Es regnet Inserate. Der Aktionskünstler Hubsi Kramar hält vor dem Parlament eine Rede, in der er den Bundeskanzler veräppelt - und nachempfindet, wie dieser dazu Betriebe anhält zu inserieren.

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Was hätte Bundeskanzler Werner Faymann wohl zu sagen gewusst, wenn er vor den Korruptions-Untersuchungsausschuss geladen worden wäre? Der Schauspieler und Aktionskünstler Hubsi Kramar hat sich Gedanken darüber gemacht und für Dienstag einen Auftritt vor dem Parlament angekündigt.

Erst einmal kommt er gar nicht - wie Faymann im Ausschuss. Und als er nach einer halben Stunde doch vor die Journalisten (und eine staunende Touristengruppe) tritt, meint man den Kanzler persönlich sprechen zu hören: "Jetzt bin ich da und werde zu allen offenen Fragen nichts sagen. Ich wollte ja immer in Untersuchungshaft, ähh: in den Untersuchungsausschuss. Was haben die Kollegen von der FPÖ und der ÖVP für permanente Aufmerksamkeit von den Medien bekommen! Beneidenswert. Ohne einen Cent investieren zu müssen. Dafür muss ich normalerweise viel bezahlen."

Und dann lobt Kramar-Faymann die guten Beziehungen zu Medien und Staatsunternehmen: "Die Verhältnisse in unserer Partei, also im Staat, sind doch von vornherein so menschlich eingerichtet, dass ein Druck gar nicht notwendig ist."

Tatsächlich sind es exzellente Beziehungen, die Österreichs Kanzler Werner Faymann zu den Boulevardmedien des Landes genießt. So hat er etwa der Gratiszeitung "Heute" enormes finanzielles Glück gebracht. In sechs Jahren schaffte es Heute zur Nummer eins auf dem Wiener Zeitungsmarkt - nicht ganz ohne Unterstützung von Faymann.

Das ergeben Recherchen der Website dossier.at, die am Mittwoch online geht - und sich als unabhängige Website für investigativen und Datenjournalismus versteht. Dossier untersuchte alle Inserate der Zeitung Heute, von ihrem Gründungsjahr 2004 bis 31. Dezember 2011.

Info-Video von "Dossier" zu den Inseraten

Dabei zeigt sich: Die Inserate des Bundeskanzleramtes in "Heute" erhöhten sich im ersten Jahr von Faymanns Amtszeit 2009 radikal.

In den vier Jahren von 2004 bis 2008 wurde insgesamt nur knapp neun Seiten inseriert - kaum hatte Faymann den Kanzlerposten inne, waren es auf einen Schlag fast 28 Seiten. Das ist ein Anstieg um das Viereinhalbfache.

Eine weitere interessante Steigerung fand Dossier im Budget der Stadt Wien, und zwar bei den Werbeausgaben in der Magistratsabteilung 50 (MA 50, Wohnbauförderung). Diese fällt ins Ressort des jeweiligen amtierenden Wohnbaustadtrats, der Faymann von 1994 bis Ende 2006 war.

Im Jahr 2004 steigen die Ausgaben der MA 50 für "Laufende Informationen über geförderten Wohnbau" um knapp das Sechsfache: Sie erhöhen sich damit von knapp 415.000 Euro auf etwa 2,5 Millionen Euro.

Ähnliches geschah 2007: In diesem Jahr wurde Faymann Verkehrsminister, und das Werbebudget explodierte. Standen 2007 noch 1,3 Millionen Euro zu Verfügung, waren es 2008 schon 6,2.

Die Dossier-Recherchen konzentrieren sich auf die Inseratenvergabe der Stadt Wien, weil hier die "Wurzeln der Inseratenaffäre" liegen, schreibt Dossier. In der Bundeshauptstadt geben Stadträte jedes Jahr Millionen Euro für Inserate aus - und sagen, die genauen Summen nicht zu kennen.

Allein bei "Heute" geht es in siebeneinhalb Jahren um insgesamt 29 Millionen Euro an Inseraten der Stadt Wien, so Dossier. Die Daten stimmten nicht annähernd, sagt Eva Dichand, und droht dem Webprojekt mit Klage "wegen Verleumdung".

Kramar interpretiert in seiner Rede vor dem Parlament in der Rolle des Kanzlers: "Man kennt sich halt. Also das war eindeutig kein Druck, sondern eine liebevolle Gedächtnisauffrischung: 'Vergiss nicht, wem du deinen Posten verdankst, Genosse.' Ein kleiner netter Hinweis. Und ein Hinweis ist ein Hinweis und kein Druck. Sonst würde es ja Druck heißen und nicht Hinweis. Auch wenn das Ergebnis dann im Druck erscheint. Kein Druck, keine Affäre. Meine Frau weiß es, dass ich keine Affäre habe. Ich bin der, der immer wettlächelt mit sich selber. Und da gewinne ich immer." (Saskia Jungnikl/Conrad Seidl, DER STANDARD, 17.10.2012)