Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at
Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at

Manche der seltenen Zitrusbäume sind so alt, dass auch Kaiserin Sisi sich ohne weiteres am Duft ihrer Blüten und dem Fleisch ihrer Früchte gütlich getan haben könnte. Heute sind sie Spitzenköchen wie Heinz Reitbauer vorbehalten.

Foto: Katharina Seiser / www.esskultur.at

Heimo Karner lässt sich gerne auf die Probe stellen. Ob er Zitronatzitronen habe? Selbstverständlich, kindskopfgroße sind auch dabei, gleich an der Hausmauer des Verwaltungsgebäudes. Calamansi, die in Südostasien so beliebte saure kleine Orange, die jedem pikanten Gericht dort die erfrischende Note verleiht, in Europa nicht aufzutreiben? Bitte schön, der Baum trägt Massen davon! Pomeranzen? Natürlich, von 180 Jahre alten Bäumen. Kaffirlimetten? Limequats? Australische Fingerlimetten? Bergamotten?

Buddhas Hand, jene wie eine schlanke Hand mit vielen Fingern geformte Zitronatzitrone, die in der Spitzengastronomie ähnlich wie Trüffel mit weißen Handschuhen und einem Hobel zelebriert wird? Klar, vermehren wir seit über einem Jahrzehnt selbst. Nicht einmal mit der Frage nach Meyer Lemons, die in ihrer Heimat USA fast kultisch verehrte und nicht exportierte Zitronen-Orangen-Kreuzung kann man den Zitrusgärtner in Verlegenheit bringen. Steht unten im anderen Gewächshaus neben der Limonade, sagt er. Heimo Karner meint kein Getränk, sondern eine Zitrussorte, die Heinz Reitbauer vom Steirereck besonders gerne verwendet. Dafür muss der ausgewiesene Zitrusfreak aber nicht nach Sizilien fahren, sondern nur nach Schönbrunn. Karner betreut dort die historische Zitrussammlung.

Sissis Pomeranzen

Zitrusfrüchte werden in Schönbrunn seit mindestens 365 Jahren kultiviert - so weit reichen die Aufzeichnungen zurück. Orangerien waren Statussymbole und die zugehörigen Gebäude zum Überwintern der empfindlichen Rautengewächse technische Meisterwerke. Sogar ein Orangeriekrankenhaus gab es Mitte des 19. Jahrhunderts in Schönbrunn - mobile, beheizbare Holzbaracken mit Fenstern, um die kränkelnde, vernachlässigte Sammlung wieder aufzupäppeln. Auch Karner hat vor knapp 15 Jahren eine nicht gerade gut gepflegte Sammlung aus 50 Bäumen übernommen. Weil er aber gleich nach seiner Ausbildung zum Gärtner begonnen hat, aus Zitruskernen Wildlinge zu ziehen, sind ihm die immergrünen, stets blühenden und gleichzeitig fruchtenden Zitrusfrüchte bald ans Herz gewachsen.

Bei den Bundesgärten hat man Karners Händchen für die nicht gerade pflegeleichten Pflanzen erkannt und ihm 1998 die wertvolle Sammlung übertragen. 400 Bäume aus knapp 100 Arten und Sorten sind es heute, darunter rund 30 historische. Die ältesten - Pomeranzen, Zitronen und eine Mandarine - sind rund 180 Jahre alt. Könnte durchaus sein, dass Kaiserin Sisi sich am Duft der Blüten - Neroli - erfreut oder Marmelade aus den Früchten jener Bäume gegessen hat, die heute vier bis fünf Meter hoch der Stolz des Zitrusgärtners sind.

Zitrusguru mit drei Jüngern

Von Mai bis Ende September kann man die Zitrussammlung im Kronprinzengarten besichtigen. Dort ist ein Teil der 400 Pflanzen über den Sommer nach historischem Muster aufgestellt. Der Garten ist versperrt und nur gegen einen kleinen Obolus zu besichtigen - das schützt zwar vor Vandalismus, aber auch vor Bekanntheit. Selbst die grün lackierten Holzkübel werden eigens von einem Fassbinder in Schönbrunn gefertigt.

Doch die ganze Pracht gibt's nur an vier Tagen im Jahr zu sehen und kosten: bei den heuer zum 12. Mal stattfindenen Wiener Zitrustagen, organisiert von der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft und den Bundesgärten. Wenn Heimo Karner Zeit hat, zeigt er seine Schätze gerne selbst her. Mit einem alten, vergilbten Bestimmungsbuch unter dem Arm und seiner Gartenschere in der Hand streift er von Baum zu Baum und erzählt von panaschierten Orangen, Landsknechthosen (seiner Lieblingssorte) und rosafarbenen Zitronen. Die sattgrünen, glänzenden Blätter, duftenden Blüten und stark riechenden Schalen der Raritäten verdrehen einem im Vorbeigehen den Kopf.

Botanischer, historischer und kulinarischer Schatz

Karner, der sich wegen seiner gesunden, schönen Bäume längst einen Ruf als Zitrusguru erarbeitet hat und auch die spezielle Zitruserde u. a. aus vier Jahre kompostiertem Laub und Pferdemist selbst herstellt, will unbedingt den Arbeitskreis Orangerien erwähnt wissen, der europaweit Know-how, Pflanzen und sogar Erde austauscht. Von der Leidenschaft profitieren aber nicht nur Zitrusgärtner/innen, sondern auch einige wenige Köche. Neben Heinz Reitbauer sind das Peter Zinter vom Restaurant Vincent und Christian Domschitz vom Vestibül. Sie haben als Erste und bis dato Einzige erkannt, in welcher Qualität hier völlig unbehandelte Zitrusfrüchte zum Greifen nahe wachsen.

Sie sind fest und glatt, duften intensiv und halten selbst bei Zimmertemperatur wochenlang. Dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, Emperors-Choice-Marmeladen, Eau de Sisi oder Kaiserkracherl aus dem Schönbrunner Gold anzubieten, ist verwunderlich. Österreichs wichtigste Tourismusdestination beherbergt einen botanischen, historischen und kulinarischen Schatz, der noch nicht einmal als solcher erkannt wird. (Katharina Seiser, Rondo, DER STANDARD, 4.5.2012)