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Fritz Wepper wurde mit 70 noch einmal Vater.

Foto: AP/Roberto Pfeil

"Früher war es der Porsche. Heute ist es das Baby mit 70." Die Münchener Psychologin Anna Schoch hat eine klare Meinung zu den "neuen" Vätern der Promi-Welt: Schauspieler Fritz Wepper, Ex-Tagesthemen-Anchorman Ulrich Wickert: Sie werden Väter und sind 70. Späte Papas sind kein seltenes Promi-Phänomen, sondern zeigen einen gesellschaftlichen Wandel in den Industrienationen. So hat in den USA bereits jedes zehnte Neugeborene einen Vater von über 50 Jahren. In Österreich hat sich die Zahl der über 45-jährigen Väter in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt. Doch liegt dem tatsächlich nur Potenzprotzerei zugrunde, wie Psychologin Schoch meint?

Für den Entwicklungspsychologen Harald Werneck von der Universität Wien geht der hintangestellte Kinderwunsch mit dem verschobenen "Alters-Limes" einher. So nennen Soziologen das Lebensgefühl zwischen Alt- und Nichtaltsein. Tatsächlich ergab eine Emnid-Umfrage, dass sich die meisten über 60-Jährigen als zehn Jahre jünger empfinden. "Die Menschen sind gesünder und fitter also noch vor 20 Jahren - warum sollten sie dann nicht auch später ein Kind bekommen?" , fragt Werneck. Werneck hat die älteren Väter unter die Lupe genommen und kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wie sie auch für ältere Mütter gelten. "Diese Männer sind im Beruf etabliert, müssen sich nicht mehr profilieren und können mehr Zeit für ihre Kinder aufbringen", sagt er. Die von ihm befragten Männer konnten ihr Vatersein intensiver genießen. Vor allem, wenn sie bereits das Rentenalter erreicht haben. Genau das aber hält die Psychologin Anna Schoch vor allem bei Männern jenseits der 60 Jahre für ein Problem. "Da verschieben sich Rollenbilder", warnt Schoch. Zum "Großwerden" gehöre auch, dass Kinder lernen, dass die Eltern aus dem Haus gehen und arbeiten. So aber nehme der Vater die Rolle des Großvaters ein. "Das kann die Entwicklung eines Kindes nachhaltig beeinflussen", so die Psychologin.

Spermien-Qualität

Kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen die Hinweise, dass nicht nur die Qualität der Eizelle, sondern auch die der Spermien mit dem Alter abnimmt. Die Stammzellen, aus denen Spermien hervorgehen, haben bis zum 50. Geburtstag etwa 600 Teilungen hinter sich. Mit jeder Teilung steigt die Gefahr, dass sich Fehler einschleichen. So weisen einzelne Studien auf ein erhöhtes Risiko - etwa für eine Form der Kleinwüchsigkeit, Missbildungen oder gar Schizophrenie - hin. Mediziner der Mount Sinai School of Medicine in New York berichten, dass Kinder von Vätern über 50 Jahre doppelt so häufig autistisch seien wie der Nachwuchs von Männern unter 29 Jahren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen dänischen Kollegen: Sie stellten fest, dass auch das Risiko für eine sehr frühe Geburt vor der 32. Schwangerschaftswoche doppelt so hoch lag. Solche Frühchen überleben oftmals das erste Lebensjahr nicht, so die Mediziner der Universität Aarhus. Schwedische Wissenschafter vom Karolinska-Institut zeigten zudem, dass Hirntumore und Blutkrebs bei Kindern älterer Väter etwas häufiger auftraten.

Der Zusammenhang zwischen Krankheit und dem Alter des Vaters ist längst nicht so eindeutig, wie dies bei Müttern der Fall ist. Doch es stellt sich eine weitere existenzielle Frage: Ist diesen Väter klar, dass sie, wenn die Kinder im Teenageralter sind, selbst zwischen 80 und 90 sein werden? "Diese Väter gehen das Risiko ein, dass ihre Kinder sie als gebrechlich, unter Umständen als pflegebedürftig erleben", warnt Schoch. Wer im hohen Alter noch Kinder bekommt, sollte sich auch über die langfristigen Konsequenzen klar sein, so die Psychologin. (eg, DER STANDARD Printausgabe, 05.03.2012 )