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Wo geht's lang in Athen? Soldaten der griechischen Präsidentengarde bei einer Zeremonie am Grab des unbekannten Soldaten vor dem Parlament.

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Konservativen-Chef Antonis Samaras (li.) im Gespräch mit PASOK-Chef Evangelos Venizelos.

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Nichts ist mehr wie früher: Die Parlamentswahl hat PASOK und Nea Dimokratia zu mittelgroßen Parteien degradiert. Ihnen fehlt ein dritter Partner für eine Koalition. Doch auch die Linke kann nicht regieren.

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Graphik: STANDARD

Sarkasmus und Triumph herrschen in Athen am Tag nach den Wahlen, die Griechenlands politische Kräfteverhältnisse auf den Kopf gestellt haben. "Die Griechen haben gewählt", heißt es bitter am Parteisitz der Nea Dimokratia in der Syngrou Avenue im Süden der Hauptstadt. Die Gefolgsleute von Antonis Samaras fühlen sich unverstanden.

Es ist der Absturz der konservativen Partei auf 18 Prozent, weitaus schwerer als erwartet, der eine Koalition der Kreditunterzeichner unmöglich macht. Führungslos schlittert Griechenland nun in eine Zeit der politischen und wirtschaftlichen Instabilität. Neuwahlen schon im nächsten Monat scheinen noch der wahrscheinlichste Ausweg.

Zwei Sitze fehlen Nea Dimokratia und Pasok zur Mehrheit im Parlament, und dann - so hatte Pasok-Chef Evangelos Venizelos noch in der Wahlnacht festgestellt - wäre die politische Basis immer noch nicht breit genug, um den Sparkurs zur Rettung Griechenlands weiter zu verfolgen. "Die Parteien, die ohne die Zustimmung der Griechen die Kreditprogramme unterschrieben haben, sind in der Minderheit", jubelte dagegen Alexis Tsipras, der Linkspolitiker und Wahlsieger. Er konnte den Anteil seines Linksbündnisses Syriza mit knapp 17 Prozent fast vervierfachen.

"Barbarische Memoranden"

Tsipras reckt die rechte Faust in die Höhe unter dem Applaus der Wartenden am Koumoundourou-Platz, als er Sonntag kurz vor Mitternacht aus dem Parteigebäude von Syriza eilt und sich zum nächsten Termin fahren lässt. "Europas Völker können nicht mit barbarischen Memoranden versöhnt werden." Zwei solcher Memoranden mit den Sparauflagen hatte Griechenland unterzeichnet, als es die Rettungskredite von 110 und später 130 Milliarden Euro angenommen hatte. Tsipras kündigte eine Regierung der "linken Kräfte" an, um die Memoranden abzuschaffen. Doch auch ihm fehlen die Stimmen.

Die "Wahl der Wut"

"Dies war eine Wahl der Wut", sagt Yiannis Loulis, ein Politikberater und langjähriger Beobachter der Parteien. "Die Leute waren nicht interessiert an Programmen oder Problemlösungen. Ihre Einstellung zu den Regierungsparteien war: 'Redet mir nicht vom Euro, lasst mich in Ruhe mit diesem Schäuble.'" Die Griechen habe nicht gekümmert, was am Tag nach den Wahlen sein würde, glaubt Loulis. "Lasst die Parteien das erledigen. Sie haben den ganzen Schlamassel angerichtet", sei ihre Ansicht gewesen. Gut möglich, dass sie das nun bedauern, fügt der Politikberater hinzu.

Als Chef der relativ größten Partei im nächsten Parlament erhielt Samaras von Staatspräsident Karolos Papoulias am Nachmittag den Auftrag zur Koalitionssuche. Wenige Stunden später war er gescheitert: "Ich habe das Mandat zurückgegeben", sagte er, nachdem er Tsipras und Venizelos getroffen hatte, er sei "nicht in der Lage eine Regierung zu bilden". Nun wird erwartet, dass der Staatspräsident am Dienstag Tsipras als Führer der zweitstärksten Fraktion mit den Sondierungen betrauen wird.

Wenn einer der Koalition der Sparkursbefürworter die notwendigen Stimmen verschaffen hätte können, dann wäre es Fotis Kouvelis. Der Altkommunist, ein Pro-Europäer, bringt seine Partei Demokratische Linke mit 19 Sitzen ins Parlament. Doch er winkte schon zu Mittag ab. Er sei nur bereit, an einer "Koalition der progressiven Kräfte" mitzuwirken, hatte er erklärt. Zu groß ist die Dynamik auf der Linken durch den Wahlsieg von Syriza geworden. Tsipras' Linksbündnis und die Kommunisten können mehr denn je die Straße mobilisieren. So war Samaras' Koalitionssuche aussichtslos, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Warten auf die Revolution

Tsipras' Linksregierung zusammen mit den Kommunisten der KKE und Kouvelis hätte jedoch nicht genug Stimmen. Aleka Papariga, die Vorsitzende der KKE, hat eine Koalition zudem kategorisch ausgeschlossen. Verächtlich sprach sie von den "neuen Sozialdemokraten" der Tsipras-Truppe. "Papariga wartet auf die Revolution", kommentierten ironisch Twitterschreiber in der Wahlnacht.

Den dritten und letzten Part der Koalitionssuche wird dann Pasok-Chef Venizelos übernehmen. Der griechische Staatspräsident kann nach diesen zehntägigen Bemühungen theoretisch eine Notregierung zusammenstellen lassen oder aber gleich Neuwahlen ausrufen lassen. Darauf setzt bereits Evangelos Venizelos, der frühere Finanzminister. Die Wut der Griechen auf die Sparkursparteien, so hofft er, sei dann verraucht. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 8.5.2012)