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Heinisch-Hosek und Hundstorfer orten "reaktionäre Tendenzen" beim Regierungspartner.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wien - Die SPÖ ist sauer auf den Koalitionspartner ÖVP. Auslöser ist die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes, die es nach Angaben der SPÖ wegen fehlender Zustimmung der ÖVP nicht wie geplant auf die Tagesordnung des Gleichbehandlungsausschusses am Mittwoch geschafft hat. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sprach in einer Aussendung von einem "Kniefall vor beharrenden Kräften in der katholischen Kirche".

"Leveling up" vorgesehen

Die Novelle bringt ein sogenanntes "levelling up" des Diskriminierungsschutzes für den Zugang zu bzw. die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen - einschließlich Wohnraum. Er soll künftig auch die Diskriminierungsmerkmale Religion oder Weltanschauungen, Alter und sexuelle Orientierung umfassen.

Derzeit sind diese nur in der Arbeitswelt relevant, und nur für die ethnische Zugehörigkeit gilt der Diskriminierungsschutz auch für den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Konkret bedeutet das etwa, dass künftig niemandem eine bestimmte Wohnung verwehrt werden darf, weil etwa der/die VermieterIn keine alten Menschen oder Homosexuellen im Haus haben will.

ÖVP warnte vor "Bevormundung" der Unternehmer

Ende Oktober hatte bereits Dorothea Schittenhelm als Vorsitzende der ÖVP-Frauen kritisiert, dass ihr Novelle in Teilen zu weit gehe: Sie befürchtete etwa eine "Bevormundung" der UnternehmerInnen. Selbstverständlich sei die ÖVP aber gegen jede Form der Diskriminierung. "Es gibt aber bereits viele wirksame Maßnahmen gegen Diskriminierung, und wir sollten aufpassen, dass nicht durch überbordende Bestimmungen andere Gruppen in ihrem Handeln eingeschränkt werden", bekräftigte Schittenhelm am Mittwoch in einer Aussage. Außerdem liege das levelling up auf EU-Ebene auf Eis, und "warum sollten wir in Österreich etwas einführen, bevor es eine entsprechende Entscheidung auf EU-Ebene gibt?", bekräftigte sie. Darüber hinaus habe sie auch verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Bedenken. "Das muss man sich genau ansehen und prüfen, bevor man entscheidet."

"Kniefall vor beharrenden Kräften in der katholischen Kirche"

Im Gleichbehandlungsausschuss kritisierten Heinisch-Hosek und Hundstorfer harsch, dass die Novelle nun zumindest verschoben wurde: "Wie schon 2011 hat die ÖVP verhindert, dass das sogenannte levelling up kommt", ärgerte sich Heinisch-Hosek. "Das ist ein Armutszeugnis für unser Land und ein Kniefall vor beharrenden Kräften in der katholischen Kirche, die sich massiv gegen mehr Schutz vor Diskriminierung stark machen." Auch Hundstorfer kritisierte: "Die Argumente, die gegen das levelling up eingeräumt werden, sind allesamt hanebüchen."

EU-Richtlinie bereits von 21 EU-Staaten umgesetzt

Unverständlich sei das Verhalten des Koalitionspartners auch deshalb, weil die Novelle bereits auf einer Sozialpartnereinigung basiere. Außerdem seien alle Stellungnahmen in den Gesetzesentwurf eingearbeitet worden, auch die der Bischofskonferenz. Das Levelling-up stelle die Umsetzung einer EU-Richtlinie aus 2008 dar, die bereits von 21 der 27 EU-Staaten erfüllt wurde.

"Dass es hier einen Meinungsumschwung in Richtung Blockade gegeben hat, macht mich wirklich betroffen", meinte Heinisch-Hosek. "Es ist völlig inakzeptabel, wenn im 21. Jahrhundert bestimmte Gruppen der Gleichstellung Steine in den Weg legen wollen. Diese reaktionären Tendenzen lehne ich zutiefst ab." Hundstorfer hofft, "dass sich die ÖVP doch noch zu einer Zustimmung dieser wichtigen Novelle durchringen kann".

Grüne für einheitlichen Diskriminierungsschutz

Auf Unmut stieß die Entscheidung auch bei den Grünen. "Das ist eigentlich ein Wahnsinn, dass eine Gruppe wie die Bischofskonferenz gemeinsam mit der ÖVP einen Gesetzesvorschlag zum Abbau von Diskriminierungen blockiert. Warum sind diese Gruppen daran interessiert, dass es in Österreich weiterhin möglich sein sollte, Menschen zum Beispiel wegen ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung bei der Wohnungssuche zu diskriminieren? Mit Nächstenliebe hat das jedenfalls nichts zu tun", erklärte Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen.

Kritik kommt auch von der Anti-Diskriminierungs-Organisation Klagsverband: Die Ablehnung der Novelle sei eine "Schande" für Österreich, das Gesetz müsse noch vor der nächsten Wahl in Kraft treten, "wenn die Regierung ihr Gesicht wahren will". (APA/red, dieStandard.at, 21.11.2012)