Wien - Erwartungsgemäß erbost über die Pläne der rot-grünen Koalition in Wien, das Parkpickerl im Herbst einzuführen und erst später eine Volksbefragung abzuhalten, haben sich am Dienstag die Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ gezeigt. "Die Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung mit 1. Oktober vor einer Befragung durchzuführen, ist eine Verhöhnung der Bevölkerung und eine Bankrotterklärung der rot-grünen Stadtregierung", erklärte sich VP-Landesparteiobmann Manfred Juraczka in einer Aussendung. Kritik gab es aber auch von roten Parteifreunden: Die SPÖ Niederösterreich sah die Pendler aus dem benachbarten Bundesland "vor den Kopf gestoßen".

"Wir nehmen zu Kenntnis, dass Häupl im internen rot-grünen Zwist kapituliert hat. Zur Rettung der Koalition wird etwas eingeführt, was maximal die Dauer eines halben Jahres hat. Es ist zudem äußerst bedenklich, dass der Bürgermeister die Stellungnahme des Verfassungsdienstes vorwegnimmt, sich über namhafte Verfassungsjuristen hinwegsetzt und die Fragestellung als nicht zulässig qualifiziert", ortete Juraczka einen demokratiepolitischer Skandal "erster Ordnung". Er versicherte, dass die ÖVP die Bürger nicht im Stich lassen und für ihre Anliegen weiter kämpfen werde. Der Generalsekretär der Bundes-ÖVP, Hannes Rauch, hält eine Volksbefragung im Nachhinein für eine "Augenauswischerei".

FPÖ: "Wie die Sowjet-Panzer über den Prager Frühling"

FPÖ-Klubchef Johann Gudenus meinte zum "peinlichen Schauspiel" von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und seiner Stellvertreterin Maria Vassilakou (Grüne) in einer Aussendung: "Die fahren in ihrem blinden Abkassier-Wahn über die ohnehin schon so leidgeprüfte Wiener Bevölkerung drüber wie die Sowjet-Panzer über den Prager Frühling." Die Volksbefragung im Nachhinein sei mehr als lächerlich.

Auch der Wiener BZÖ-Chef Michael Tscharnutter zeigte sich erbost: "Das ist ein Schlag ins Gesicht von 150.000 Wienerinnen und Wienern. Diese Bürger haben nämlich für eine Volksbefragung über eine flächendeckende Einführung des Parkpickerls in den Außenbezirken unterschrieben und nicht für eine Befragung zu allgemeinen Verkehrsthemen nach der Einführung des Parkpickerls am Sankt Nimmerleinstag". Das BZÖ werde die Unterschriftensammlung für eine Volksbefragung zum Parkpickerl tatkräftig unterstützen.

150.000 Pendler aus Niederösterreich betroffen

Kritische Töne gaben auch Häupls Parteigenossen aus Niederösterreich von sich: "Mit der Ausweitung des Parkpickerls in Wien im Herbst und der erst danach stattfindenden Volksbefragung werden nicht nur die Wiener, sondern auch die vielen niederösterreichischen Pendler vor den Kopf gestoßen", ärgerte sich SPÖ-NÖ-Landesgeschäftsführer Günter Steindl in einer Aussendung.

Rund 150.000 Niederösterreicher würden täglich in die Bundeshauptstadt pendeln - ein Großteil davon mit dem Auto, weil es u.a. die Arbeitszeiten nicht möglich machen würden, Öffis zu benutzen: "Es gibt keine ausreichenden Park & Ride-Möglichkeiten und die Garagen sind vollkommen überteuert." Ab Dezember gelte außerdem eine neue Taktung der Öffis in Niederösterreich, die abgewartet werden sollte. Er forderte die Wiener Stadtregierung auf, mit NÖ Gespräche aufzunehmen, um eine Lösung für die Pendler zu finden.

VCÖ dafür, ÖAMTC dagegen

Positiv äußerte sich der VCÖ zu den Plänen der Wiener Regierung. Der Verkehrsclub begrüßt die Ausweitung des Pickerls im Herbst. Eine Bürgerbefragung erst später abzuhalten wird als sinnvoll erachtet, "da die positiven Effekte überzeugen werden", hieß es in einer Aussendung. Einfache Zonenmodelle mit gestaffelten Parkgebühren hätten sich international bewährt und seien auch für Wien überlegenswert, wurde außerdem geraten.

Kritik kam hingegen von Seiten des ÖAMTC. "Außer einigen marginalen kosmetischen Anpassungen wurde am ursprünglichen Konzept der flächendeckenden Kurzparkzonen bis fast an den Stadtrand nämlich gar nichts geändert", so Chefjurist Martin Hoffer in einer Aussendung. Desweiteren wehre man sich auch dagegen, dass es den Anschein habe, der ÖAMTC sei an einer Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung interessiert. Hoffer wolle "diese in der Presskonferenz getätigte Unterstellung mit Nachdruck" zurückweisen.

Im ÖAMTC ist man überzeugt, dass die geplante Ausweitung gesetzwidrig sei. Man erwarte daher, dass es sehr bald entsprechende Musterverfahren geben werde. (APA/red, derStandard.at, 17.7.2012)