So sieht ein fest entschlossener Assassine aus.

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Connor reitet durch winterliche Landschaften ...

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... und kämpft bei Sonnenuntergangs-Stimmung.

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Und einer, der einen Krieg im eigenen Land mit austrägt.

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Der Mehrspielermodus ist eine mehr als gelungene Draufgabe für ein an sich schon überaus umfangreiches Spiel.

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Mit "Assassin's Creed" hat das französische Studio Ubisoft eines der populärsten Franchises dieser Konsolengeneration geschaffen. Nach zwei klassischen Fortsetzungen steht mit "Assassin's Creed 3" nun ein neues Hauptwerk an. Man verabschiedet sich vom alten Kontinent und den Wirren der italienischen Aristokratie und widmet sich der komplexen Thematik des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, der zwischen 1775 und 1783 tobte.

Während Ezio in Teil zwei noch die italienische Renaissance zu retten versucht, indem er sich in die Machenschaften der Borgia und Medici einmischt, kommt bei Teil drei ein neuer Protagonist ins Spiel. Leitcharakter Desmond, der in der Gegenwart die Erinnerungen der Assassinen mit Hilfe eines Animus zusammenfügt, gerät ins 18. Jahrhundert und direkt in den Aufstand des amerikanischen Volkes.

Der Bürgerkrieg

Desmond schlüpft in die Rolle eines jungen Irokesen, der getrieben durch schlimme Vorkommnisse in der Kindheit, zum Stammeskämpfer und in weiterer Folge wie seine Vorfahren zum Jäger der Templer wird. Seinen Werdegang verfolgend, wird man als Neuling behutsam in das virtuelle Assassinenleben eingeführt. Man spaziert durch die sonnigen Wälder rund um Boston, lernt das Erlegen von Wild, baut Fallen und galoppiert auf dem Pferd durch die Landschaft. An der Steuerung der vorigen Teile ist nicht viel verändert worden. Erfahrenen Spielern, wird das Springen in den Bäumen allerdings um einiges einfacher vorkommen, als das Klettern auf Häusern in Florenz oder Damaskus. Die Designer haben scheinbar die Öffnung für eine noch breitere Zielgruppe im Sinn gehabt.

Bis man flügge wird, sind allerdings schon gut zwei bis drei Spielstunden vergangen. Die lang andauernden Dialoge zwischen den kurzen Spielsequenzen sind für Einsteiger vielleicht eine gute Möglichkeit, sich in die Welt einzuleben, für erfahrene Assassinen sind die ersten Stunden jedoch langwierig, wenn nicht gar zäh. So viel die Geschichte hergibt, wird dem Spieler anfangs wenig Möglichkeit gelassen, um in das Spiel aktiv einzugreifen. Zeit, um sich immer wieder an den grafisch wunderschön umgesetzten Landschaften und der glaubhaft nachgebildeten Bostoner Architektur zu erfreuen. Der Durst des ungeduldigen Spielers wird erst nach einer Weile gestillt.

Komplizierte Angelegenheit

Abermals ist "Assassin's Creed" voller geschichtlicher Figuren und Ereignisse, die detailgetreu dargestellt und mit dem richtigen Gespür für Science-Fiction in die Story verwoben wurden. Schiffe, die der Zeit gemäß konstruiert sind, lassen sich durch wilde Seeschlachten steuern und in Kämpfe mit befeindeten Besatzungen manövrieren. Das alles während regnerischer Nächte, in denen Schiffe mit dramatischen Lichteffekten einen Hauch von Sturmböen in die Wohnzimmer bringen. Die deutliche Verbesserung der Grafik, die schon in "Assassin's Creed: Revelations" spürbar war, hat sich in einigen Details weiterentwickelt. Vor allem Kleinigkeiten wie Schnee, Regen, die Architektur und das Sonnenlicht in Boston, das eine ganz eigene Stimmung vermittelt, wurden wunderbar umgesetzt. Es macht Spaß, in das Ambiente einzutauchen, man bekommt ein Gefühl vom gesellschaftlichen Umbruch dieser Zeit, der damals die Politik dominierte.

Connor ergreift zunächst die Seite jener, die von George Washington angeführt wird und die Unabhängigkeit des neuen Kontinents erringen will. Immer mehr wird ihm allerdings klar, dass ein Krieg ein Ende der Unabhängigkeit seines eigenen Volkes bedeuten könnte. Die friedliche Koexistenz zwischen den Ureinwohnern Amerikas und den neuen Bewohnern des Kontinents scheint in weite Ferne gerückt.

Einfacherer Nahkampf

Connor macht sich also, von seinem Meister angeleitet, auf die Suche nach den Männern, die das Land unter die britische Fahne bringen wollen und das Leben seines Volkes bedrohen. Im Zuge dessen erfüllt man immer wieder kleine Missionen und verschafft sich wie gewohnt durch das Erklimmen von Kirchtürmen einen besseren Überblick - Leap of Faith inklusive. Erstmals wieder eingeführt wurde die Möglichkeit, verfolgte Personen zu belauschen, indem man sich in der Nähe versteckt. Verwirrend mag in der ersten Stunde die Tatsache sein, dass für den dritten Teil die Anordnung von Karte und Waffen vertauscht wurde. Ein Schwert sucht man - zumindest anfangs - vergebens. Stattdessen gibt es einen Tomahawk, Fallen und Fäuste.

Der Nahkampf ist um einiges einfacher als in den vorigen Teilen ausgefallen. Das in Zeitlupe dargestellte Abwehren von Angriffen hat zur Folge, dass man danach entscheiden kann, ob man den Gegner zunächst nur zu Boden wirft oder ihn entwaffnet. In diesen Szenen können angreifende Gegner, die gekennzeichnet sind, einfach außer Gefecht gesetzt werden. Um den Kampf auch optisch in den Mittelpunkt zu rücken, werden in den Action-Szenen ausschließlich Connor und dessen Gegner fokussiert, alles außerhalb verschwimmt. Abermals blutrünstig und spektakulär umgesetzt wurden die Finishing Moves. Die Exekutionen mit Beil und Stichinstrument wurden soweit perfektioniert, das man sich fragt, ob so viel Verständnis für Ästhetik nicht anderorts besser eingesetzt hätte werden können. Gesichtsanimationen wirken auch im fünften Kapitel der Serie noch hölzern - aber dazu später mehr. Die "Matrix"-artige Zeitlupeneffekt beim Abwehren von Angriffen ist neu und gewöhnungsbedürftig, bei vielen Gegnern jedoch sehr hilfreich. Connors Tomahawk ist für eine "Anfangswaffe" sehr stark, bewährt sich allerdings nicht bei allen Gegnern. Eine Handfeuerwaffe ist ebenfalls im Repertoire. Der Zeit entsprechend ist sie aber effektiv nur für einmalige Schüsse geeignet, da das Nachladen viel Geduld erfordert.

Gute Besserung, Connor!

Der einsteigerfreundliche Feinschliff sorgt dafür, dass man in bestimmten Situationen auch gar nicht mehr darüber nachdenken muss, ob man sich besser verstecken sollte oder nicht. Bewegt man sich etwa in hohem Gras voran, geht Connor automatisch in die Knie, um nicht gesehen zu werden. Solche Automatismen können praktisch sein, fallen jedoch störend auf, wenn die Technik aussetzt. Immer wieder ertappt man Fehler wie KI-Aussetzer. Tiere laufen ab und an in Felsen hinein, nach einem suchende Wachen laufen irritiert im Kreis und im Kampf wird die Sicht immer wieder durch unvorteilhafte Kameraeinstellungen verdeckt.

Einen weiteren Beleg für die Vereinfachung des Gameplays liefert das Erholungssystem: Es scheint, als brauche Connor keinerlei Medizin, er erholt sich von selbst von Kämpfen, die ihm zugesetzt haben. Dies ist einerseits gut, da man nicht ständig zu Doktoren laufen oder größere Medizinbeutel anschaffen muss. In einem Kampf allerdings, bei dem man nur noch wenig Kraft hat, wäre ein rasches Auffüllen manchmal dringend notwendig. Umso größer dann der Ärger über ein verlorene Gefecht und eine damit einhergehende fehlgeschlagene Synchronisation. Erfahrenen Spielern wird das vermutlich nicht so häufig passieren, denn Connor wirkt stärker im Kampf zu sein als sein Vorgänger Ezio Auditore. Für Anspruchsvolle geht ein weiteres strategisches Element verloren.

Hilfe für Benjamin Franklin

Wie auffällig man sich verhält, wird nun direkt neben der Karte angezeigt. Was gut ist, denn in "Assassin's Creed 3" werden die Wachen weit schneller aufmerksam als in den Vorgängern. Wie auch bei den alten Teilen kann man seinen Ruf bereinigen, indem man entweder den "Schreier" der Stadt besticht - ähnlich wie den Herold bei Teil eins und zwei - oder Plakate mit Connors Gesicht von den Wänden reißt. Die letzte Option ist natürlich die einfachste, aber mit Vorsicht zu genießen, denn die Plakate werden auf der Karte nicht angezeigt. Umso hellhöriger sollte man durch die Gassen gehen.

Assassinen-Missionen, Kurier-Missionen und viele weitere, die es zuvor gab, sind weiterhin vorhanden und lassen einen die Historie abseits des Handlungsstrangs aufsaugen. Neu ist das Öffnen von Schatzkisten: Es braucht einige Versuche und reichlich Fingerakrobatik, bis man das Schloss einer Kiste knackt.

Wer nebenbei noch Zeit hat und abseits vom Töten und Turm-Erklimmen etwas Ablenkung braucht, kann Benjamin Franklin dabei helfen, die Seiten seines Almanachs zu finden, die in ganz Boston verstreut sind. Hier gilt es, sehr flink zu klettern, denn die Seiten fliegen schnell davon.

Ob der vielen Gewalt verzückt, dass man zwischen durch Tiere nicht nur jagen, sondern auch streicheln kann. Katzen, Hunde, Hühner, Schweine, Ziegen und Schafe können mit Connor interagieren. Aber selbst, wenn man auf derartigen Zeitvertreib verzichtet, stehen einem rund 30 Stunden Handlung bevor.

Hören Sie besser Englisch

Weitere Kritik müssen sich die Entwickler einerseits für die nach wie vor steife Mimik der Charaktere gefallen lassen. Und Andererseits enttäuschen die deutsche Synchronstimmen von Connor und einigen weiteren Protagonisten. Sie sind teilweise schlecht hörbar und im Gegensatz zu den Umgebungsgeräuschen und den anderen Stimmen viel zu leise vertont. Hier ist in jedem Fall Wahl der englischen Sprachausgabe vorzuziehen, die der PAL-Ausgabe alternativ beigelegt wurde. Wer den Wendungen nicht so leicht folgen kann, schaltet am besten Untertitel hinzu. Auf Deutsch geht viel Stimmung verloren.

Dem Trend der jüngeren Werke folgend, wurde der Mehrspielermodus erweitert. Hier wurde der Fokus mit neuen Modi wie "Wolf Pack" auf gemeinschaftliche Herausforderungen gelegt. Bis zu vier Spieler gleichzeitig dürfen sich gemeinsam gegen immer stärker werdende Wellen an Gegnern stellen. Genauer gesagt muss man die Gegner stellen, was viel Kooperation und Absprache erfordert. Die Einsatzorte sind vielfältig, von den wuseligen Straßen Bostons bis hin zu im Eis gefangenen Schiffen. Klassische Varianten wie Deathmatch oder Teamdeathmatch funktionieren am besten, wenn man versucht einander aus dem Hinterhalt zu überraschen. Direkte Konfrontationen kommen dem eher langsamen Kampfsystem weniger entgegen. In Summe ist der Mehrspielermodus eine mehr als gelungene Draufgabe für ein an sich schon überaus umfangreiches Spiel.

Fazit

Es ist schwierig, als Spielehersteller ein Mittelmaß zu finden, mit dem man alte Spieler und neu dazugekommene gleichermaßen glücklich macht. Alte "Assassin's Creed"-Spieler werden die ersten paar Stunden vermutlich etwas enttäuscht sein. Die Szenerie, in der ein Indianer durch die Bäume hüpft, Hasen tötet und häutet und Rehe anlockt, um ihnen anschließend die Kehle durchzuschnneiden, wirkt klischeehaft und aufgesetzt. Angesichts des historischen Rahmens und der Geschichte, in die dieser eingebettet ist, wirkt die fantasievolle Verstrickung der Jahrtausende alten Fehde und dem Unabhängigkeitskrieg nach einiger Zeit jedoch stimmig. Das belebte Bosten, die blühende Wildnis, das weite Grenzland machen es zum bislang beeindruckendsten und umfangreichsten Teil der Serie. So gesehen ist Connor im Kostüm eines Schattenjägers, das seiner Herkunft angepasst wurde, ein glaubwürdiger Nachfolger von Altaïr und Ezio. Dass seine mörderischen Fähigkeiten deutlich leichter zu meistern sind, macht ihn spielerisch leider zum anspruchslosesten Assassinen bisher. Auch wenn der Unabhängigkeitskrieg gewonnen wurde, Ubisofts Kampf zwischen Popularitätsdrang und Veteranentreue ist noch nicht zu Ende gefochten. (Iwona Wisniewska, Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 31.10.2012)

"Assassin's Creed 3" ist für Xbox 360 und Playstation 3 erhältlich, die PC-Ausgabe folgt am 22. November, die Version für Wii U erscheint zum Start der Konsole am 30. November.