Massive Kritik an Alexander Wrabetz kommt vom ORF-Zentralbetriebsrat: "Ansehen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter aufs Spiel gesetzt"

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Wien - Der ORF-Zentralbetriebsrat kritisiert ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wegen dessen Personalbestellungen in heftigen Worten. In einem offenen Brief an den ORF-Chef werfen sie diesem vor, das Ansehen des Unternehmens geschädigt zu haben. "Diesen Hasard tragen wir nicht mit, denn den hat sich eine über die Jahre hinweg loyale Belegschaft, die etliche 'Sparpakete' erdulden musste und erduldet hat, nicht verdient." Die vor Weihnachten verkündeten Entscheidungen entbehrten in einigen Fällen "jeglicher arbeitsrechtlichen Grundlage", so die Betriebsräte, die sich am Montag zu der Causa beraten hatten.

"Glaubwürdigkeitskrise des Unternehmens"

Wrabetz habe eine intern und extern diskutierte "Glaubwürdigkeitskrise des Unternehmens" hervorgerufen, schreiben die Belegschaftsvertreter. "Seit Ihrer Wiederwahl (und der Wahl der von Ihnen vorgeschlagenen Direktoren) haben Sie es geschafft, das Ansehen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter, insbesondere die gesetzlich vorgeschriebene Unabhängigkeit, die sowohl die Berichterstattung als auch 'Personen und Organe' des ORF betrifft, aufs Spiel zu setzen."

Die rechtlichen Grundlagen für die seit zwei Wochen heiß diskutierten Personalentscheidungen zieht der Betriebsrat jedenfalls in Zweifel: "Sie bestellen Dienstnehmer auf Posten, die es weder in den ORF-Organisationsanweisungen noch in den Geschäftsverteilungen oder Stellenplänen gibt. Von Arbeitsbildern ganz zu schweigen."

"Verhöhnung der ORF-Journalisten"

Dass unter anderem beim Büroleiter in der Generaldirektion eine nichtjournalistische Funktion als leitende Redakteursstelle ausgeschrieben wurde, bedeutet für den Betriebsrat "sowohl eine Verhöhnung der ORF-Journalisten als auch noch nicht absehbare steuerrechtliche Folgen für das Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter", die damit in Kauf genommen würden.

Es sei das gute Recht des Generaldirektors, sich seinen Büroleiter selbst auszusuchen, das habe "aber auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen und innerbetrieblichen Gepflogenheiten" zu erfolgen, heißt es in dem Schreiben. Man halte jedenfalls "ausdrücklich" fest, dass es nicht um die Person des bisherigen SPÖ-Stiftungsrates Niko Pelinka gehe. Denn: "Das von Ihnen verkündete Personalpaket scheint - laut (von Ihnen nicht dementierten) Presseberichten und Stellungnahmen des ORF-Redakteursrates - nahezu alle politischen Parteien des Landes befriedigen zu wollen."

Auch diese Ernennungen würden "weitgehend arbeitsrechtlicher Grundlagen und innerbetrieblicher Gepflogenheiten" entbehren, ebenso wie die "unter Nichtverständigung der zuständigen Betriebsräte überfallsartig im Stiftungsrat vorgenommene Verschiebung einer kompletten Abteilung und deren Mitarbeitern von einer Direktion zur anderen".

Der Betriebsrat appelliert an Wrabetz "dringend", seine jüngsten Entscheidungen zu überdenken - "im Interesse des sozialen Friedens im Hause, zur Vermeidung arbeitsgerichtlicher Verfahren und medienbehördlicher Beschwerden oder weiterer Klagen". (APA)

Weiter zum Wortlaut: ZBR an GD

Wortlaut: ZBR an GD

In einem offenen Brief kritisiert der Zentralbetriebsrat die jüngsten Personalentscheidungen von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und bittet ihn, diese zu überdenken. Wrabetz habe das Ansehen des Unternehmens nach seiner Wiederwahl aufs Spiel gesetzt, heißt es. Im Folgenden der Text im Wortlaut:

"Angesichts der von Ihnen aus welchen Gründen auch immer herbeigeführten und intern wie öffentlich debattierten Glaubwürdigkeitskrise des Unternehmens, der Unternehmensspitze, um genau zu sein, erlaubt sich der ORF-Zentralbetriebsrat folgendes festzuhalten:

Seit Ihrer Wiederwahl (und der Wahl der von Ihnen vorgeschlagenen DirektorInnen) haben Sie es geschafft, das Ansehen des Unternehmens und seiner MitarbeiterInnen, insbesondere die gesetzlich vorgeschriebene Unabhängigkeit, die sowohl die Berichterstattung als auch 'Personen und Organe' des ORF betrifft (§1.3 ORF-Gesetz), aufs Spiel zu setzen. Diesen Hasard tragen wir nicht mit, denn den hat sich eine über die Jahre hinweg loyale Belegschaft, die etliche 'Sparpakete' erdulden musste und erduldet hat, nicht verdient.

Ihre jüngsten Personalentscheidungen, verkündet just einen Tag vor Weihnachten, entbehren in einigen Fällen jeglicher arbeitsrechtlicher Grundlage. Sie bestellen DienstnehmerInnen auf Posten, die es weder in den ORF-Organisationsanweisungen noch in den Geschäftsverteilungen oder Stellenplänen gibt. Von Arbeitsbildern ganz zu schweigen. Sie verkünden Besetzungen (siehe Büroleitung GD, aber auch andere) noch vor gesetzlich verbindlichen Ausschreibungen (§27 ORF-Gesetz, sowie Stellenbesetzungsgesetz). Sie lassen nicht-journalistische Funktionen als (leitende) Journalisten/Redakteure ausschreiben und nehmen dabei sowohl eine Verhöhnung der ORF-JournalistInnen als auch noch nicht absehbare steuerrechtliche Folgen für das Unternehmen und die betroffenen MitarbeiterInnen in Kauf.

Wir halten fest, dass es Ihr gutes Recht ist, sich Ihren Büroleiter selbst auszusuchen - aber aus Basis der gesetzlichen Bestimmungen und innerbetrieblichen Gepflogenheiten. Erstere finden sich unter anderem in den §27.2 und §30.d des ORF-Gesetzes (fachliche Eignung und Gleichstellung). Ebenso ausdrücklich halten wir fest, dass es uns nicht um die Person des Hrn. Pelinka geht. Das von Ihnen verkündete Personalpaket scheint - laut (von Ihnen nicht dementiert) Presseberichten und Stellungnahmen des ORF-Redakteursrates - nahezu alle politischen Parteien des Landes befriedigen zu wollen. Auch diese 'Ernennungen' entbehren weitgehend arbeitsrechtlicher Grundlagen und innerbetrieblicher Gepflogenheiten. Ebenso wie die unter Nichtverständigung der zuständigen BetriebsrätInnen überfallsartig im Stiftungsrat vorgenommenen Verschiebung einer kompletten Abteilung und deren MitarbeiterInnen von einer Direktion zu anderen.

Wir ersuchen Sie dringend, Ihre jüngsten Entscheidungen zu überdenken! Im Interesse des sozialen Friedens im Hause, zur Vermeidung arbeitsgerichtlicher Verfahren und medienbehördlicher Beschwerden oder weiterer Klagen.

Weiters ersuchen wir Sie, sich an die Regeln des sozialpartnerschaftlichen Diskurses im ORF zu halten und die nötigen Initiativen zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Unternehmensführung, betreffend die parteipolitische Unabhängigkeit, rasch einzuleiten."