Wissenschafter des Forschungsschiffs Polarstern erzeugten im Südpolarmeer eine künstliche Algenblüte. Sie konnten erstmals beobachten, wie die verschiedenen Algenarten (unten) Kohlenstoff in den Tiefen des Meeres deponierten.

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Wien/London - "Geben Sie mir einen halben Tanker mit Eisen, und Sie kriegen von mir die nächste Eiszeit." Dieses Zitat stammt vom mittlerweile verstorbenen US-Meeresforscher John Martin, der vor mehr als 20 Jahren erstmals den Vorschlag machte, den Klimawandel mittels Meeresdüngung und künstlicher Algenblüte rückgängig zu machen: Die Algen würden Kohlenstoff binden, und wenn sie absterben, würde dieser am Meeresgrund versenkt.

Martins Vorschlag ist in der Zwischenzeit einige Male experimentell getestet worden. Doch bei allen bisherigen Versuchen blieb der Erfolg weit hinter den Erwartungen zurück. Aus diesem Grund sprachen sich Experten vor gut einem Jahr in einem Unesco-Bericht dagegen aus, künstliche Algenblüten gegen den Klimawandel einzusetzen.

Nun allerdings könnte es für diese umstrittene Geoengineering-Methode doch wieder Hoffnung geben. Ein internationales Forscherteam veröffentlichte im Fachmagazin Nature einen Bericht über ein bereits 2004 im Südpolarmeer durchgeführtes Experiment. Und wie die mehrere Jahre dauernden Analysen ergeben haben, ist mit den abgestorbenen Algen eine ganze Menge Kohlenstoff auf den Meeresgrund gesunken.

Konkret hatte das Wissenschafterteam, dem auch der renommierte Wiener Meeresbiologe Gerhard Herndl angehörte, mit dem Forschungsschiff Polarstern des deutschen Alfred-Wegener-Instituts eine Meeresfläche von 167 Quadratkilometer mit gelöstem Eisen gedüngt und damit eine Algenblüte ausgelöst. Die Eisenmenge entsprach in etwa einem Hundertstel Gramm pro Quadratmeter - oder etwa der Eisenkonzentration in schmelzenden Eisbergen.

Dann beobachteten die Wissenschafter 37 Tage lang, was passierte. Zunächst blühten in den oberen Wasserschichten in bis zu 100 Metern Tiefe Kieselalgen auf. Die Biomasse erreichte bis zu 286 Milligramm pro Quadratmeter. Danach folgte ein Massensterben, und die toten Algen verschwanden in größeren Klumpen in die Tiefe. Damit konnten die Forscher erstmals beobachten, wie Kohlenstoff aus eisengedüngten Algenblüten tatsächlich absinkt.

Wie die jahrelangen Auswertungen der Proben ergaben, sank mehr als die Hälfte der Biomasse tiefer als 1000 Meter, und ein erheblicher Anteil schaffte es wohl bis auf den Meeresgrund. Damit dürfte der Kohlenstoff für Jahrhunderte in der Tiefsee und dem Meeresboden gebunden sein, vermuten die Forscher.

Könnte also die Eisendüngung der Meere doch eine Maßnahme gegen den Klimawandel sein? Gerhard Herndl, der in dem Projekt die Rolle der Bakterien beim Kohlenstoffabbau untersuchte, bleibt skeptisch: Die für eine Klimaänderung nötigen Eisendüngermengen könnten unvorhersehbare Auswirkungen auf das Nahrungsnetzgefüge der betroffenen Gebiete hätten. Zudem würde das so gebundene CO2 über längere Zeiträume wieder freigesetzt. "Das Einzige, das wirklich langfristig diese Probleme löst, ist ein generelles Umdenken im Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und eine rasche Hinwendung zu erneuerbarer Energie." (tasch, APA/DER STANDARD, 19. 7. 2012)