Wenn die Todesstrafe abschreckt, würde Jürgen Bodenseer über deren Wiedereinführung in "extremen Fällen" diskutieren.

Foto: Fotowerk Aichner

Bodenseer beteiligte sich an dieser Umfrage zur Todesstrafe.

Screenshot: derStandardat/burg

Bodenseers Antwort: "TODESSTRAFE!!!"

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Am Samstag hat der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident und Wirtschaftsbundobmann Jürgen Bodenseer (ÖVP) an einer Facebook-Umfrage teilgenommen. "Wie sollen Kinderschänder bestraft werden?", wollte jemand wissen. Zur Wahl standen dabei sechs Antwortmöglichkeiten, unter anderem "Kastrieren und ein paar Jahre Knast" und auch die Todesstrafe. Was Bodenseer gewählt hat, ist auf seinem öffentlich zugänglichen Profil ersichtlich: "Todesstrafe!!!". Der 65-Jährige ergänzt in seinem Eintrag, der als Screenshot auf dietiwag.org veröffentlicht wurde: "Ich wäre in krassen Fällen bei voller Zurechungungsfähigkeit für die Wiedereinführung der Todesstrafe."

Im Gespräch mit derStandard.at bestätigt Bodenseer die Echtheit dieses Facebook-Accounts. Und der Klick auf die Antwort ist offenbar kein Versehen gewesen. "Es gibt viele Fälle, wo es durchaus überlegenswert wäre, über die Todesstrafe zu diskutieren. Es ist eine ethische Frage, ob die Gesellschaft das Recht hat, andere Menschen zu töten. Aber in Extremfällen bin ich dafür, über die Todesstrafe nachzudenken." Ein solcher Extremfall ist laut Bondeseer Kindesmissbrauch, wenn nicht nachgewiesen ist, "dass es sich um ein medizinisch begründetes Fehlverhalten, also etwa eine psychische Krankheit handelt".

"Zu diskutieren ist legitim"

Ein Fall für die Todesstrafe sei etwa auch  Anders Behring Breivik. "Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich halte diesen Menschen für voll zurechnungsfähig. Er ist ein destruktives Element der Gesellschaft." Das Problem sei, dass Mörder oder Kinderschänder trotz lebenslänglicher Verurteilung nach ein paar Jahren wieder freigelassen würden. "Über die Wiedereinführung der Todesstrafe zu diskutieren ist legitim. Was dabei herauskommt, ist ein anderes Ding."

Bei der Abwägung, ob die Todesstrafe wieder eingeführt werden soll, müsse jedoch zuerst empirisch untersucht werden, ob diese eine abschreckende Wirkung hat. "Wenn sich herausstellt, dass durch die Todesstrafe extreme Kindesmisshandlungen oder Mord verhindert werden können, dann sollten wir darüber diskutieren, was mehr wiegt", sagt Bodenseer, der ausgebildeter Jurist ist.

"So ähnlich wie bei der Abtreibung"

Ob Bodenseer sich darüber im Klaren ist, dass er mit seinem Vorstoß an einem gesellschaftlichen Tabuthema rührt, ist die Todesstrafe doch unvereinbar mit den Menschenrechten? "Mein Gott, das ist eine ethische Frage, ob ein Mensch den anderen töten darf. Das ist so ähnlich wie bei der Abtreibung."

Und wie passt das zusammen, dass jemand, der dem christlichen Lager angehört, eine Diskussion zur Wiedereinführung der Todesstrafe anregen will? Heißt es doch im fünften Gebot: "Du sollst nicht töten." Dazu sagt Bodenseer: "Es gibt vieles, was in der christlichen Soziallehre verboten ist. Auch viele Priester halten sich nicht daran. Außerderm heißt es ja 'Du sollst nicht töten' und nicht 'Du darfst nicht töten'."

Bodenseer wurde am Dienstagabend laut der "Tiroler Tageszeitung" zum fünften Mal zum Obmann des Wirtschaftsbundes Tirol gewählt. Gegenkandidaten gab es keine.

Abschaffung der Todesstrafe 1950

In Österreich einigte sich der Nationalrat im Mai 1950 auf die Abschaffung der Todesstrafe, nachdem zwei Monate zuvor die letzte "ordentliche" Hinrichtung stattgefunden hatte. Bei dem Delinquenten handelte es sich um einen wegen Dreifachmordes schuldig gesprochenen Mann. Die letzte Hinrichtung auf österreichischem Boden wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht im Februar 1955 an einem Aufseher des Konzentrationslagers Mauthausen vollzogen.

Angelika Hörmann, Sprecherin der Grünen Wirtschaft, forderte unterdessen via Aussendung den Rücktritt Bodenseers. Seine Forderung sei ein weiteres Zeichen dafür, dass Bodenseer den Bezug zu den Grundlagen des österreichischen Rechtssystems verloren habe. Er habe sich durch seine Aussagen als unwürdig erwiesen, die Tiroler Unternehmer und Unternehmerinnen zu vertreten. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 17.4.2012)