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Gu Kailai verzichtet auf einen Einspruch und könnte damit nach neuen Jahren wieder freikommen.

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Gu Kailai wurde zur Todesstrafe auf Bewährung verurteilt.

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Peking - In China ist der spektakulärste Gerichtsprozess seit Jahrzehnten mit einem Schuldspruch für die Frau eines in Ungnade gefallenen Politikers zu Ende gegangen: Gu Kailai wurde am Montag wegen des Giftmordes an einem britischen Geschäftsmann zur Todesstrafe auf Bewährung verurteilt. Das gaben der Anwalt der Familie des Mordopfers und die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bekannt. Die 53 Jahre alte Anwältin Gu Kailai verzichtet auf einen Einspruch gegen das Urteil und könnte damit im günstigsten Fall nach neun Jahren wieder freikommen. Das chinesische Staatsfernsehen CCTV sendete Bilder von der Urteilsverkündung in der ostchinesischen Stadt Hefei. Dabei sagte Gu: "Ich halte das Urteil für gerecht."

Das Urteil Todesstrafe auf Bewährung wird normalerweise nach einem zweijährigen Vollzugsaufschub in eine lebenslange Haft oder eine Gefängnisstrafe von bis zu 25 Jahren umgewandelt. Das heißt, Gu darf in den kommenden zwei Jahren keine weitere Straftat begehen.

Die einflussreiche Frau des gestürzten Spitzenpolitikers Bo Xilai hatte am 9. August in einer nur sieben Stunden dauernden Verhandlung zugegeben, den britischen Geschäftsmann Neil Heywood in Chongqing vergiftet zu haben. Im Streit über ein gemeinsames Geschäft habe der Brite ihren Sohn Bo Guagua bedroht. Gu sagte Anfang August unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Ein Gerichtssprecher sagte, offenbar habe Heywood seinen Worten keine Taten folgen lassen. Das Gericht habe weiter befunden, dass Gu unter dem Einfluss einer "psychologischen Beeinträchtigung" gestanden habe. Einzelheiten wurden nicht bekannt.

Gu selbst sagte in Aufnahmen des Staatsfernsehens, das Urteil sei gerecht. Es spiegle "den besonderen Respekt des Gerichts vor dem Leben" wieder. Nach Angaben der amerikanischen Dui-Hua-Stiftung, die sich für eine Umwandlung von Todesurteilen in China einsetzt, könnte Gu Kailai aus medizinischen Gründen bereits nach einer Mindesthaftzeit von neun Jahren wieder freikommen. Laut Anklage war Gu Kailai wegen chronischer Schlaflosigkeit, Angstzuständen, Depression und Paranoia psychiatrisch behandelt worden. Die britische Botschaft in China hatte nach eigenen Angaben gebeten, von der Todesstrafe abzusehen. Man begrüße, dass die chinesischen Behörden "diejenigen vor Gericht gestellt haben, die sie als für die Tat verantwortlich ausgemacht haben", hieß es am Montag.

Ihr mitangeklagter Assistent und Hausangestellter, Zhang Xiaojun, muss wegen Beihilfe zum Mord für neun Jahre ins Gefängnis. Er will wie seine ehemalige Chefin keinen Einspruch gegen das Urteil einlegen. Neben den beiden wurden am Montag in einem getrennten Verfahren auch vier Polizisten aus Chongqing wegen versuchter Strafvereitelung zu Haftstrafen von fünf bis elf Jahren verurteilt. Damit wurde offiziell ein Vertuschungsversuch festgestellt, was sich zulasten von Bo Xilai entwickeln könnte: Aus Polizeikreisen in der Stadt Chongqing war verlautet, er habe dort als Parteichef versucht, die Ermittlungen gegen sein Frau zu stoppen.

Bo Xilai seit März nicht mehr gesehen

Bo verlor sein Amt im März und ist seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Seine Mitgliedschaft im Politbüro ist ausgesetzt, aber nicht aufgehoben worden. Bisher werden ihm Verstöße gegen die Parteidisziplin vorgeworfen, was Korruption und Machtmissbrauch umfassen könnte. Bos linke Anhänger sehen in ihm eine charismatische Figur, der die Kontrolle der Partei über das von den Märkten getriebene und mit sozialen Ungleichgewichten verbundene Wirtschaftswachstum wiederherstellen will. Seine Gegner zeichnen ihn als einen Opportunisten, der dem Land seine Politik aufzwingen wolle.

Der Juraprofessor He Weifang von der Universität Peking geht davon aus, dass auch Bo vor Gericht gestellt werden wird. "Ich glaube, es gibt mehrere Optionen wie Wirtschaftsverbrechen, Vertuschung von Straftaten oder Behinderung der Justiz, die alle gegen ihn verwendet werden könnten." Andere Experten erwarten dagegen kein Verfahren. Noch in diesem Monat soll auch dem früheren Polizeichef von Chongqing, Wang Lijun, der Prozess gemacht werden. Dieser war jahrelang Bo Xilais Verbündeter, hatte aber im Februar die Affäre ans Licht gebracht. Wang war damals kurzzeitig in das US-Konsulat der Stadt Chengdu geflohen und hatte dort von dem Mordverdacht gegen Bos Frau berichtet.

Der Skandal um Bo und Gu kommt für die Führung des Landes zur Unzeit. Präsident Hu Jintao muss in diesem Jahr den Parteivorsitz und Anfang kommenden Jahres sein Präsidentenamt aufgeben. In China gibt es keinen festen Mechanismus für einen Machtwechsel. Es wird erwartet, dass Hu als Teil des umfassenden Führungswechsels seine Posten an Vizepräsident Xi Jinping abgibt. Vizepremier Li Keqiang soll Regierungschef Wen Jiabao beerben. Die neue Führung tritt ihre Ämter im März 2013 an. (APA, 20.8.2012)