Die ersten Hochrechnungen waren noch nicht veröffentlicht, da traten Griechenlands Konservative und Sozialisten am Sonntagabend in ihren Athener Parteihauptquartieren zu Krisensitzungen zusammen. Hochrechnungen des Innenministeriums zeigten, dass die bisher gemeinsam regierenden Nea Dimokratia (ND) und Pasok nicht mit einer Mehrheit im neuen Parlament rechnen können. Nach den ersten Parlamentswahlen seit Beginn des Sparkurses steuert Griechenland in eine politisch ungewisse Zukunft.

Beide Parteien erreichten demnach zusammen mit allenfalls 40 Prozent kaum die Hälfte der Stimmen von den letzten Wahlen 2009. Als zweitstärkste Kraft schob sich das links stehende Bündnis Syriza unter Führung von Alexis Tsipras noch vor die Pasok. Doch auch den linksgerichteten Parteien, die den Sparkurs ablehnen, fehlt eine Mehrheit zum Regieren.

Sowohl für den ND-Chef Antonis Samaras wie für den früheren Finanzminister und jetzigen Vorsitzenden der Pasok, Evangelos Venizelos, ist die Wahl eine vernichtende Niederlage. Samaras hatte allen Umfragen zum Trotz beharrlich für eine eigene Regierungsmehrheit geworben und eine Koalition mit der Pasok von sich gewiesen. Nun müssen sich ND und Pasok wohl um Bündnispartner unter den kleinen Parteien bemühen. Denkbar ist eine Unterstützung durch die pro-europäische Demokratische Linke von Fotis Kouvelis.

Unsicher war, ob die liberale Demokratische Allianz der früheren Außenministerin Dora Bakoyannis den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde schafft. Die faschistische Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) zieht mit möglicherweise 20 Abgeordneten ins griechische Parlament ein.

30 Jahre lang hatten die Griechen zumeist entweder für Nea Dimokratia oder die Sozialisten gestimmt. Knapp zehn Millionen Bürger waren aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen.

Lukas Papademos, der Ex-Zentralbanker und noch amtierende Übergangspremier, zeigte sich am Wahltag ernst und versuchte gleichzeitig zu beruhigen. "Noch diese Woche" werde es eine Regierung geben, behauptete er. Es sei kein Platz für Zweifel, für Zögern. Der IWF hatte gewarnt: Jeder Fehltritt würde zu einem ungeordneten Bankrott des Landes führen. Die Märkte warten nur darauf. Um drei Prozent würde der Euro sofort gegenüber dem Dollar zulegen, wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheide, sagten Analysten vor dem Wahlwochenende. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 7.5.2012)