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Nächtliche Ruhe und beim Nichtstun auch noch abnehmen - klingt paradiesisch.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Es klingt zu bequem, um wahr zu sein: Während der wohlverdienten Nachtruhe purzeln überflüssige Kilos wie von selbst. Das versprechen zumindest diverse "Schlank im Schlaf"-Diäten.

"Abnehmen im Schlaf kann man nicht", lautet hingegen die nüchterne Feststellung von Angelika Kugi, Internistin und Spezialistin für Schlafmedizin am LKH Villach. Eindeutig wissenschaftlich untersucht sei vielmehr das umgekehrte Thema: Es gibt eine im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Interaktion zwischen einer zu kurzen Schlafdauer und der massiven Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit. "Wir schlafen in den vergangenen vier bis fünf Jahrzehnten durchschnittlich um zwei Stunden weniger. Diese Schlafrestriktion geht einher mit der Adipositaspandemie", sagt die Medizinerin.

Ein Trost für die hoffnungsfrohen Diätwilligen fällt daher dennoch ab: Schlafen sie mehr, haben sie kurzum zumindest ein geringeres Risiko, dick zu werden. Immerhin. Und das belegen eine Fülle von wissenschaftlichen Untersuchungen. "Es gibt sogar Forschungsarbeiten darüber, wie viel Gewichtszunahme schon jede halbe Stunde weniger Schlaf bei Kindern bewirkt", so Kugi.

Warum der Mensch Zeit zum Schlafen braucht

Dass das so ist, hat vier Gründe. Zwei simple: Sind wir länger wach, haben wir mehr Zeit zu essen. Haben wir zu wenig geschlafen, sind wir müde, bewegen uns weniger und verbrauchen daher weniger Energie. Das bedarf keiner weiteren Erklärung. Und zwei komplexere: unsere Hormone und die körpereigene Thermoregulation.

Hormone spielen eine große Rolle für das individuelle Hungergefühl: Wenn wir weniger schlafen, haben wir mehr Hunger. Das erfahren Nachtschichtarbeiter am eigenen Leib. "Ist die nächtliche Schlafzeit zu kurz, kommt es zu Veränderungen in den Hormonen Leptin und Ghrelin, die den Sättigungshaushalt steuern", so Kugi. Leptin wird in den Fettzellen produziert und ist das Sättigungshormon - es nimmt ab, wenn der Schlaf zu kurz ist. Das Hungerhormon Ghrelin nimmt hingegen zu. Das bedeutet, wir haben mehr Hunger und noch dazu Appetit auf ungesunde und hochkalorische Nahrungsmittel, wie die Internistin weiß.

Eine weitere Rolle spielt der Wärmehaushalt, den Kugi folgendermaßen erklärt: "Die Schlafdauer beeinflusst die körpereigene Thermoregulation. Zu wenig Schlaf verändert den menschlichen Energiehaushalt, der uns Wärme zur Verfügung stellt. Als Konsequenz brauchen wir weniger Energie, um eine gewisse Körpertemperatur aufrechtzuerhalten." Weniger Energieverbrauch bedeutet für den Körper ein Mehr an überflüssigen Kalorien. Das bestätigt auch eine Bostoner Studie, für die rund 20 Probanden ein Teil des Nachtschlafs entzogen wurde. Die Folge: Die Leistung des Stoffwechsels war laut den Forschern dermaßen herabgesetzt, dass das für die Studienteilnehmer - umgerechnet auf ein Jahr - ein Mehr an sechs Kilogramm bedeutet hätte.

Schlank im Schlaf

Nicht bestätigen kann die Internistin die Theorie, dass ein im Tiefschlaf produziertes Wachstumshormon unmittelbar mit einer Gewichtsabnahme in Verbindung steht. Der damit assoziierten "Schlank im Schlaf"-Diät stellte die Zeitschrift "Konsument" zwar ein seriöses Zeugnis aus. Jedoch ist das Programm viel umfassender, Diätwillige müssen dabei sehr viel selber tun, um tatsächlich Kilos zu verlieren - nämlich viel Bewegung betreiben und naturgemäß vernünftig essen. Ein ausgefeiltes Programm ist die Basis zum Gewichtsverlust, ohne Zutun passiert gar nichts.

Zu viel Licht für unseren Stoffwechsel

Vielmehr kommt noch ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor hinzu: die Lichtverschmutzung. Heute ist es permanent viel heller auf der Welt als noch vor Jahrzehnten - auch in der Nacht. Sehr schön ist diese Tatsache auf diversen Satellitenaufnahmen zu erkennen. "Man weiß, dass die Nahrung anders verstoffwechselt wird, wenn es heller ist", sagt Angelika Kugi. Die innere Uhr der Zellen, die unter dem Einfluss des Lichts vom Hypothalamus im Gehirn gesteuert wird, werde dabei nämlich durcheinandergebracht. Denn jede einzelne Fettzelle weiß seit Menschengedenken, wann und wie sie am besten arbeitet.

Brennt beim nächtlichen oder abendlichen Essen Licht - auch wenn es nur gedimmt ist -, führt das zu einer schlechteren Verstoffwechselung. Wer also in der Stadt wohnt, wo die Lichtverschmutzung am größten ist, ist eher betroffen als Bewohner ländlicher Gegenden - abgesehen davon, dass wir auch unsere Wohnungen beleuchten.

Wer übrigens hofft, dass wilde Träume wenigstens ein paar Kalorien purzeln lassen, muss ebenso enttäuscht werden. Unsere Augen bewegen sich während der REM-Phase, in der wir träumen, zwar schnell und wir atmen maximal etwas schneller. Aber das war es dann auch schon. Immerhin: Das geschieht zu unserem eigenen Schutz - wildes Um-sich-Schlagen im Traum könnte womöglich den Bettnachbarn oder den Träumer selbst verletzen. Falls das dennoch passiert, könnte es sich um eine seltene neurologische Schlafstörung handeln, die einer weiteren Abklärung bedarf und eventuell Vorbote eines Morbus Parkinson ist. (Marietta Türk, derStandard.at, 23.5.2012)