Ellie und Joel

Foto: Sony

Wenn das US-Studio Naughty Dog für eine Eigenschaft bekannt ist, dann ist es die Liebe zum Detail, die in jedem seiner Spiele steckt. Sei es der Plattformer "Jak & Dexter" oder das preisgekrönte Schatzsucherepos "Uncharted". Letztere zeichnete sich überdies durch eine bislang nicht gekannte Verstrickung von Gameplay und Story aus, um ein Abenteuer zu realisieren, das "Tomb Raider" genauso wie "Indiana Jones" alt aussehen ließ. Mit ihrem neuesten Werk "The Last of Us" betreten die Branchenveteranen düsterere Gefilde und legen die heroische Leichtigkeit ihrer vorangegangenen Helden ab. In dem Ende des Jahres erscheinenden Action-Adventure für PS3 versetzen sie die Spieler in die Rolle von Joel und dessen junge Gefährtin Ellie, zwei von wenigen Überlebenden nach einem mysteriösen Virusausbruch.

Überlebenskampf

In der Apokalypse hat die Natur die Oberhand über Städte gewonnen. Vereinzelte Gruppen von Menschen haben sich zusammengetan, um im erbarmungslosen Kampf um Nahrung und Unterkünfte eine Chance vor der im Dunklen lauernden Bedrohung zu haben: Zombies.

So sucht sich das ungeleiche Duo zwischen den Bedrohungen ihren eigenen Weg aus dem Weltuntergang und muss sich den unterschiedlichsten Gefahren stellen. Wie schon bei "Uncharted" ist auch der gespielte Überlebenskampf eng mit der Erzählung verschmolzen. Dialoge fließen nahtlos in das Geschehen ein, das Schicksal der beiden offenbart sich einem sprichwörtlich im Vorübergehen.

Härte

Doch im Unterschied zu Nathan Drakes Abenteuern, wird die permanente Bedrohung zum Kernthema. Bei der Exploration der Umwelt und der Suche nach dem nächsten Ausweg, werden Auseinandersetzungen mit Banditen oder Mutanten als traumatische Ereignisse inszeniert. Gegner sind kein Kanonenfutter, sondern selbst ums Überleben ringende Wesen. Das zeigt sich an der brachialen, aber realistisch anmutenden Härte der Kämpfe. Schusswaffen sind Mangelware und so wird praktisch jeder Gegenstand zur Waffe. Weil die Aussicht auf den vorzeitigen Tod bei offener Konfrontation gut ist, schleicht man sich an, lenkt Feinde ab und schlägt aus dem Hinterhalt zu. Mit einem Ziegelstein wird der Kopf eines Wachposten eingeschlagen, um daraufhin den nächsten im Würgegriff außer Gefecht zu setzen und den dritten mit einem gezielten Schuss ins Jenseits zu schicken. Wie die gesamte Welt wirken diese Momente derart authentisch, dass man als Zuseher Angst vor Kämpfen entwickelt. Man hat das Gefühl, dass es wirklich um etwas geht. Nicht um einen Highscore, sondern um die Rettung der Protagonisten, das Überleben.

Emotional

Dazu beiträgt gewiss, dass diese Härte in eine facettenreiche Welt eingespannt ist. Joel musste zusehen, wie seine Familie und Freunde durch die Seuche starben. Abgestumpft durch die tragischen Erlebnisse in den Quarantäneszonen ist er emotional genau das Gegenteil zur optimistishen Ellie, die erst nach dem Ausbruch zur Welt gegekommen ist. Ihre Vorleben und Erfahrungen werden Teil der Reise. Stoßen sie etwa auf ein Filmplakat, beginnen sie sich über alte Zeiten zu unterhalten - alles während man sich als Spieler überlegen muss, wie man aus dem verwucherten Betondschungel kommt. Im Laufe der Geschichte wird man zudem auf friedliche Mitmenschen treffen, die die Rolle von Sammlern eingenommen haben. Zentral ist, dass man sich abseits des Handlungsstrangs selbst entscheiden kann, wie man überlebt. Das fängt dabei an, dass man gesammelte Gegenstände aufnehmen und später zu nützlichen Werkzeugen oder Erstehilfepaketen kombinieren kann und kulminiert in den Begenungen mit Gegnern. Schleich- und Action-Elemente werden nahtlos kombiniert.

Anspruchsvoll

Dem Ersteindruck nach haben die Schöpfer viel von "Uncharted" gelernt und basierend auf den Gameplay-Stärken der Serie ein "erwachseneres" Survival-Abenteuer geschaffen. Die Charaktere sind greifbar, die apokalyptische Spielwelt beeindruckend und der Kampf ums Überleben erzeugt Gänsehautstimmung. Bleibt zu hoffen, dass der Ersteindruck nicht täuscht. Ansonsten hat Naughty Dog neuerlich einen Kandidaten für das "Spiel des Jahres" in petto. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.6.2012)