"Ich gehe nicht, wenn ich sehe, dass die Zukunft noch nicht optimal vorbereitet ist", sagt Franz Voves.

Foto: Der Standard/JJ Kucek

"I love Styria. Das Wiener Parkett: Da ist ein Nichtwiener chancenlos. Ich meine das nicht böse. Das ist einfach so."

Foto: Der Standard/JJ Kucek

STANDARD: Ihr Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz ist Ende Juni vorbei. Zuletzt schwärmten Sie von der Stimmung in der Konferenz. Sind Sie ein besserer Mediator als die Vorsitzenden vor Ihnen?

Franz Voves: Das würde ich mir nie einbilden. Nein, ich glaube, dass wir gezeigt haben, dass wir Teamworker mit Verantwortung sind. Nicht nur was Länderinteressen anlangt, sondern auch, wenn es um Interessen der Republik geht. Die Art, wie wir zum Stabilitätspakt 2012 gekommen sind, hat das unter Beweis gestellt. Aber das hat schon einiges an Koordinationsarbeit verlangt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass alle neun Landeshauptleute Sanktionen einstimmig beschlossen haben.

STANDARD: Im Bund hörte man nur, die Länder hätten sich durchgesetzt.

Voves: Wir sind überhaupt keine Blockierer. Auch was sich in der Gesundheitsreform jetzt entwickelt, ist ein toller Erfolg.

STANDARD: Warum wird das in Wien anders kommentiert?

Voves: Das ist mir unerklärlich. Die Verwaltungsgerichte, die Gesundheitsreform, ein sinnvoller erster Schritt mit der Transparenzdatenbank - ich glaube, da ist wirklich Gutes passiert.

STANDARD: Aber die Länder ließen sich nichts vom Bund diktieren.

Voves: Wir haben uns von der Finanzministerin nichts diktieren lassen, weil wir mit Kanzler und Vizekanzler klare Rahmenbedingungen vereinbart haben.

STANDARD: Laut Umfragen haben 89 Prozent der Bürger kein Vertrauen mehr in die Politik. Können Sie da überhaupt noch gegensteuern ?

Voves: Man hat kein Vertrauen mehr in die Strukturen der ehemaligen Großparteien. Der Vorwurf der Intransparenz, der Trägheit in der Entscheidungsfindung und der Personalauswahlkriterien in den Parteiapparaten besteht zu Recht. Ohne Öffnung werden SPÖ und ÖVP in den nächsten zehn Jahren keine Chance mehr haben.

STANDARD: Was heißt Öffnung?

Voves: Wir arbeiten in der Steiermark an einer Parteireform. Wir brauchen eine effizientere Stammorganisation und eine neu aufzubauende Zielgruppenorganisation. Dafür will ich die Menschen zu unterschiedlichsten Plattformen und Themenbereichen gewinnen. Menschen, die keine Parteimitglieder sind, sollen an einem sehr offenen Diskussionsprozess teilnehmen. Öffnen heißt erstens: Was an Themen von außen eingebracht wird, muss Teil der programmatischen Arbeit werden. Zweitens muss man Frauen und Männern von außen, die sich einbringen, auch Mandate geben.

STANDARD: Aber diese Plattformen, neue soziale und politische Initiativen oder Parteien wie die Piraten, gibt es ja bereits.

Voves: Wir müssen auch auf diese Bewegungen zugehen und sie einladen, ein Stück des Weges mit uns zu gehen. Ich habe die höchste Wertschätzung für unsere ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre in der Stammorganisation der SPÖ. Wir werden sie auch weiterhin sehr brauchen. Aber es muss künftig ein zweites Herzstück geben. Und dazu brauche ich neue, authentische Menschen von außen.

STANDARD: Wie offen sind Sie für Modelle der direkten Demokratie?

Voves: Wenn uns die Parteienöffnung gelingt, bin ich weiter für eine starke repräsentative Demokratie. Ich bin überzeugt davon: Wir sind nicht die Schweiz. Ich glaube nicht, dass man bei uns damit zu den notwendigen schnellen Entscheidungen kommt, die Österreich braucht. Diese Modelle der direkten Demokratie entsprechen nicht unserer Tradition.

STANDARD: Was meinen Sie damit? Die katholisch-habsburgische Devotheit, die versäumte Aufklärung Österreichs?

Voves: Nein, ganz pragmatisch: Wer geht bei uns zu Volksabstimmungen? Doch nur die, die gegen etwas sind. Die, die dafür sind, gehen meist nicht hin. Man kann sich vorstellen, was da rauskommen könnte bei wichtigen Fragen. Ich bin da eher für ein Mehrheitswahlrecht. Wichtig ist, dass wir rasch die Parteien öffnen. In der Steiermark müssen wir bereits 2015 neu organisiert in die Wahl marschieren.

STANDARD: Im Bund ist es wohl zu spät für SPÖ und ÖVP für Parteireformen bis zur Wahl.

Voves: Ich war wirklich einer der Ersten, der gewarnt hat: Wenn ihr so weitertuts, ist Strache Erster. Da habe ich wieder gehört: Oje, der E. T. hat sich wieder zu Wort gemeldet.

STANDARD: Und wenn sich im Bund 2013 keine Mehrheit mehr mit SPÖ und ÖVP ausgeht?

Voves: Ich habe die Sorge, dass nach der Nationalratswahl drei Parteien notwendig sein werden, um überhaupt regieren zu können. Sie können sich vorstellen, was das dann bedeutet.

STANDARD: Rot-Schwarz-Grün?

Voves: Ich bin in schwierigen Zeiten nach wie vor für eine Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ. Natürlich macht das nur Sinn, wenn alle handelnden Personen miteinander können.

STANDARD: Wäre Heinz-Christian Strache möglich als handelnde Person?

Voves: In keiner Weise. Es geht eher um die Grundsatzfrage: Sind ÖVP und SPÖ in Zukunft bereit zu einer neuen Form der Zusammenarbeit, mit einer Offenheit, wie wir sie hier in der Steiermark jetzt praktizieren? Wir sind jedenfalls g'scheiter geworden.

STANDARD: Aus einem Bundesland heraus redet es sich leichter.

Voves: Wissen Sie, warum wir leicht reden? Weil der Hermann Schützenhöfer und ich ein bestimmtes Alter erreicht haben. Und das ist traurig. Weil sich das immer nur Ältere trauen, die nicht unbedingt ihre Karriere fortsetzen müssen. Wie schaut es denn sonst aus? Alle sind zum Siegen verdammt. Du musst immer die nächste Wahl gewinnen.

STANDARD: Wie lange wollen Sie in der Politik bleiben?

Voves: Ich möchte 2013 Bilanz ziehen: Sind unsere Reformen angenommen worden oder nicht? Ich muss respektieren, was aus der Partei, was aus der Bevölkerung kommt. Ich bin Demokrat. Wenn es ein gutes Feedback gibt, ist das natürlich eine Motivation, nachzudenken. Übers Bleiben. Aber wenn ich spüre, dass das Potenzial an jungen Leuten schon bereit ist, dann bin ich der Letzte, der den richtigen Zeitpunkt nicht erkennen will. Ich gehe aber nicht, wenn ich sehe, dass die Zukunft noch nicht optimal vorbereitet ist.

STANDARD: Wenn für Sie in der Steiermark die Arbeit getan ist, sind Sie bereit für einen nächsten Schritt, für einen Ministerjob etwa?

Voves: I love Styria. Das Wiener Parkett: Da ist ein Nichtwiener chancenlos. Ich meine das nicht böse. Das ist einfach so. In der Steiermark weiß ich ganz genau, wer warum auf mich zukommt, wer vorgeschickt wird, was signalisiert werden soll, wenn ein Chef eines Medienkonzerns bei mir auftaucht. Aber da beißt man sich bei mir eh die Zähne aus. Da kenne ich jedenfalls die Netzwerke, die Augen, die Sprache. Wenn du in Wien die Netzwerke nicht beherrschst, kannst du nicht Erster oder Minister sein.

STANDARD: Die Ministerien könnten ja zu Ihnen kommen. Was wurde aus der Idee, Ministerien in die Bundesländer zu verlegen? Das Bildungsressort etwa nach Graz?

Voves: Es müssen nicht alle Ministerien in Wien sein. Das ist durchaus eine verfolgenswerte Idee. (Walter Müller/Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 25./26./27.5.2012)