Der Schaden ist schon eingetreten, und im Vorfeld hat niemand laut gewarnt. Aber nicht nur deshalb ist der Umstand, dass über Berufungen gegen Demonstrationsverbote in Wien und anderen Städten seit September von derselben Polizeibehörde entschieden wird, die davor die Untersagung ausgesprochen hat, gleich auf mehreren Ebenen als schwere rechtsstaatliche Panne einzuschätzen.

Erstens, weil diese fragwürdige Regelung offenbar niemandem im Innenministerium, wo die Pläne zur Polizeireform entworfen wurden, als Problem erschien. Dass dort tatsächlich die Meinung zu herrschen scheint, ein Büroleiter sei eine geeignete Berufungsinstanz für Entscheidungen seiner Abteilung, zeugt von nur wenig Verständnis für demokratische Spielregeln.

Zweitens, weil die Polizeireform mitsamt diesem Passus im Nationalrat mit großer, rot-schwarz-blau-oranger Mehrheit durchgegangen ist; auf die Einwände der Grünen hörte niemand. Wer je wissen wollte, wie hoch im Hohen Haus, bei komplexen Materien, das Verständnis für die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist: bitte sehr!

Denn, drittens: Auch wenn ab 2014 in Gestalt der Landesverwaltungsgerichte wieder Abhilfe winkt - fix ist das noch nicht. Und bis dahin wird es gerade im Wahljahr 2013 in den Städten wohl so manche konfliktträchtige Demo geben. Dann wird man sehen, wie die polizeiliche Selbstkontrolle greift. (Irene Brickner, DER STANDARD, 11.9.2012)