Hans-Henning Scharsach, "Strache im braunen Sumpf". Kremayr & Scheriau, Wien 2012, 335 Seiten, 24,-Euro.

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Im Zweifelsfall hat Heinz-Christian Strache nichts mitbekommen. Und wenn er doch mitbekommt, dass seine Fans ihn vielleicht gar mit einer Geste begrüßen, die von allen anderen (vor allem aber von Kameras) als Hitlergruß registriert werden könnte, wehrt er sich gegen das Missverständnis, indem er "Händ owe!" (also "Hände runter!") ruft.

Nein, die FPÖ und ihre Führung wollen nicht mit neuen oder gar alten Nazis in Verbindung gebracht werden. Man muss sie auch gar nicht erst mit diesen Kreisen in Verbindung bringen, die Verbindungen bestehen ja seit langem - und Hans-Henning Scharsach dokumentiert sie, zum Teil mit Belegen, die die Zeit der Südtirol-Bumser der 1960er-Jahre und deren Verbindungen in die Burschenschafterszene betreffen. Die FPÖ unter Jörg Haider habe sich zumindest teilweise von diesen Kreisen emanzipiert. Unter Strache aber sind die Geschichtsinterpretationen der Aula, die modischen Accessoirs aus "nationalen Versandhäusern", die grafischen und rhetorischen Schlüsselbegriffe der kämpferischen Rechten in der FPÖ wieder eta bliert. Scharsach weist auf die Diskrepanz zwischen dem "politischen Standort großer Teile der FPÖ" und der FPÖ-Wählerschaft hin, die zum Großteil mit all dieser Symbolik wenig anfangen kann, weshalb Scharsach eben aufklären und sensibilisieren will.

Fundgrube für "Ausrutscher"

Das Buch ist eine Fundgrube für politische Ausrutscher, die FP-Politiker und ihr unmittelbares Umfeld in den vergangenen Jahren geliefert haben. Jeder Einzelne davon könnte als bedauerliche Abweichung, als untypischer Einzelfall durchgehen - bei Scharsach wird aus den Einzelfällen aber ein Muster, in dem jeder Farbtupfer (von der Neonazi-Liste Die Bunten in Wels bis zu Brauntönen in allen Abstufungen) penibel belegt ist: An die 1200 Fußnoten hat der Autor zusammengetragen - und er ist vielfach auch drangeblieben, als andere bereits zum nächsten Thema gesprungen sind.

So belegt er etwa, dass der eigentliche Skandal an Straches falscher Behauptung, eine sechsköpfige Asylwerberfamilie bekäme 3593,90 Euro, die Quelle ist: Dieselben Zahlen hatte die AFP in einem hetzerischen Flugblatt verbreitet.

Gleich zu Beginn bittet Scharsach um Nachsicht: "Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit" - aber er liefert ausreichend Belege für den Wandel von der "Buberlpartie" zur "Burschenpartie", bei der er "systematische neonazistische Indoktrinierung des akademischen Nachwuches" vermutet - natürlich unter Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 11.9.2012)