Petra Apfalter (44), geboren in Linz, studierte Medizin in Wien. Ihr Fokus: Hygiene und Mikrobiologie. Seit 2010 arbeitet sie am Elisabethinen-Krankenhaus. Sie ist Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz.

Foto: Elisabethinen Linz

Von einer Sepsis sind vor allem Menschen mit einem vorhandenen Grundleiden betroffen, weiß die Medizinerin Petra Apfalter.

STANDARD: Warum sterben auch in hochentwickelten Ländern noch immer viele Menschen an Sepsis?

Apfalter: Behandlungserfolge sind von vielen Faktoren abhängig: den Symptomen, dem genauen Erkennen dieser als Sepsis, den Erregern, dem rechtzeitigen Einleiten der richtigen Therapie und natürlich von der Abwehrreaktion des Patienten selbst. Die Abwehrreaktion kann so heftig sein, dass der Patient trotz optimaler Behandlung stirbt. Es ist und bleibt eben eine sehr gefährliche Krankheit.

STANDARD: Welche Personengruppen sind betroffen?

Apfalter: Es sind fast immer Menschen, die bereits ein Grundleiden haben, zum Beispiel Ältere, aber auch die ganz Kleinen; Diabetespatienten oder Personen, die nach einer Organtransplantation immunsupprimierende Medikamente nehmen. Gesunde Menschen haben ein geringeres Risiko.

STANDARD: Was sind die wichtigsten Frühwarnsignale?

Apfalter: Sie können sehr unterschiedlich sein, und das macht auch die Diagnose nicht unbedingt leicht. Die Symptome sind stark von der Herkunft der Infektion abhängig. Oft geht diese von den Lungen oder den Harnwegen aus. Klassisch entwickelt der Patient hohes Fieber und typische Veränderungen im Blutbild. Bei älteren Menschen und Frühgeborenen kann eine Sepsis allerdings auch ohne Temperaturerhöhung auftreten. Das muss man wissen.

STANDARD: Und wie kommt es prinzipiell zu den Infektionen?

Apfalter: Lungenentzündungen sind die häufigste Ursache. Die Erreger überschreiten den Ort der zugrunde liegenden Infektion und verbreiten sich im Körper. Was landläufig oft als Blutvergiftung bezeichnet wird - die gefürchteten roten Streifen auf der Haut -, ist eine Lymphangitis, eine Entzündung der Lymphgefäße. Die führt normalerweise nicht zur Sepsis, muss aber auch mit Antibiotika behandelt werden.

STANDARD: Welche Bakterienspezies sind Sepsis-Verursacher?

Apfalter: Es gibt an die 20 verschiedene bakterielle Erreger, die regelmäßig als Sepsis-Auslöser auftreten. Staphylococcus aureus ist ein wichtiger, auch Escherichia coli und Pneumokokken. Meningokokken können ebenfalls sehr schnell sehr schwere Erkrankungen auslösen. Bei immunsupprimierten Patienten sind es manchmal auch andere, an sich harmlosere Keime, wie zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa.

STANDARD: Und wie häufig sind die gefürchteten multiresistenten Keime, gegen die mittlerweile nur noch ganz wenige Antibiotika wirken, im Spiel?

Apfalter: Dazu gibt es keine exakten Zahlen, aber sie treten immer öfter auf. Vor allem in Krankenhäusern ist das Risiko einer Infektion mit solchen Keimen erhöht. Sieben von 100 Staphylococcus-aureus-Blutkulturen sind heute multiresistent. Bei Sepsis-Erregern, die von den Harnwegen ausgehen, machen multiresistente E. coli und Klebsiella mittlerweile zwischen sieben und zwölf Prozent der Fälle aus. Das war vor zehn Jahren noch nicht so.

STANDARD: Welche Forschungsziele haben höchste Priorität?

Apfalter: Neue Antibiotika! Und wir brauchen auch eine Individualisierung der Therapien. Was dem einen Patienten hilft, kann beim nächsten wirkungslos sein.