Grafik: STANDARD; Quelle: HFCS

Wien - Der "G'stopfte", das unbekannte Wesen: Die Parteien streiten zwar dauernd um die Reichen und deren Besteuerung, wissen aber herzlich wenig über sie. Das Land zähle lieber Obstbäume, statt die Vermögensverteilung zu erforschen, hat der einstige Finanzminister Ferdinand Lacina bereits vor Jahren süffisant festgestellt.

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), schon bisher Quell der wenigen validen Daten, versucht nun Licht ins Dunkel zu bringen. Im Auftrag der Europäischen Zentralbank nahm das Institut wie alle Notenbanken im Euroraum akribisch das Vermögen privater Haushalte unter die Lupe. Die ersten Ergebnisse der punkto Aufwand beispiellosen Studie liegen dem STANDARD vor.

Zentrale Erkenntnis der Forscher: Die Ungleichverteilung von Vermögen sei in Österreich "ausgeprägt", und zwar deutlich stärker als bei den Einkommen. Einer breiten Masse mit bescheidenem Besitz stünden "sehr wenige Haushalte mit sehr hohem Nettovermögen" gegenüber.

Starke Schieflage

Die 3,77 Millionen Haushalte halten hochgerechnet rund eine Billion Euro Nettovermögen, worunter man Finanzvermögen plus Sachvermögen minus Schulden versteht. 40 Prozent müssen mit maximal 50.000 Euro das Auslangen finden, rund drei Viertel besitzen weniger als 250.000 Euro. Während das ärmste Zehntel über höchstens 1000 Euro verfügt, hat das reichste mindestens 542.000 Euro - mit Open End nach oben.

Der Median - die eine Hälfte der Haushalte hat mehr, die andere weniger - liegt bei 76.500 Euro. Dass das Durchschnittsvermögen mit 265.000 Euro dreieinhalb Mal so hoch liegt, werten die Forscher als Beleg für die starke Schieflage. Mehr als drei Viertel der Haushalten besitzen weniger Nettovermögen als der Durchschnitt, den offensichtlich enorme Vermögen im Top-Bereich in die Höhe treiben.

Als weiteren Nachweis nennen die Autoren den sogenannten Gini-Index, mit dem sich Verteilung messen lässt - beim Wert von null besitzen alle gleich viel, bei eins hat die reichste Person alles. Punkto Nettovermögen liegt der Gini-Wert laut OeNB-Daten bei 0,76 und damit fast dreimal so hoch wie bei den Einkommen.

Die Österreicher besitzen deutlich mehr handfestes Vermögen als Geld. Drei Viertel nennen ein Auto ihr Eigen (Durchschnittswert: 13.000 Euro), 48 Prozent ein Haus oder eine Wohnung als Hauptwohnsitz. Dieser ist im Median 200.000 und im Durchschnitt 258.000 Euro wert. Weitere, nicht selbst bewohnte Immobilien haben nur 13 Prozent der Haushalte - der Median liegt bei 94.000, der Mittelwert bei 228.000 Euro.

Umstrittene Erbschaftssteuer

Die Zahlen geben Hinweise, wie viele Haushalte von etwaigen Vermögenssteuern getroffen würden. Das noch vage Modell der SPÖ mit Freibetrag von einer Million würde demnach nicht einmal annähernd die gesamten obersten zehn Prozent erwischen: Diese beginnen bei einem Sachvermögen von etwa 534.000 Euro brutto (ohne Abzug der Schulden) und bei einem Finanzvermögen von 105.000 Euro. Eine Variante mit einem Freibetrag von einer halben Million träfe maximal 15 Prozent.

Nicht minder umstritten ist das Comeback einer Erbschaftssteuer. Laut OeNB-Daten hat ein rundes Drittel der Haushalte bereits etwas geerbt, rund 15 Prozent ihren Hauptwohnsitz. Dieser ist - auf aktuelle Preise hochgerechnet - im Schnitt 280.000 Euro wert, der Median liegt bei 163.000. Erben sei eine der wichtigsten Vermögensquellen, stellt die Studie fest: Im wohlhabendsten Fünftel der Haushalte haben 65 Prozent der Haushalte geerbt, im ärmsten nur zehn. Das Erbe fiel mit 237.000 zu 14.000 auch deutlich üppiger aus.

Ein anderer Garant für Wohlstand ist Bildung. In Haushalten mit Akademikern als von den Forschern befragte "Referenzperson" liegt das Medianvermögen bei 170.000 Euro, bei Pflichtschulabsolventen bei knapp 36.000 Euro. Am vermögendsten sind die Österreicher im Alter von 50 bis 64.

Die präsentierten Daten, die auf 2380 Befragten basieren, sind ein Auftakt, in der Folge soll ein breites Bild von Reich und Arm entstehen. Das Problem: Reiche sind auch gegenüber Wissenschaftern diskret. Vermögen und Ungleichheit, folgern die Autoren, würden deshalb "unterschätzt". (Gerald John, DER STANDARD, 2.10.2012)