen, die Technik fehlt, um ein sauberes Spiel zu spielen. Aus diesem Grund gehen sie direkt, bissig und boshaft auf den Mann oder die Frau, ohne sich überhaupt dafür zu interessieren oder wissen zu wollen, wo der Ball gerade läuft, worum es im Spiel überhaupt geht.

Zum ORF. Wer in Österreich weiß nicht, dass in diesem Laden jeder Posten politisch besetzt wird? Wer weiß nicht, dass dort jeder Entscheidung ein penetrantes Geschiebe und Gezerre zwischen den Parteien vorangeht? Der unabhängige Journalismus im ORF ist eine Illusion, die ein paar Wichtigmacher aus dem ORF, die selbst auf Partei-Tickets in dieses Haus eingefahren sind, nun selbstgefällig im Interesse der eigenen Karriere und Eitelkeit öffentlich und anklagend vor sich her tragen.

Trugbild Unabhängigkeit

Wer unabhängig journalistisch tätig sein will, der soll nicht nur, der muss sich vom ORF fernhalten. Denn der ORF ist staatsnah und ein von der Politik abhängiger Ort. Und die Parteien mischen sich mit Recht in den ORF ein, denn in der Politik geht es um Macht und die Medien sind neben dem materiellen Reichtum gegenwärtig der relevanteste Machtfaktor. Jeden Parteigeschäftsführer, der sich nicht in den ORF einmischt, müsste man dementsprechend sofort zumindest politisch entmündigen lassen.

Konsequent weitergedacht bedeutet dies, dass der ORF nur dann entpolitisiert werden kann, wenn man ihn privatisiert. Die Folge wäre dann, dass Menschen mit materiellem Reichtum über Posten, Programm und Politikberichterstattung entscheiden. Vielleicht wird dann neben Dieter Mateschitz auch, Gott schütze uns davor, Frank Stronach einen Sender gründen. Und wie die Vergangenheit gezeigt hat, wird sich der wohl in erster Linie gescheiterte Politiker und Medienmacher einkaufen, und keiner der Retter des freien Journalismus hätte noch ein demokratisches oder moralisches Recht, gegen solche Postenbesetzungen zu wettern, weil es in der Sphäre der "Stronachs" nicht um Demokratie und Moral, sondern um Gewinn und Verlust geht.

Argumente vorgeschützt

Aber vielleicht geht es bei der ganzen Diskussion ja gar nicht um den ORF, den unabhängigen Journalismus und die Demokratie? Vielleicht geht es um etwas, das viel tiefer liegt, möglicherweise sogar im Unbewussten vieler Kritiker und Kritikerinnen. Vielleicht symbolisiert das Wettern gegen die Bestellung eines 25-jährigen jungen Aufsteigers zum Büroleiter des ORF-Generaldirektors, nur die latente Angst einer Gruppe alt gewordener Männer und Frauen, von forschen, selbstbewussten und pragmatischen jungen Karrieristen überrollt und ersetzt zu werden? Vielleicht geht es den Kritikern gar nicht um den demokratischen ORF, sondern um die Beschwichtigung der eigenen Ängste vor dem drohenden beruflichen und politischen Ausgedinge. Die sehr persönliche, teilweise gehässige Form der Kritik eröffnet genügend Raum für eine solche Vermutung.

Und noch einmal zurück zum Ausgangspunkt. In der österreichischen Politik gibt es kaum noch junge Menschen. Das wird zu Recht problematisiert. Politische Initiativen liegen mehr denn je in den Händen, man muss es so sagen, von alten Männern, und es ist nicht immer einfach zu ertragen, ihrer betulichen und paternalistischen Rhetorik zuzuhören. Was ist das für ein gesellschaftspolitisches Symbol, wenn ein Bildungsvolksbegehren von ein paar Pensionisten auf den Weg gebracht wird? Den Inhalten und der Kommunikation hat man es zumindest ein wenig angemerkt. Es kam eher altklug und inhaltlich nicht mehr ganz so richtig taufrisch daher.

Und die Jungpolitiker und Jungpolitikerinnen? Viele haben sich vor den Karren der alten Männer spannen lassen, anstelle eigene Ideen und Initiativen zu präsentieren. Aber kann man es ihnen verdenken? Hätten sie etwas Eigenes gemacht, dann wären sie wahrscheinlich von den Alten mit dem Hinweis, dass sie im Leben zuerst einmal etwas leisten sollten, bevor sie Ansprüche und Forderungen erheben, und dass man sich als Junger in Österreich hinten anzustellen hat, aus der politischen Arena verwiesen worden. (DER STANDARD; Printausgabe, 7./8.1.2012)