Anna Sporrer (mitte), Ulli Weish und Ralf Bönt beim Club 2.

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Anstoß der Debatte: Das Wochenmagazin "Profil" meint die "Wahrheit über die Ungleichheit" zu kennen.

Cover Profil

Der "Club 2" lud am Mittwoch in ORF 2 zur Diskussion über "Mythos Einkommensschere - ein schlechter Scherz?". Auslöser war die vorletzte "Profil"-Ausgabe, die bekanntlich meinte, den wahren Gender Pay Gap aufgedeckt zu haben. Dies veranlasste den "Club 2" zu fragen: "Fühlen sich Männer durch das neue Selbstbewusstsein der Frauen bedroht?" und "Erleben wir einen Rückschritt bei der Gleichstellung?".

Zur Klärung sollten sechs Studiogäste beitragen. Warum sich darunter auch der Entertainer Alexander Geobel und die Solotänzerin Karina Sarkissova befanden, blieb über die eineinhalb Stunden dauernde Sendung hinweg ein Rätsel. Goebel moderierte zwar noch am selben Nachmittag eine Sendung auf Radio Wien zum selben Thema, hatte aber genauso wie Sarkissova absolut keine Ahnung, wovon überhaupt die Rede war. Der Rest der Runde bestand aus dem Autor Ralf Bönt ("Das entehrte Geschlecht"), dem "Profil"-Journalisten Robert Treichler, Anna Sporrer, Mitarbeiterin des Vereins Frauen-Rechtsschutz und ehemalige Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission, und der Medienwissenschaftlerin und Aktivistin Ulli Weish.

Moderiert wurde von Eva Rossmann, deren Zurückhaltung erst eine willkommene Abwechslung war. Schlussendlich verpasste sie aber praktisch jede spannende Passage, bei der einzuhaken interessant gewesen wäre.

Kompetenz nicht gefragt

Insgesamt machte der dieswöchige "Club 2" vor allem den schmerzlichen Umstand deutlich, dass bei Diskussionen über Frauenpolitik Kompetenz noch immer keine Rolle zu spielen scheint. Ach, "Mann - Frau", Löhne und das "neue Selbstbewusstsein von Frauen", das geht uns doch irgendwie alle an, oder? Doch bringt uns dieser Schlendrian, dass da doch mehr oder weniger alle was dazu sagen könnten, inhaltlich weiter? Eine thematische Entwicklung, Klärung und sogar eine produktive Annäherung, die endlich ein wenig mit der medialen Inszenierung eines "Geschlechterkampfes" hätte aufräumen können, erblühte daher leider erst gegen Ende hin. 

Davor hörten wir von dem Autor des "Profil"-Artikels "Die Wahrheit über die Ungleichheit" alles, was eben auch schon im Artikel nachzulesen war. Treichlers Wissen über frauenpolitische Fragen schien sich weitgehend auf seine kürzlich durchgeführten Recherchen zu beschränken. Alle Zahlen aus seinem Artikel kenne man längst, alles nichts Neues, konterten Weish und Sporrer zu Recht - doch das alles weiß man eben nur, wenn auch politisches Interesse jenseits eines sensationsjournalistischen Zugangs aufgebracht wird, hätte noch hinzugefügt werden können.

Immer diese blöde Karriere

Auch Ralf Bönt entlarvte sich als völlig ahnungslos, obwohl sich dieser sogar in seinem Buch kritisch mit einem Rollenbild beschäftigt, das Männer in zeitaufwendige Karrieren drängt und sie um ihre Erziehungsarbeit bringt. Ihn interessierten die Schieflagen innerhalb des "Vater-Mutter-Kind"-Konzeptes und die These, dass es eben nicht immer nur die Karriere für Männer sein muss. "Ein völlig langweiliger Mittelschichts-Bobo-Diskurs", kommentierte Weish diese Karriere-versus-Familie-Problematik, die nur eine kleine Gruppe betreffe. Bönt behauptete daraufhin, dass Feminismus doch genau das verkörpere, die gleiche Möglichkeit für Männer und Frauen, Karriere zu machen, den ungehinderten beruflichen Aufstieg. Weish diagnostizierte diese Einschätzung als die neoliberale Ausgabe feministischer Forderungen, solche Ansätze gebe es zwar und sie würden medial auch am dominantesten vertreten - dennoch sei das ein verfälschender und nur sehr kleiner Ausschnitt dessen, was Feminismus seit Jahrzehnten zur Debatte stelle.

Filialleitung? Gerne

Dieses enorm weit verbreitete Missverständnis zwischen Menschen, die mal eben nur im Vorbeigehen etwas von Feminismus mitbekommen haben, und Fachkundigen aufzuklären war die große Chance, die sonst so oberflächliche Debatte endlich auf einen vernünftigen Boden zu bekommen. Dennoch wurde sie abgebrochen, doch gegen Ende hin zum Glück zumindest in Ansätzen wieder aufgegriffen: Böhnt und Weish beschäftigten sich dann mit den sonst meist unter den Tisch fallenden Kooperationen, die endlich eingegangen werden müssten. 

Kompetent und informativ waren die Beiträge von Sporrer. Sie hinterfragte die Methoden, mit denen der "Profil"-Artikel gearbeitet hatte, ebenso wie einmal mehr die zweifelhafte Intention einer solchen Aufmachung des Themas. Sporrer bestückte den "Club 2" auch mit Beispielen aus ihrer Zeit als Vorsitzender der Gleichbehandlungskommission. Ein haarsträubender Fall: Ein Mann wollte bei einer Supermarktkette Teilzeit arbeiten, durfte aber nicht, denn der Supermarkt pflegte Männer vorzugsweise als Filialleiter einzustellen, nicht aber als Teilzeitkräfte. Das ist Frauensache. Einhelliges ungläubiges Kopfschütteln in der Runde. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 12.4.2012)