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EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso (links) und Ratspräsident Herman Van Rompuy haben den Gipfel vorbereitet.

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Für Sicherheit ist in Brüssel gesorgt.

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Zu Beginn des EU-Gipfels in Brüssel stecken die einzelnen Regierungschefs ihre Claims ab. Die Gründung einer europäischen Bankenaufsicht und eines Solidaritäts-Eurobudgets gehören zu den Themen, die am Donnerstag und Freitag von den 27 Politikern behandelt werden.

Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen

Neu am Tapet ist ein Hilfsfonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen Krisenländern. Ein "neues Element der Solidarität" nannte das Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel im Vorfeld des Gipfels. Bringen könnte der Fonds befristete Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat sich im Vorfeld des Gipfels für so eine Initiative stark gemacht, mit dem Euro-Budget kann er sich aber noch nicht anfreunden.

Dieses gesonderte Euro-Budget läuft unter dem Arbeitstitel "Fiskalkapazität" und könnte aus den Einnahmen der Finanztransaktionssteuer gespeist werden. Im Alltag dürfte sich diese Art von Finanzierung aber schwierig gestalten. In Österreich beispielsweise sind die - freilich noch fiktiven - Einnahmen aus der Steuer bereits fix im Budget der nächsten Jahre verplant.

Auch bei der Größenordnung des Budgets gibt es noch Streit. In Paris werden langfristig fünf Prozent der Wirtschaftskraft der Eurozone genannt, das wären rund 450 Milliarden Euro. Doch Deutschland wolle einen viel kleineren Rahmen, heißt es. Klar dürfte aber sein, dass das Budget von den stärksten Euro-Ländern finanziert werden soll, schreiben Fabian Zuleeg und Jannis Emmanouilidis vom European Policy Centre, die den Entwurf des Solidaritätsfonds unter die Lupe genommen haben.

Streit um Bankenaufsicht

Zu greifen nah schien noch vor Wochen die Bankenaufsicht zu sein, die das wichtigste Puzzleteil der Bankenunion darstellt. Beschlossen werden sollte die Behörde im Dezember, das Licht der Welt dürfte sie aber nun verspätet erblicken. Deutschland macht sich laut Verhandlern für eine Fristverlängerung stark. Das ist auch die Position der Europäischen Zentralbank (EZB), die eine zentrale Rolle bei der Bankenaufsicht spielen soll und mit einem Start im Jahr 2014 rechnet. Diesem Vorgehen stimmen mehrere Länder zu.

Am Ende soll die Aufsicht alle 6.000 Geldhäuser im Euro-Gebiet überwachen. Realistischer dürfte aber sein, dass kleine Institute, etwa die Sparkassen, weiterhin von nationalen Behörden kontrolliert werden.

Faymann bricht dennoch eine Lanze für die gemeinsame Behörde, eine europäische Lösung sei besser als eine nationale. Über die Eurostaaten hinaus können auch die übrigen EU-Länder sich dem Regime unterwerfen. Schweden hat dies bereits angekündigt. Wenn sich am Gipfel weitere Kandidaten dafür finden, dürfte die Signalwirkung groß sein. Schließlich sind die EU-Institutionen, zu nennen wären etwa das Europaparlament und die Kommission, bestrebt, die EU-Staaten nicht in verschiedene Richtungen fahren zu lassen.

Renaissance Kerneuropas

Die Gefahr, dass es dazu kommt, wird aber kontinuierlich größer. Schon Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder forderte eine "EU der verschiedenen Geschwindigkeiten". Das war vor über acht Jahren am Vorabend der Osterweiterung. Gestern war es Frankreichs Präsident François Hollande, der die selben Worte in den Mund nahm. Er spricht sich für einen deutlichen Machtzuwachs für die Euro-Länder aus, womit das Thema Kerneuropa eine Renaissance erlebt.

Frankreich und vor allem die kriselnden bzw. stark verschuldeten  Länder Spanien, Irland und Italien wollen bei der Integration mehr Tempo machen. Je früher die Bankenaufsicht kommt, desto sicherer sehen sie ihre Kreditinstitute. Die brauchen nämlich dringend Geld, das sie sich vom Rettungsschirm ESM erhoffen. Der ESM wiederum knüpft seine direkten Finanzierungshilfen, die den Staaten Sparzusagen und andere Auflagen ersparen, an die Bankenaufsicht.

Die Zeit scheint damit für Änderungen am EU-Vertrag reif. Wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble vor einigen Tagen hat sich nun auch Bundeskanzler Faymann für den dazu nötigen Konvent ausgesprochen. "Es geht um mehr Einheitlichkeit der EU und wir dürfen nicht zur Kenntnis nehmen, dass kleine Gruppen sich vertiefen". Er will eine Kluft der Eurozone verhindern. Auf den Punkt bringt das der Vorsitzende des EU-Parlaments, Martin Schulz: "Ich rate dringend, nicht den Ansatz 17 plus zu wählen, sondern 27 minus."

Bankfreundlicher Geldkreislauf

Alle Länder sollen zudem Notfallfonds aufbauen, die sich aus Abgaben der Banken finanzieren. Die Fonds sollen taumelnde Geldhäuser unterstützen und für die Abwicklung maroder Institute einstehen. Diese Pläne sind bereits recht weit fortgeschritten. Vor allem nehmen sie dem Vorwurf der "Bankenabzocke" die Grundlage. Das Geld der Banken hilft nämlich, den Sektor im Gang zu halten, und nicht dabei, Budgetlöcher zu stopfen.

Das vorläufige Aus gibt es für die gemeinsame Einlagensicherung. Das Garantieren italienischer Sparguthaben mit österreichischem Geld und vice versa gilt als nicht realisierbar. Gemeinsamen Staatsanleihen (Eurobonds) dürfte das gleiche Schicksal beschieden sein, wie auch dem Schuldentilgungsfonds, den die deutschen Wirtschaftsweisen und auch Ratspräsident Herman Van Rompuy vorschlagen. (sos, derStandard, 18.10.2012)