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Österreichs erster Vorstieg-Weltmeister Jakob Schubert: "Als großer Sportfan glaube ich, dass Klettern den meisten Sportarten überhaupt um nichts nachsteht."

Foto: EPA/STEPHANE REIX

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Schubert: "Nachdem ich schon 9a+ geklettert bin, wäre nun 9b, der schwerste Grad, den es im Moment gibt, das nächste Ziel."

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derStandard.at: Herzliche Gratulation zum Weltmeister-Titel in der Königsdisziplin des Klettersports! Sie sind Österreichs erster Vorstiegs-Weltmeister. Wie schwierig war der "Fight Ihres Lebens"?

Jakob Schubert: Es war nicht einfach, weil eine WM nur einmal im Jahr stattfindet. Bei den Weltcups hat man mehrere Chancen, weil es mehrere Events pro Jahr gibt. Bei einer WM ist der Druck doppelt so hoch und dementsprechend ist auch die Nervosität viel höher und deutlich zu spüren. Ausschlaggebend für den Erfolg war, dass ich im Kopf sehr gut abschalten und mich voll auf das Klettern konzentrieren konnte. Die Tour war enorm schwer, ist mir aber sehr zu Gute gekommen. Dass es für den Titel reicht, habe ich noch nicht ganz realisiert. Ich bin jedenfalls überglücklich.

derStandard.at: Mit Gold ist für Sie Ihr "großer sportlicher Lebenstraum in Erfüllung gegangen". Gehen Sie jetzt in Sportpension?

Schubert: (lacht) Auf jeden Fall nicht, ich bin ja erst 21. Dass ich mir meinen größten Traum schon so früh erfüllen konnte, ist ein Wahnsinn. Man kann bei Weltmeisterschaften extrem stark sein und den Titel holen, man kann aber auch die ganze Karriere leer ausgehen. Ein kleiner Fehler und schon ist es vorbei.

derStandard.at: Sie waren vor dem Wettkampf locker, kaum nervös und spürten, in Topform zu sein. Spielt beim Vorstieg-Klettern die Art der Route eine essentielle Rolle?

Schubert: Es gab fünf Favoriten auf den Sieg. Jeder hat natürlich seine Stärken. Es gibt Unterschiede bei der Länge der Route, bei den Griffarten. Manchmal ist mehr Ausdauer gefragt, dann wieder mehr Maximalkraft. Wir trainieren darauf hin, dass wir auf jede Routenart gut vorbereitet sind. Und ich glaube, dass es auch meine große Stärke ist, auf allen Routen gut sein zu können. In Paris ist mir die Tour entgegengekommen. Ich hatte von Anfang an einen Lauf, habe nirgends gezögert und die schweren Stellen schnell überklettert. Das war ausschlaggebend. Noch dazu habe ich in den letzten Monaten extrem viel Selbstvertrauen getankt, mich in den Trainings sehr stark gefühlt und habe so den mentalen Aspekt gut unter Kontrolle gehabt.

derStandard.at: Welche Rolle spielen Kraft, Ausdauer und mentale Stärke?

Schubert: Der Vorstieg ist ein Zusammenspiel aus Kraft und Ausdauer, weil es doch 15, 20 Meter rauf geht. Außerdem sind so knallharte Züge drinnen, sodass man eine gute Maximalkraft braucht. Der mentale Aspekt spielt natürlich auch eine sehr große Rolle, weil es viele Athleten auf Topniveau gibt.

derStandard.at: Schaffen Sie Klimmzüge mit dem kleinen Finger?

Schubert: Das habe ich noch gar nicht ausprobiert. Es gibt Kletterer, die schaffen das, aber ich gehöre wohl nicht dazu. Das ist auch gar nicht notwendig. Im Wettkampf muss man sich nie mit einem Arm ohne Füße hinaufziehen. Einen einarmigen Klimmzug sollte man schon schaffen und das können wohl auch alle. Wenn die Technik gut ausgereift ist, dann macht man das Meiste ohnehin mit den Füßen.

derStandard.at: Fünf Medaillen gingen in Paris an Österreich. Worauf führen Sie diese beachtliche Erfolgsquote zurück?

Schubert: Wir sind seit Jahren ein irrsinnig starkes Team aus Spitzenathleten, nicht zuletzt wegen unserer super Trainer Reinhold Scherer und Rupert Messner. Es wird auch hervorragende Nachwuchsarbeit geleistet und der Zusammenhalt ist sehr stark.

derStandard.at: Wie darf man sich einen Trainingstag vorstellen? 

Schubert: An normalen Tagen muss ich mich um halb neun beim Bundesheer melden und gehe dann gleich in die Kletterhalle um zweieinhalb Stunden Maximalkraft zu trainieren, nach einer Mittagspause steht am Nachmittag ein Ausdauertraining an, das zirka vier Stunden dauert. Das Ganze fünfmal pro Woche. Maximalkrafttraining funktioniert nur mit vollen Speichern, dazu sind auch Pausetage nötig.

derStandard.at: Wie viele Nationen mischen an der Kletter-Spitze mit?

Schubert: Da gibt es große Unterschiede zwischen Bouldern, Vorstieg und Speed und auch zwischen Damen und Herren. Zu den Topnationen gehören Russland, Frankreich und Österreich.

derStandard.at: Ist das Klettern olympia-reif?

Schubert: Auf jeden Fall. Ich verfolge Olympia immer via TV und als großer Sportfan glaube ich, dass Klettern den meisten Sportarten überhaupt um nichts nachsteht.

derStandard.at: Sie sind im April 2011 in Spanien den Papichulo (9a+) geklettert. Welche weiteren Ziele haben Sie sich am Fels vorgenommen?

Schubert: Von den Wettkämpfen her geht es jetzt noch bis Ende November weiter, fast jedes Wochenende steht ein Wettkampf auf dem Programm. Danach würde ich die Zeit gerne nutzen, um nach Spanien zu fahren und dort auf Fels zu klettern. Nachdem ich schon 9a+ geklettert bin, wäre nun 9b, der schwerste Grad, den es im Moment gibt, das nächste Ziel. In Spanien gibt es diesbezüglich große Auswahl an Kletterspots.

derStandard.at: Wie kamen Sie zum Klettern?

Schubert: Ich war ein Spätstarter, habe erst mit zwölf Jahren begonnen. Damals hat mich mein Patenonkel in die Innsbrucker Kletterhalle mitgenommen. Ich bin im Wochenrhythmus klettern gegangen. Nachdem mich mein jetziger Trainer Reinhold Scherer dort entdeckt hat, habe ich  im Innsbrucker Kletterteam mittrainiert und dann nicht mehr aufgehört, weil es mir so getaugt hat.

derStandard.at: Mussten Sie zu Beginn Ihrer Kletterkarriere Ängste vor der Höhe oder dem Runterfallen überwinden?

Schubert: Wenn man früh als Kind damit anfängt, dann kriegt man das gar nicht so mit. Da unterschätzt man das und kriegt das sozusagen ins Blut. Daher hatte ich nie mit Angst zu kämpfen, außer natürlich beim Felsklettern, wenn es weite Hakenabstände gibt. Dann aber ist aber meiner Meinung nach auch ein bisschen Angst wichtig, damit man nicht zu viel Risiko eingeht.

derStandard.at: Müssen Sie auf Ihr Körpergewicht achten?

Schubert: Ja natürlich, aber es ist nicht schlimm. Zum Glück bin ich diesbezüglich gesegnet, ich nehme weder schnell ab noch zu.

derStandard.at: Im Vergleich zu früher genießt Klettern heutzutage große Popularität. Worauf führen Sie diesen Boom zurück?

Schubert: Klettern ist eine extrem lässige Sportart. Was uns in Österreich sehr hilft, ist, dass wir erfolgreich und in den Medien präsent sind. Es freut mich sehr, zu sehen, dass es immer mehr Leute gibt, die diese Sportart begeistert. Warum es erst jetzt so boomt, wundert mich ehrlich gesagt.

derStandard.at: Was halten Sie von Speedclimbing?

Schubert: Das ist extrem beeindruckend, aber man muss da Wettkampf und Free solo am Fels unterscheiden. Bei Wettkämpfen gibt es Seilsicherung und eine genormte Route. Am Fels gibt es nur ein paar Wenige, die das machen, wie Dan Osman zum Beispiel. Aber Free solo ist mit sehr viel Risiko verbunden. Von dem her ist das für mich fix nichts. Ich lasse es lieber. (Thomas Hirner, derStandard.at, 17.9.2012)