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Nur dem Supertasker gelingt es beim Telefonieren konzentriert mit dem Auto zu fahren.

Foto: APA/Wolfgang Simlinger

Zeit ist bekanntlich Geld. Daher müssen Mails zeitnah beantwortet und Telefonate sofort geführt werden. Äußert der Chef dazwischen noch Wünsche, dann müssen diese erfüllt werden - selbstverständlich so schnell wie nur möglich. Und auch der Stapel Unterlagen auf dem Schreibtisch muss abgearbeitet werden. Am besten wird alles gleichzeitig erledigt. 

"Multitasking" ist ein Modebegriff, der in Folge der rasanten Technologieentwicklung entstanden ist. Ursprünglich stammt er aus der Informatik und beschreibt ein Betriebssystem, das mehrere Aufgaben nebeneinander ausführt. Doch auf den Menschen lässt sich das nicht so einfach übertragen. Das menschliche Gehirn ist kein Betriebssystem. Viele Wissenschaftler sind sich mittlerweile darin einig, dass Multitasking ein Mythos ist. 

Schwache Konzentration

Die amerikanische Informatikerin Gloria Mark hat etwa demonstriert, dass gleichzeitiges Abarbeiten mehrerer Aufgaben keine Zeitersparnis bringt. Im Gegenteil: kalifornische Büroangestellte verloren durch ständige Unterbrechungen Arbeitszeit. Sie wurden im Schnitt alle elf Minuten unterbrochen und benötigen jedes Mal 25 Minuten, um zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurückzukehren. 

Multitasking kostet also Zeit - und lenkt ab. Das konnte auch der Kommunikationswissenschaftler Clifford Nass von der Stanford University nachweisen. Er unterteilte Probanden in "heavy multitasker", die besonders viele Medien gleichzeitig nutzen, und Untersuchungsteilnehmer, die dies wesentlich seltener tun. Ausgerechnet die "heavy multitasker" hatten Probleme, sich zu konzentrieren. Störende Signale lenkten die Multitasker von der Fragestellung ab. Sie benötigten daher mehr Zeit für die jeweilige Tätigkeit als jene, die selten mehrere Medien gleichzeitig nutzen. Wurden sie hingegen weder gestört noch abgelenkt, lösten beide Gruppen die Aufgaben gleich gut. 

Ob nun die Henne oder das Ei zuerst da war, lässt sich durch diese Studie aber nicht klären. Offen bleibt daher, ob das Multitasking verantwortlich für die Konzentrationsschwächen der Probanden war - oder dass umgekehrt jene, die sich schwieriger konzentrieren können, von Grund auf eher dazu neigen, Multitasking zu betreiben.

Ausnahme "Supertasker"

Fest steht: Mehrere Aufgaben parallel und trotzdem genauso gut zu erledigen, das können nur wenige Menschen. Amerikanische Psychologen erfanden den Begriff des "Supertasker", als sie unter 200 jungen Probanden fünf fanden, die gleichzeitig mit dem Handy telefonierten und ein simuliertes Autofahrtraining mit Brems- und Ausweichmanövern absolvierten - ohne dabei einen Fehler zu machen. Das jedoch sind Ausnahmen.

Die meisten Menschen können nicht mehrere Sachen parallel machen. "Multitasking funktioniert zwar, aber nicht ohne dass wir länger brauchen und Fehler machen", sagt die Psychologin Melanie Tschernegg. Am effizientesten sei es, eine Aufgabe abzuschließen, bevor die nächste in Angriff genommen wird. 

Der französische Neurowissenschaftler Etienne Koechlin veröffentlichte in "Science" eine Studie, deren zufolge es gehirnphysiologisch gar nicht möglich sei, mehr als zwei anspruchsvolle Aufgaben paralell zu bewältigen. Während 16 Frauen und 16 Männer zwischen 19 und 32 Jahren komplizierte Aufgaben mit Buchstaben lösten, wurden ihre Gehirnaktivitäten mit einer Magnetresonanztomographie beobachtet.

Eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung der Reize spielt dabei der präfrontale Kortex an der Vorderseite des Gehirns, der die sensorischen Signale empfängt. Löst das Gehirn nur eine Aufgabe, so sind beide Gehirnhälften in diesem Bereich gleichzeitig aktiv. Muss ein Proband allerdings parallel zwei Aufgaben lösen, betreiben laut Koechlin die beiden Gehirnhälften Arbeitsteilung: die linke Gehirnhälfte kümmert sich um die eine, die rechte um die andere Aufgabe. Physiologisch sind wir daher darauf angewiesen, nicht mehr als zwei Dinge gleichzeitig zu tun, schreibt Koechlin. 

Mann wie Frau

Davon ausgeschlossen sind Dinge, die keine Entscheidung abverlangen, etwa Kaugummi kauen oder spazieren gehen. "Sobald wir aber mehr als eine Entscheidung in einem Zeitpunkt treffen müssen, was eine stärkere Verarbeitung verlangt, funktioniert die Verarbeitung in unserem Gehirn nicht mehr so effizient", sagt Tschernegg. In einer Studie hat sie die Gehirnaktivität von 19 Frauen und 19 Männern beim Dual-Tasking beobachtet, also beim Erledigen zweier Aufgaben gleichzeitig.

Wie bei Koechlin spielten dabei Buchstabenrätsel eine große Rolle. Tschernegg verglich dabei auch die unterschiedlichen Gehirnaktivitäten von Männern und Frauen mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie. Es zeigten sich keine Unterschiede in der Multitaskingfähigkeit zwischen den Geschlechtern. "Männer und Frauen aktivieren zwar unterschiedliche Areale im Gehirn, das hat aber auf das Lösen der Aufgabe keinen Einfluss", sagt Tschernegg abschließend. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 16.11.2012)